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Klinische Neurologie
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Publiziert am: 23.02.2020

Spannungskopfschmerzen

Verfasst von: Stefanie Förderreuther und Katharina Kamm
Spannungskopfschmerzen (SKS) sind mit Abstand die häufigsten Kopfschmerzen. Grundsätzlich wird zwischen episodischen und chronischen Spannungskopfschmerzen unterschieden.
Spannungskopfschmerzen (SKS) sind mit Abstand die häufigsten Kopfschmerzen. Grundsätzlich wird zwischen episodischen und chronischen Spannungskopfschmerzen unterschieden.
Definition
Spannungskopfschmerzen (SKS) sind mit Abstand die häufigsten Kopfschmerzen. Grundsätzlich wird zwischen episodischen und chronischen Spannungskopfschmerzen unterschieden (Robbins und Lipton 2010). Die folgenden Übersichten listen die derzeit gültigen diagnostischen Kriterien nach der ICHD-3 auf (Olesen 2018). Dabei ist zu beachten, dass das Kriterium A bestimmt, ob ein seltener oder häufig auftretender episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp vorliegt. Diagnostisch wird zudem unterschieden, ob begleitend bei manueller Palpation eine erhöhte perikranielle Schmerzempfindlichkeit vorliegt.
Diagnosekriterien des episodischen Spannungskopfschmerzes (ICHD-3)
A
Mindestens 10 Kopfschmerzattacken
Frequenz beim seltenen episodischen Spannungskopfschmerz: im Durchschnitt weniger als einmal im Monat (<12 Kopfschmerztage pro Jahr)
Frequenz beim häufigen episodischen Spannungskopfschmerz: Auftreten durchschnittlich an 1 bis 14 Tagen/Monat für >3 Monate (≥12 und <180 Tage/Jahr)
Attacken erfüllen zudem die Kriterien B–D
B
Die Kopfschmerzdauer liegt zwischen 30 Minuten und 7 Tagen
C
Der Kopfschmerz weist mindestens zwei der folgenden Charakteristika auf:
- Beidseitige Lokalisation
- Schmerzcharakter drückend oder beengend, nicht pulsierend
- Leichte bis mittlere Schmerzintensität
- Keine Verstärkung durch körperliche Routineaktivität wie Gehen oder Treppensteigen
D
Beide der folgenden Punkte sind erfüllt:
- Fehlen von Übelkeit oder Erbrechen
- Es darf entweder eine Fotophobie oder eine Phonophobie, nicht jedoch beides vorhanden sein
E
Nicht besser erklärt durch eine andere ICHD-3-Diagnose1
1Erfüllt der Kopfschmerz sowohl die Kriterien für eine 1,5 wahrscheinliche Migräne und einen 2,1 selten auftretenden episodischen Kopfschmerz vom Spannungstyp, sollte er gemäß der allgemeinen Regel, dass definitive Diagnosen immer Vorrang haben gegenüber wahrscheinlichen, als 2,1 selten auftretender episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp (oder als der entsprechende Subtyp davon, für den die Kriterien erfüllt sind) kodiert werden
Diagnosekriterien des chronischen Spannungskopfschmerzes (ICHD-3)
A
Ein Kopfschmerz, der die Kriterien B bis D erfüllt, tritt an durchschnittlich ≥15 Tagen/Monat über >3 Monate (≥180 Tage/Jahr) auf
B
Der Kopfschmerz hält für Stunden bis Tage an oder ist kontinuierlich vorhanden
C
Der Kopfschmerz weist mindestens 2 der folgenden Charakteristika auf:
- Beidseitige Lokalisation
- Schmerzcharakter drückend oder beengend, nicht pulsierend
- Leichte bis mittelstarke Schmerzintensität
