Als Folge der
Epilepsie entstehen für die Betroffenen erhebliche sozialmedizinische Konsequenzen mit Einschränkungen in der Berufswahl und der Mobilität sowie Stigmatisierung, Verlust an sozialen Kontakten und dadurch bedingter Minderung der
Lebensqualität.
Teilnahme an sportlichen Aktivitäten hat verschiedene positive Effekte für Menschen mit Epilepsie, die neben einer oft verbesserten Anfallskontrolle vor allem ein gestärktes Selbstbewusstsein, bessere soziale Einbindung und Verbesserung der allgemeinen körperlichen Gesundheit beinhalten. Zudem wirkt sich Sport positiv auf psychiatrische Komorbiditäten aus. Das Risiko für eine Anfallsinduktion durch Sport ist gering, im Allgemeinen ist von einer Abnahme des Anfallsrisikos während moderater sportlicher Aktivität auszugehen. Eine individuelle Beratung sollte das Verletzungsrisiko je nach Sportart beachten. Bei
Frauen mit Epilepsie besteht ein großer Beratungsbedarf, insbesondere im Zusammenhang mit den Themen Familienplanung und Schwangerschaft. Die größte Angst besteht hinsichtlich einer möglichen Behinderung des Kindes. Die überwiegende Mehrheit der Schwangerschaften verläuft auch bei Frauen mit Epilepsie komplikationslos. Entscheidend ist die frühe präkonzeptionelle Beratung.
Fahrtauglichkeit
Bislang existieren nur wenige wissenschaftliche Daten über die tatsächliche Notwendigkeit und die Dauer eines Fahrverbotes nach einem epileptischen Anfall (Bauer und Neumann
2009). Die Beurteilung der Fahrtauglichkeit für Patienten mit
epileptischen Anfällen erfolgt in Deutschland in erster Linie anhand der Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung (Gräcmann und Albrecht
2016). Für die Zwecke der Begutachtungsleitlinien werden die Klassen entsprechend des jeweils gültigen Anhangs III der EU-Führerscheinrichtlinie und der Anlage 4 der Fahrerlaubnisverordnung in die Gruppen 1 (z. B. PKW für den Privatgebrauch) und 2 (z. B. LKW, Fahrgastbeförderung) eingeteilt.
Wer unter persistierenden
epileptischen Anfällen oder anderen anfallsartig auftretenden Störungen mit akuter Beeinträchtigung des Bewusstseins, der Motorik oder anderer handlungsrelevanter Funktionen leidet, ist in der Regel nicht in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen beider Gruppen gerecht zu werden, solange ein wesentliches Risiko von Anfallsrezidiven besteht. Zur Beurteilung der Kraftfahreignung bei Menschen mit epileptischen Anfällen bzw.
Epilepsien müssen auch mögliche assoziierte körperliche oder
psychische Störungen berücksichtigt werden. Besteht eine antikonvulsive medikamentöse Behandlung (dies ist nur für Gruppe 1 relevant), so darf die
Fahrtüchtigkeit hierdurch nicht herabgesetzt werden. Dies ist auch bei Präparatewechsel oder Substanzwechsel zu beachten. Bei Fahrerlaubnisinhabern beider Führerscheingruppen sind eine fachneurologische Untersuchung sowie fachneurologische Kontrolluntersuchungen in zunächst jährlichen Abständen erforderlich. Im Verlauf, etwa bei langjähriger Anfallsfreiheit, kann das Intervall zwischen den Untersuchungen verlängert werden.
Gruppe 1 (z. B. PKW zum Privatgebrauch)
Gruppe 2 (z. B. LKW, Fahrgastbeförderung)
Generell gilt, dass die Fahreignung für die Gruppe 2 nur dann erteilt werden darf, wenn der Betroffene keine
Antiepileptika einnimmt.
Sport und Epilepsie
Die Mehrzahl der Epilepsiekranken treibt seltener Sport als gesunde Kontrollpersonen. Mit objektiven
Messverfahren lässt sich eine reduzierte aerobe und muskuläre Ausdauer (Steinhoff et al.
1996) sowie Muskelkraft bei Menschen mit
Epilepsie nachweisen (Jalava und Sillanpää
1997).
Leider wird Epilepsiepatienten auch heute noch häufig von Sport abgeraten, überwiegend aus Angst, Überprotektion und Unwissenheit über die spezifischen Vorteile und Risiken einzelner Sportarten. Der Mangel an körperlicher Bewegung erhöht wiederum das Risiko von Übergewicht mit allen daraus resultierenden negativen gesundheitlichen Folgen.