- Keine Verstärkung durch körperliche Routineaktivitäten wie Gehen oder Treppensteigen
D
Beide folgende Punkte sind erfüllt:
1. Höchstens eines ist vorhanden: leichte Übelkeit oder Fotophobie oder Phonophobie
2. Weder Erbrechen noch mittelstarke bis starke Übelkeit
E
Nicht besser durch eine andere ICHD-3-Diagnose erklärta,b,c
1Sowohl die Diagnose eines 2,3 chronischen Kopfschmerzes vom Spannungstyp als auch die einer 1,3 chronischen Migräne setzen voraus, dass diese an 15 oder mehr Tagen/Monaten aufgetreten sind. Bei einem 2,3 chronischen Kopfschmerz vom Spannungstyp muss der Kopfschmerz an mindestens 15 Tagen die Kriterien B bis D für einen 2,2 häufig auftretenden episodischen Kopfschmerz vom Spannungstyp erfüllen; für eine 1,3 chronische Migräne muss der Kopfschmerz an mindestens 8 Tagen die Kriterien B bis D für eine 1,1 Migräne ohne Aura erfüllen. Patienten können daher sämtliche Kriterien für beide Diagnosen erfüllen, etwa indem sie an 25 Tagen/Monat unter Kopfschmerzen leiden, die an 8 Tagen die Kriterien für eine Migräne erfüllen und an 17 Tagen die Kriterien für einen Kopfschmerz vom Spannungstyp. In solchen Fällen sollte nur die Diagnose lediglich 1,3 chronische Migräne lauten
2Der 2,3 chronische Kopfschmerz vom Spannungstyp entwickelt sich mit der Zeit aus einem 2,2 häufigen episodischen Kopfschmerz vom Spannungstyp; wenn die Kriterien A bis E von einem Kopfschmerz erfüllt werden, der eindeutig täglich auftritt und binnen weniger als 24 Stunden nach seinem ersten Auftreten nicht remittiert ist, erfolgt eine Kodierung unter 4,10 neu aufgetretener täglicher Kopfschmerz. Wird die Art und Weise des Kopfschmerzbeginns nicht erinnert oder ist der Beginn unklar, sollte eine Kodierung unter 2,3 chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp erfolgen
3In vielen unklaren Fällen spielt ein Medikamentenübergebrauch eine Rolle. Ist hier Kriterium B einer der Subtypen von 8,2 Kopfschmerz zurückzuführen auf einen Medikamentenübergebrauch und sind gleichzeitig die Kriterien für einen 2,3 chronischen Kopfschmerz vom Spannungstyp erfüllt, ist die Grundregel, sowohl unter 2,3 chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp als auch unter 8,2 Kopfschmerz zurückzuführen auf einen Medikamentenübergebrauch zu kodieren. Nach Medikamentenentzug sollte die Diagnose reevaluiert werden: es kommt nicht selten vor, dass die Kriterien für einen 2,3 chronischen Kopfschmerz vom Spannungstyp dann nicht mehr erfüllt sind und der Patient zu dem einen oder anderen episodischen Kopfschmerztyp zurückkehrt. Bleibt die Erkrankung nach Medikamentenentzug chronisch, entfällt die Diagnose 8,2 Kopfschmerz zurückzuführen auf einen Medikamentenübergebrauch
Vorkommen und Häufigkeit
Mit einer Prävalenz zwischen 40 % in den USA und bis 74 % in Europa (Aaseth et al. 2009) ist der episodische Spannungskopfschmerz (SKS) der häufigste Kopfschmerz überhaupt. Wesentlich seltener wird dagegen der chronische SKS einheitlich weltweit mit einer Prävalenz von 2–3 % angegeben (Fumal und Schoenen 2008). Anders als bei der Migräne ist das Geschlechterverhältnis fast ausgeglichen, mit einer geringfügig höheren Prävalenz bei Frauen (w:m = 5:4).
Pathophysiologie
In allgemeiner Übereinstimmung wird als wesentlicher pathophysiologischer Mechanismus des SKS eine zentrale Änderung der Schmerzschwelle im Sinne einer zentralen „Sollwertverstellung“ angenommen (Fumal und Schoenen 2008). Untersuchungen zu Veränderungen der Neuropeptid- oder Endorphinfreisetzung waren – im Gegensatz zu entsprechenden Untersuchungen bei Migränepatienten – unergiebig. Der initiale Mechanismus der Schmerzentstehung bleibt somit nach wie vor unklar. Ein wichtiges Indiz für einen zentralen Mechanismus ist die Beobachtung, dass bei Patienten mit chronischem SKS auch morphologisch messbare Veränderungen in antinozizeptiven Strukturen des Hirnstamms, insbesondere im periaquäduktalen Grau (PAG) vorkommen, die bei Patienten mit episodischem SKS nicht nachweisbar sind (Schmidt-Wilcke et al. 2005).
Der früher, inzwischen aber nicht mehr, gebräuchliche Begriff des „Muskelkontraktionskopfschmerzes“ entsprach der klinischen Beobachtung, dass viele Patienten gleichzeitig eine Verspannung oder Verhärtung des myofazialen Gewebes zeigen. Ältere pathophysiologische Vorstellungen vermuteten daher die Entstehung von Kopfschmerzen als Folge dieser Muskelverspannungen. Heute werden diese Symptome jedoch eher als sekundäre Aktivierung peripherer Nozizeptoren mit konsekutiv erhöhter Druck- und Schmerzempfindlichkeit von perikranieller Muskulatur und Kopfhaut als Folge der zentralen Sollwertverstellung gesehen (Ashina et al. 2005).
Klinik
Der SKS ist ein uncharakteristischer und phänomenologisch unspezifischer Kopfschmerz, der Patienten nur bei häufigem Auftreten zum Arzt führt. Er sollte nur dann als primäres Kopfschmerzsyndrom eingeordnet werden, wenn sein erstes Auftreten nicht im Kontext mit einer anderen Erkrankung auftritt. Er ist von dumpf-drückendem Charakter, bifrontal, okzipital oder auch holokraniell lokalisiert. Patienten beschreiben den Schmerz oft als „ein Band, das um den Kopf geschnürt ist“, ein Gefühl, wie in einen Schraubstock gespannt zu sein, oder eine Benommenheit mit dem Gefühl, „nicht klar denken zu können“. Anders als bei der Migräne fehlen vegetative Begleitsymptome in aller Regel. Es kann lediglich eine leichte Lärm- oder Lichtempfindlichkeit begleitend auftreten (Jensen 2018).
Der Kopfschmerz kann zu jeder Tageszeit beginnen und wird durch körperliche Anstrengung nur unwesentlich verstärkt, sodass die Schmerzintensität die Arbeitsfähigkeit in den meisten Fällen nicht wesentlich einschränkt. Die Dauer der Beschwerden ist sehr unterschiedlich und kann gemäß der Klassifikation zwischen 30 Minuten und 7 Tagen liegen. Nicht selten ist die perikranielle Kopfmuskulatur oder auch die Nackenmuskulatur druckschmerzhaft. Dies geht auch in die formale diagnostische Klassifikation ein, hat aber für die Therapie keine Konsequenz.
Der episodische SKS (<180 Kopfschmerztage/Jahr) unterscheidet sich formal vom chronischen SKS (≥15 Tage Kopfschmerzen pro Monat für mind. 3 Monate) nur durch die Anzahl der Tage mit Kopfschmerzen und dem obligaten Fehlen von Übelkeit. Die Unterscheidung zwischen dem episodischen und chronischen Verlauf ist vor allem in Hinblick auf Differenzialdiagnosen und die Therapie von klinischer Bedeutung. Der chronische Verlauf führt zu deutlich mehr Beeinträchtigung und häufiger zu Medikamentenübergebrauch als der episodische Spannungskopfschmerz. Begleitende Komorbiditäten wie Depressionen und Angststörungen oder andere chronische Schmerzsyndrome wie die Fibromyalgie sind bei chronischen Verläufen häufiger. Sie müssen bei der Therapie stets berücksichtigt werden.