Epilepsiekranke berichten häufig von positiven Effekten von Sport auf die Anfallsfrequenz, wie in zwei Umfragen in Europa und Brasilien gezeigt werden konnte. Ebenso wird in der Literatur mehrheitlich von antikonvulsiven Wirkungen körperlicher Aktivität berichtet, obwohl der zwingende Nachweis dieses Effekts in großen systematischen Studien bisher aussteht. Die Langzeiteffekte von Sport auf
epileptische Anfälle wurden bislang in nur wenigen prospektiven Studien getestet. Die Mehrzahl der Arbeiten fand keinen signifikanten Effekt auf die Anfallsfrequenz. Jedoch wurden positive psychosoziale Wirkungen, ein Anstieg der maximalen Sauerstoffkapazität und eine Reduktion von
Muskelschmerzen, Schlafproblemen und Fatigue berichtet (Nakken et al.
1990).
Depression und
Angststörungen sind häufige Komorbiditäten bei Menschen mit
Epilepsie. In zahlreichen Studien konnte belegt werden, dass der Schweregrad von depressiven und
affektiven Störungen bei Epilepsiekranken sich korrelierend mit dem Ausmaß an körperlicher Aktivität verringert und Sport einen günstigen Effekt auf den psychischen Status, das Selbstwertgefühlt und die
Lebensqualität von Epilepsiepatienten hat (Nakken et al.
1990; McAuley et al.
2001).
Das Risiko für eine Anfallsinduktion durch Sport ist gering, bei der Mehrzahl der Epilepsiepatienten führt sportliche Aktivität nicht zu einer Provokation oder Häufung von Anfällen. Bei den wenigen Patienten, die unter körperlicher Anstrengung gehäuft
epileptische Anfälle erleiden, konnte durch eine EEG-Ableitung unter ergometrischer Belastung eine Zunahme der interiktalen epileptiformen Aktivität nachgewiesen werden (Nakken et al.
1990). Somit könnte eine EEG-Ergometrie ein einfaches diagnostisches Instrument darstellen, um die Epilepsiepatienten zu detektieren, die zu sportassoziierten Anfällen neigen.
Das allgemeine Verletzungsrisiko bei Patienten mit
Epilepsie ist im Vergleich zur gesunden Bevölkerung zwar leicht erhöht, der Anteil sportassoziierter Unfälle ist hingegen 3-mal niedriger als bei Gesunden, was vermutlich mit größeren Vorsichtsmaßnahmen und der geringeren sportlichen Aktivität von Epilepsiepatienten zusammenhängt. Schwimmunfälle sind die häufigste sportassoziierte Todesursache bei Epilepsiepatienten (Howard et al.
2004). Erwachsene Epilepsiekranke haben ein 4-fach erhöhtes Risiko für
Ertrinken, bei Kindern ist das relative Risiko sogar auf ein 7- bis 14-faches erhöht.
Generell sollten Patienten mit einer
Epilepsie zu sportlicher Aktivität ermutigt werden, auch gegen Wettkampf- oder Leistungssport bestehen keine generellen Bedenken. Dies gilt bei Anwesenheit einer Aufsichtsperson auch für Schwimmen, obwohl
Ertrinken die mit Abstand häufigste unnatürliche Todesursache bei Patienten mit Epilepsie darstellt, sodass besondere Vorsichtsmaßnahmen geboten sind. Es besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass wiederholter Körper- oder Kopfkontakt bei Ballspielen und Mannschaftssportarten einen nennenswerten Risikofaktor darstellt. Viele Sportarten sind für Menschen mit Epilepsie möglich. Der Einzelfall erfordert eine individuelle Klärung mit Berücksichtigung von Sportart, Anfallstyp und Anfallshäufigkeit sowie medikamentöser Behandlung. Ungeeignet sind Sportarten, die ein zu hohes Risiko darstellen, z. B. Tiefseetauchen, Hochgebirgsklettern, Fallschirmspringen oder Gleitschirmfliegen. Tab.
1 zeigt einen Überblick zur Risikoeinschätzung bei einzelnen Sportarten.