Diagnostik
Auch bei SKS sind Anamnese und körperlicher Untersuchungsbefund für die Diagnose und Abgrenzung anderer primärer und sekundärer Kopfschmerzerkrankungen wegweisend. Die wichtigste Differenzialdiagnose des episodischen SKS ist eine leichte oder frühzeitig mit Erfolg behandelte Migräneattacke. Zudem gehen aber auch viele sekundäre Kopfschmerzen z. B. bei einem banalen Infekt, bei Sinusitis, intrakranieller Druckerhöhung oder zerebralen Sinus- und Venenthrombosen mit unspezifischen Kopfschmerzen einher. Wichtigste Differenzialdiagnose des chronischen Spannungskopfschmerzes ist der Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch (Diener und Limmroth 2004). Die regelhafte Einnahme von Triptanen, einfachen Analgetika, nichtsteroidalen Antirheumatika und Opioiden an mehr als 9 Tagen pro Monat führt bei Patienten mit vorbestehenden Kopfschmerzen zu einer Chronifizierung mit zunehmend schlechterem Ansprechen auf Akutmedikation und Zunahme der Kopfschmerztage (vgl. Kap. „Sekundäre Kopfschmerzsyndrome“). Diagnostisch wegweisend ist die Medikamentenanamnese. Davon müssen Kopfschmerzen als Nebenwirkung einer anderen Pharmakotherapie unterschieden werden.
Der neurologische Befund sollte beim primären Spannungskopfschmerz unauffällig sein oder den Schmerz nicht erklären. Bei Vorliegen fokal-neurologischer Defizite oder internistischer Befunde müssen differenzialdiagnostisch symptomatische Ursachen durch gezielte Zusatzdiagnostik gesichert oder ausgeschlossen werden. Eine Übersicht wichtiger Differenzialdiagnosen des episodischen sowie des chronischen SKS sind in Tab. 1 und 2 aufgeführt.
Tab. 1
Differenzialdiagnosen des episodischen Spannungskopfschmerzes
Kopfschmerzart
Lokalisation
Alter
Geschlecht
Unterscheidungskriterium
Einseitig oder weniger häufig holokraniell
Jedes Alter
w:m 3:1
Begleitsymptome wie Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheu, Schmerzverstärkung bei körperlicher Aktivität, meist zumindest partielles Ansprechen auf Triptane
Holokraniell
Ab 60 Jahre
Frauen etwas häufiger
Nur nachts, immer zur gleichen Zeit für ca. 1–2 h
Sinusitis
Überwiegend frontal
Jedes Alter
Schmerzintensität morgens nach dem Aufstehen stärker, Schmerzverstärkung bei Beugung nach vorn
Meist, aber nicht obligat holokraniell
15–45 Jahre
Überwiegend Frauen mit Übergewicht
Begleitende Sehstörungen, Tinnitus. Papillenödem/Stauungspapille, lumbaler Liquoreröffnungsdruck erhöht
Chronisches einseitiges oder bilaterales Subduralhämatom
Meist holokraniell
Jedes Alter
Vorangegangenes (Bagatell-)Trauma, begleitende Antikoagulation, Thrombozytenaggregationshemmer, chronischer Alkoholabusus, neurologische Ausfälle, Bewusstseinsstörung
Zerebrale Venen-/Sinusthrombose
Meist holokraniell
Jedes Alter, aber bevorzugt 15–40 Jahre
Überwiegend Frauen
Langsam zunehmende, therapieresistente Schmerzen, fokale epileptische Anfälle, Therapie mit Östrogenen, Thrombophilie in der Anamnese
Tab. 2
Differenzialdiagnosen des chronischen Spannungskopfschmerzes
Kopfschmerzart
Lokalisation
Alter
Geschlecht
Unterscheidungskriterium
Kopfschmerz bei Übergebrauch von Akutmedikation
Holokraniell
Grundsätzlich jedes Alter, am häufigsten 30–50 Jahre
w:m 4:1
Langsam mit steigendem Medikamentenkonsum zunehmend, oft über Jahre
Kopfschmerz als Nebenwirkung eines Medikamentes
Holokraniell
Jedes Alter
Keine Geschlechterpräferenz
Beginn im zeitlichen Zusammenhang mit Medikamenten-Neuverordnung. Sistieren bei Medikamentenpause
Chronische Migräne
Einseitig, aber auch holokraniell
Grundsätzlich jedes Alter, am häufigsten 30–50 Jahre
w:m 3:1
Begleitend typische Migräneattacken, allmähliche Zunahme der Migräneattackenfrequenz
Einseitig
Jedes Alter
w:m 2,5:1
Fluktuierende Schmerzintensität mit deutlichen Exazerbationen und begleitenden ipsilateralen autonomen Symptomen, Ansprechen ausschließlich auf Indometacin
New daily persistent headache
Holokraniell
Jedes Alter
Primär chronischer und anhaltender Verlauf, Beginn z. T. infektassoziiert
Sinusitis
Überwiegend frontal
Jedes Alter
Schmerzintensität morgens nach dem Aufstehen stärker, Schmerzverstärkung bei Beugung nach vorn
Holokraniell
Jedes Alter, vorwiegend aber ab 50 Jahre
Gesichtsrötung, Tremor, Schwitzen
Idiopathische intrakranielle Hypertension
Meist, aber nicht obligat holokraniell
15–45 Jahre
Überwiegend Frauen mit Übergewicht
Begleitende Sehstörungen, Tinnitus. Papillenödem/Stauungspapille, lumbaler Liquoreröffnungsdruck erhöht
Meist holokraniell
Ab dem 50. Lebensjahr
Laborchemisch Entzündungszeichen (BKS ↑, CRP ↑,IL-6 ↑), Allgemeinsymptome, Polymyalgie
Holokraniell
Mittleres und höheres Erwachsenenalter
Schnarchen, Übergewicht, morgendliches Schmerzmaximum, Schlafstörungen
Oromandibuläre Dysfunktion
Temporale Betonung
Jedes Alter
Anamnese mit Bruxismus, Pressen, Druckschmerzhaftigkeit der Kiefergelenke, Schmerzverstärkung beim Kauen, Aufbissspuren in der Wangenschleimhaut
Therapie
Akuttherapie des episodischen SKS
Anders als bei der Migräne gibt es für den SKS keine spezifischen Substanzen. Der episodische SKS wird bei Bedarf mit Analgetika und nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) behandelt.
Dutzende von Studien haben verschiedene Substanzen miteinander verglichen. Dabei waren alle Analgetika wirksamer als Placebo, vereinzelte NSAR auch wirksamer als Acetylsalicylsäure (ASS) oder Paracetamol (Haag et al. 2011). Allerdings sind nicht immer alle verwendeten Dosierungen der einzelnen Substanzen miteinander vergleichbar (ausführliche Darstellungen bei Fumal und Schoenen 2008). Die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie sehen zur Behandlung des episodischen SKS Acetylsalicylsäure, Paracetamol, Ibuprofen, Naproxen und Metamizol vor, ohne eine spezifische Reihenfolge zu empfehlen (Tab. 3). Auch zu anderen Substanzen wie Ketoprofen, Keterolac liegen, wenn auch z. T. nur geringe, Studiendaten vor, die eine gute Wirksamkeit dieser Substanzen belegen. COX2-Inhibitoren sind in der Behandlung des episodischen SKS ebenfalls signifikant wirksamer als Placebo (Packman et al. 2000).