Tab. 1Einschätzung des Verletzungsrisikos
bei Menschen mit Epilepsie
. (Mod. nach Galovic und Tettenborn
2015)
Aerobe Sportarten (Joggen, Eislaufen, Fitness, Gymnastik, etc.) | X | | | | • Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution beachten • Aerobes Training hat möglicherweise günstige Effekte auf die Anfallshäufigkeit und Lebensqualität |
Bergsport (alpines Wandern, Hochgebirgstouren, Skitouren) | | X | | | • Vorsicht bei ausgesetzten Wegen und Absturzgefahr |
Skifahren | | X | | | • Kopf- und Körperschutz notwendig • Sturzgefahr vom Skilift |
Sport in großer Meereshöhe | | X | | | • Einzelne Fallberichte über Anfallsprovokation in Höhen >2000 m ü. M. |
Radfahren | | X | | | • Muss mit genereller Fahreignung vereinbar sein • Kopf- und Körperschutz notwendig |
Kontaktsportarten (Fußball, Basketball, Hockey, Baseball, etc.) | X | | | | • Information der Mitspieler über Epilepsie-Erkrankung wird empfohlen |
Boxen und Kampfsportarten | X | X | | | • Kein Konsensus, Rolle von wiederholten Schlägen gegen den Kopf für Menschen mit Epilepsie unklar |
Schwimmen und Wassersport | | | X | | • Ertrinkungsrisiko bei Menschen mit Epilepsie maßgeblich erhöht • Nur unter Aufsicht oder Begleitung, offene Gewässer meiden |
Tauchen | | | X | X | • Anfall unter Wasser birgt hohe Ertrinkungsgefahr und verläuft in der Regel tödlich • Individuelle Ausnahmen bei Anfallsfreiheit von mindestens 4–5 Jahren, erfahrenem Tauchpartner und in niedriger Tauchtiefe |
Rudern, Bootfahren, Fischen | | X | | | • Nur mit unmittelbarem Begleiter und bei Tragen einer Schwimmweste |
Klettern | | X | | X | • Nur unter Aufsicht • Epilepsiekranke sollten nicht den Partner sichern |
Reiten | | X | | | • Kopf- und Körperschutz notwendig • Sturzgefahr vom Pferd |
Turnen | X | X | | | • In Abhängigkeit vom Gerät besteht Sturzrisiko |
Hammer-, Diskus- und Speerwerfen | | | X | X | • Erhebliches Verletzungsrisiko für Sportler und andere Beteiligte |
Sport in Höhen (Fallschirmspringen, Paragliding etc.) | | | X | X | • Hohes Verletzungs- und Todesrisiko • Risiko für andere Beteiligte |
Motorsport (Motorradfahren, Autorennen, Jetskifahren, Fliegen) | | | X | X | • Von Motorsport sollte generell abgeraten werden • Siehe gültige landesspezifische Fahreignungsrichtlinien |
Schießsport (Bogenschießen, Schießen mit Schusswaffen) | | | X | X | • Erhebliches Verletzungsrisiko für Sportler und andere Beteiligte • Die Voraussetzungen des lokalen Waffengesetzes müssen erfüllt sein (in der Regel sind Schusswaffen bei Menschen mit aktiver Epilepsie verboten) |
Kinderwunsch und Epilepsie
Etwa 1 % aller Schwangeren leiden an einer
Epilepsie. Die Mehrzahl dieser Schwangerschaften verläuft komplikationslos und es werden gesunde Kinder geboren. Eine Epilepsie stellt also in der Regel keinen Grund dar, auf Kinder zu verzichten. Es besteht zwar für Kinder epilepsiekranker Eltern ein leicht erhöhtes Fehlbildungsrisiko, die Angst vor Fehlbildungen ist aber meist zu groß, und das Risiko kann zusätzlich verringert werden, wenn eine Schwangerschaft sorgfältig geplant wird und vorbeugende Maßnahmen getroffen werden.
Das durchschnittliche Risiko einer Vererbung bei einem betroffenen Elternteil liegt bei ca. 3 %, wobei Kinder epilepsiekranker Frauen ein etwas höheres Risiko haben, an einer
Epilepsie zu erkranken, als Nachkommen männlicher Epilepsiepatienten. Das Vererbungsrisiko steigt auf ca. 15 % an, wenn beide Elternteile an einer Epilepsie leiden.
Möglicherweise aus Unsicherheit zeigt sich eine Zurückhaltung von Epilepsiepatientinnen bei der Familienplanung mit 0,9 Kindern im Vergleich zu 1,4 Kindern bei gesunden Frauen. Die Fertilität bei
Kinderwunsch ist hingegen bei der überwiegenden Mehrzahl aller Frauen mit
Epilepsie nicht reduziert.