Tab. 3
Substanzen und Dosierungen zur Behandlung des episodischen SKS nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
Substanz
Dosis (mg)
Qualität der Studienlage/Evidenz
Acetylsalicylsäure
500–1000
↑↑
Paracetamol
500–1000
↑↑
Ibuprofen
200–400
↑↑
Naproxen
250–500
Metamizol
500–1000
↑↑ Durch mehrere oder zahlreiche Studien der Klasse I belegt; ↑ durch einzelne oder wenige Studien belegt
Eine gut untersuchte Alternative zu Analgetika ist die Applikation von Pfefferminzöl im Bereich von Stirn, Schläfen und Nacken, zumal dies nicht die Gefahr eines Medikamentenübergebrauchskopfschmerzes birgt (Göbel et al. 1996). Die Anwendung kann nach Bedarf mehrfach täglich erfolgen.
In der Beratung der Patienten ist es entscheidend, frühzeitig über die Gefahren durch häufige Einnahme von Akutmedikation aufzuklären und die Auslöser für SKS zu analysieren. Viele Betroffene haben überzogene Anforderungen an ihre eigenen Leistungen und neigen zur Selbstüberforderung. Sie sind dadurch verstärkt Stress und Überbelastung am Arbeitsplatz bzw. in der Familie ausgesetzt und zeigen einen unausgeglichenen Lebensstil mit unausgewogener Ernährung und zu wenig Bewegung, z. B. an der frischen Luft. All dies begünstigt das Auftreten von SKS und deren Chronifizierung. Spaziergänge an der frischen Luft, sportliche Aktivitäten, Abbau von Stress und verbesserte Strategien zur Stressbewältigung sowie eine Tagesstrukturierung wirken sich günstig aus und können die Einnahme von Akutmedikation oftmals entbehrlich machen.
Prophylaxe des SKS
Schon der hochfrequente und besonders der chronische SKS erfordern in aller Regel ein multimodales Vorgehen. Die regelmäßige Einnahme von Analgetika allein führt neben typischen Nebenwirkungen auch zur Verschlechterung des Kopfschmerzes und/oder zur Entwicklung eines medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerzes. Daher kommt medikamentösen und nichtmedikamentösen prophylaktischen Maßnahmen große Bedeutung zu.
Für die medikamentöse Prophylaxe des chronischen SKS haben sich bereits in den 1960er-Jahren trizyklische Antidepressiva durchgesetzt (Lance und Curran 1964). Sie sind auch bis heute Mittel der ersten Wahl geblieben. Ihr Einsatz erfolgt unter der Vorstellung, dass es sich beim SKS um ein Problem der Schmerzverarbeitung im Hirnstamm und Thalamus handelt, die im Wesentlichen serotonerg bzw. noradrenerg vermittelt ist.
In der Praxis wird gelegentlich der selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Venlafaxin zur Prophylaxe des SKS eingesetzt. Allerdings waren die Studien wie bei den selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) oder selektiven Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern negativ (Banzi et al. 2015). Kleinere, z. T. aber widersprüchliche Studien konnten einen geringen therapeutischen Effekt von einzelnen Muskelrelaxanzien zeigen. Daher bleiben Trizyklika wie Amitriptylin Mittel der 1. Wahl (Tab. 4).