Nach aktuellen Daten aus dem Europäischen Register für Schwangerschaften unter
Antiepileptika (EURAP) verliefen 67 % von 3784 prospektiv verlaufskontrollierten Schwangerschaften anfallsfrei. Bei 12 % der Patientinnen kam es zu einer Abnahme, bei 16 % zu einer Zunahme der Anfallsfrequenz, Letzteres möglicherweise auch bedingt durch eine Medikamentenreduktion aus Angst vor Schädigungen des Kindes. In den übrigen Schwangerschaften war die Anfallsfrequenz unverändert (Battino et al.
2013). Andererseits können verschiedene Veränderungen des Stoffwechsels während der Schwangerschaft zu einem Abfall der Blutspiegel der Medikamente und dadurch zu vermehrten Anfällen führen; in diesem Fall kann eine Dosisanpassung der Antikonvulsiva erforderlich werden. Insbesondere bei Behandlung mit
Lamotrigin kann es während der Schwangerschaft zu erheblichen Serumspiegelabfällen kommen, die bei den meisten Frauen eine Dosisanpassung erforderlich machen.
Fokal zu bilateral (früher: generalisierte) tonisch-klonische Anfälle während der Schwangerschaft können sich wegen des damit verbundenen Sauerstoffmangels für das ungeborene Kind nachteilig auswirken, das Risiko fokaler sowie nichtkonvulsiver Anfälle ist bislang unklar. Häufige generalisiert tonisch-klonische Anfälle in der Schwangerschaft gehen mit einem verminderten kindlichen IQ, einem erhöhten Risiko für eine
Frühgeburt, einem niedrigeren Gestationsalter und vermindertem Geburtsgewicht einher. Insgesamt ist die Gefahr einer Schädigung des Kindes durch wiederholte fokal zu bilateral tonisch-klonische Anfälle bei der Mehrzahl der Patientinnen sicherlich größer als das durch Antikonvulsiva bedingte Fehlbildungsrisiko.
Der Schwangerschaftsverlauf unterscheidet sich ansonsten nicht wesentlich von demjenigen nicht erkrankter Frauen und auch die Entbindung verläuft normalerweise nicht komplizierter. Aus epileptologischer Sicht besteht die Notwendigkeit zu einem Kaiserschnitt nur dann, wenn während der Wehen wiederholt Anfälle auftreten.
Das Risiko für Fehlbildungen bei Kindern epilepsiekranker Mütter ist mit 4–8 % etwa 2- bis 4-fach höher als die erwartete
Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung, in der dieses Risiko 0,5–2 % beträgt. Dabei versteht man unter schwerwiegenden Fehlbildungen solche, die einen chirurgischen Eingriff beim Kind erforderlich machen (z. B. Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte, Spina bifida, Skelett- und Herzfehlbildungen). Die aktuelle Datenlage lässt darauf schließen, dass diese Risikoerhöhung v. a. durch die antikonvulsive Medikation zustande kommt und weniger durch die
Epilepsie oder Anfälle. Relevant ist das 1. Schwangerschaftstrimenon, da die Organogenese nach der 12. Schwangerschaftswoche abgeschlossen ist.
Wichtige Daten über die Häufigkeit von kongenitalen Malformationen bei intrauteriner Antikonvulsiva-Exposition entstammen insbesondere dem Europäischen Register für Schwangerschaften unter
Antiepileptika (EURAP), dem North American AED Pregnancy Registry und den UK and Ireland Epilepsy and Pregnancy Registers (Kinney und Craig
2017). Die mit Abstand höchste Fehlbildungsrate findet sich bei einer Medikation mit Valproat. Bei einer Tagesdosis von 1500 mg oder mehr kam es bei 24 % der Kinder zu einer Fehlbildung, wobei vorwiegend
Spina bifida aperta, Herzfehler,
Hypospadie und multiple Fehlbildungen beobachtet wurden. Auch bei niedrigeren Tagesdosen unter 800 mg traten bei knapp 6 % der Kinder Fehlbildungen auf. Eine besonders negative Auswirkung hat die Einnahme von Valproat während der Schwangerschaft auf die kognitive Entwicklung der Kinder in den ersten Lebensjahren, der IQ im Alter von 6 Jahren ist nach intrauteriner Valproat-Exposition signifikant niedriger als ohne Medikation oder bei Einnahme anderer Antikonvulsiva mit einem dosisabhängigen Effekt auf den IQ des Kindes. Zudem haben Kinder, die in der Schwangerschaft
Valproinsäure ausgesetzt waren, ein erhöhtes Risiko für Störungen des autistischen Formenkreises (Müffelmann und Bien
2016).