Tab. 4
Therapieempfehlungen zur medikamentösen Behandlung des chronischen SKS sowie nichtmedikamentöse Verfahren
Substanz oder Verfahren
Dosis
Qualität der Studienlage/Evidenz
Amitriptylin
10–75 mg
↑↑
Doxepin
10–100 mg
Clomipramin
25–150 mg
Imipramin
30–75 mg
Tizanidin
2–24 mg
↑↑ Durch mehrere oder zahlreiche Studien der Klasse I belegt; ↑ durch einzelne oder wenige Studien belegt; ↔ nur durch Fallberichte oder unzureichende Studien beschrieben
Von Seiten der nichtmedikamentösen Verfahren kommt Entspannungstechniken, Biofeedback-Verfahren und der kognitiven Verhaltenstherapie die größte Bedeutung zu. Mehrere Studien konnten einen positiven Effekt von Ausdauersportprogrammen wie Joggen, Schwimmen, Radfahren oder Nordic Walking auf die Zahl der Kopfschmerztage pro Monat zeigen (Torelli et al. 2004). Verschiedene ältere Studien haben Muskelentspannungsverfahren mit und ohne EMG-Biofeedback untersucht. Auch wenn viele dieser Studien methodologische Probleme aufweisen, konnte zumeist eine Reduktion von Schmerzintensität und Schmerzhäufigkeit zwischen 40–60 % erreicht werden (Bussone et al. 1998). Das inzwischen am weitesten verbreitete Verfahren, insbesondere aufgrund seiner leichten Erlernbarkeit und Anwendbarkeit, ist die progressive Muskelentspannung nach Jacobson (Jacobson 1938). Die Patienten lernen dabei, zunächst einzelne Muskelgruppen zu kontrahieren und wieder zu entspannen. Danach wird erlernt, diese Übungen auch in stressreichen Situationen anzuwenden.
Weitere verhaltenstherapeutische Elemente sind Stressbewältigungstraining und psychologische Schmerztherapie. Die psychologische Schmerztherapie zielt unter anderem darauf ab, den Umgang mit dem subjektiven Schmerzerleben zu beeinflussen, Tendenzen zur vermehrten Introspektion und Kontrolle des Schmerzes sowie Erwartungsängste abzubauen. Beim Stressbewältigungstraining wird der gesamte Tagesablauf mit dem Patienten besprochen. Es werden stresserzeugende Situationen aufgezeigt und versucht, gemeinsam mit dem Patienten spezifische Bewältigungsstrategien zu erarbeiten. In einer randomisierten dreiarmigen Studie, in der Stressbewältigungstraining mit der Gabe von trizyklischen Antidepressiva sowie der Kombination aus beiden Komponenten verglichen wurde, erzielte die Kombinationsbehandlung die besten Ergebnisse (Holroyd et al. 2001). Experimentelle fMRI-Studien, die die Aktivität antinozizeptiver Zentren im Hirnstamm (PAG) untersuchten, scheinen die Beeinflussbarkeit des schmerzleitenden Systems durch nichtmedikamentöse Strategien dieser Art zu bestätigen (Tracey et al. 2002).
Akupunktur ist gemäß der letzten Cochrane-Analyse beim hochfrequenten und chronischen SKS wirksam. Allerdings sind die Effektstärken gering und Vergleiche mit andern Therapieverfahren fehlen (Linde et al. 2016).
Unwirksame Therapieverfahren
Aufgrund der Verspannungen im Bereich der perikraniellen Muskulatur wurde Botulinumtoxin in kontrollierten Studien untersucht. Ein signifikanter Wirkeffekt konnte nicht nachgewiesen werden (Wieckiewicz et al. 2017). Nichtmedikamentöse Verfahren wie z. B. Psychotherapie ist nur bei entsprechenden Komorbiditäten angezeigt. Die nicht selten empfohlenen und praktizierten „Einrenkmanöver“ und Manipulationen an der Halswirbelsäule sind nicht wirksam (Bove und Nilsson 1998). Die Stimulation des N. occipitalis erwies sich in einer kontrollierten Studie ebenfalls als unwirksam (Leinisch-Dahlke et al. 2005).

Facharztfragen

1.
In welche Verlaufsformen kann der Spannungskopfschmerz unterschieden werden?
 
2.
Welche Differenzialdiagnosen des Spannungskopfschmerzes kennen Sie?
 
3.
Welche Medikamente sind zur Prophylaxe des Spannungskopfschmerzes möglich?
 
4.
Welche nichtmedikamentösen Maßnahmen zur Behandlung eines Spannungskopfschmerzes kennen Sie?
 
Literatur
Zitierte Literatur
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