Eine
Metaanalyse von 26 Studien einschließlich Schwangerschaften bei behandelten und unbehandelten Epilepsiepatientinnen sowie bei gesunden Frauen hat eine Fehlbildungsrate von 6,1 % bei Kindern von Frauen mit einer behandelten
Epilepsie ergeben gegenüber 2,8 % bei Kindern von Frauen mit Epilepsie ohne Einnahme von Antikonvulsiva und 2,2 % bei Kindern von gesunden Frauen. Insgesamt ist eine antikonvulsive Polytherapie mit einem höheren Malformationsrisiko von 6,8 % verbunden als eine entsprechende Monotherapie, die ein statistisches Risiko für Fehlbildungen von 4 % zur Folge hat. Dabei wirkt sich eine Polytherapie, die Valproat beinhaltet, besonders negativ auf das Malformationsrisiko aus, während Komedikation mit
Lamotrigin oder
Carbamazepin keinen so negativen Effekt zu haben scheint (Morrow et al.
2006; Tomson und Battino
2009). Es bleibt allerdings festzuhalten, dass die Prozentangaben für Fehlbildungsraten unter den einzelnen Antikonvulsiva in der Literatur stark schwanken. Geringfügige Fehlbildungen (z. B. kleine kosmetische Veränderungen der Gesichtspartien oder Verkürzung von Fingerendgliedern oder Nägeln) kommen nicht häufiger vor als bei Kindern von Eltern ohne Epilepsie. Möglicherweise treten unter einer Medikation mit
Phenytoin kleinere Fehlbildungen etwas gehäuft auf; unter Lamotrigin scheint das Risiko nicht erhöht zu sein.
Die Herausforderung für den behandelnden Neurologen ist es, eine Medikation zu verschreiben, die effektiv Anfälle, insbesondere fokal zu bilateral tonisch-klonische Anfälle, bei der werdenden Mutter verhindert und dabei gleichzeitig das Fehlbildungsrisiko für das ungeborene Kind so gering wie möglich hält. Generell sollte die Behandlung einer
Epilepsie bei Frauen im gebärfähigen Alter nach den üblichen Richtlinien erfolgen. Die regelmäßige und exakte Einnahme der Medikamente ist gerade während der Schwangerschaft von besonderer Bedeutung. Im Allgemeinen empfiehlt es sich, die Einnahme der Medikamente auf mehrere Einzelgaben pro Tag zu verteilen (z. B. 3- oder 4-mal täglich statt 1- oder 2-mal täglich) und Retardpräparate einzunehmen, dadurch können Konzentrationsspitzen des Medikamentes im Blut vermieden werden.
Entsprechend den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie wird Frauen im gebärfähigen Alter die Einnahme von 5 mg
Folsäure pro Tag empfohlen. Eine Korrelation zwischen der Einnahme von Folsäure und dem kindlichen IQ ist bekannt. Ein protektiver Effekt für kongenitale Malformationen (
Neuralrohrdefekte, Herzfehler, Fehlbildungen des Urogenitaltraktes) wird vermutet, obwohl ein schützender Effekt von höheren Dosen Folsäure bei Epilepsiepatientinnen nicht sicher nachgewiesen ist. Die Mehrzahl der Studien zeigt keinen signifikanten Effekt der Folsäuresubstitution (Menzler et al.
2016).
Hinsichtlich des
Stillens gibt es keine ausreichende Datenlage, Empfehlungen sind daher nicht einheitlich. Insbesondere die nicht an Proteine gebundenen Antikonvulsiva wie
Gabapentin oder
Levetiracetam zeigen eine hohe Konzentration in der Muttermilch. Trotzdem ist der Wirkstoffspiegel beim Neugeborenen häufig niedrig, da er zusätzlich von der Absorption und Elimination beim Säugling abhängt. Antikonvulsiva wie
Lamotrigin und
Oxcarbazepin, die durch Glucoronidierung eliminiert werden, weisen jedoch beim Säugling eine hohe Plasmakonzentration von bis zu 30–40 % der mütterlichen Plasmakonzentration auf. Trotzdem gibt es bis auf wenige Fallberichte keine Hinweise auf Nebenwirkungen beim Kind. Tatsächlich zeigt eine aktuellere Follow-up-Untersuchung von 6 Jahren einen positiven Effekt des Stillens auch unter antikonvulsiver Medikation der Mutter (Meador et al.
2014).