Eine Task Force der Internationalen Liga gegen
Epilepsie (ILAE) hat 2015 eine neue Definition des Status epilepticus herausgegeben. Danach ist der Status epilepticus ein Zustand anhaltender Anfallsaktivität, bei dem entweder die Mechanismen versagen, die für die Beendigung des Anfalls verantwortlich sind, oder bei dem Mechanismen initiiert werden, die den Anfall abnorm andauern lassen. Entsprechend den verschiedenen Anfallsformen gibt es auch verschiedene Formen des Status epilepticus.
Definition und Klassifikation
Bis vor Kurzem war der Status epilepticus definiert als ein über längere Zeit anhaltender epileptischer Anfall oder eine Folge von
epileptischen Anfällen, zwischen denen keine vollständige Erholung der Hirnfunktion eintritt. Die Quantifizierung des Begriffs „längere Zeit“ hatte sich im Verlauf der letzten Jahrzehnte fortlaufend verkürzt und wurde zuletzt bei 5 min bei generalisiert tonisch-klonischen Anfällen und bei 20–30 min bei fokalen Anfällen oder
Absencen nach der alten Nomenklatur festgesetzt (Lowenstein et al.
1999).
Eine Task Force der Internationalen Liga gegen
Epilepsie (ILAE) hat 2015 eine neue Definition des Status epilepticus herausgegeben. Danach ist der Status epilepticus ein Zustand anhaltender Anfallsaktivität, bei dem entweder die Mechanismen versagen, die für die Beendigung des Anfalls verantwortlich sind, oder bei dem Mechanismen initiiert werden, die den Anfall abnorm andauern lassen. Dies kann zu dauerhaften Folgen wie neuronaler Schädigung, neuronalem Tod oder Alteration neuronaler Netzwerke führen, abhängig von Anfallsart und Dauer des Status epilepticus (Trinka und Kälviäinen
2017).
Entsprechend den verschiedenen Anfallsformen gibt es auch verschiedene Formen des Status epilepticus. Die Task Force hat basierend auf der Semiologie, der Ätiologie, dem EEG-Korrelat und dem Alter der Patienten eine neue Klassifikation des Status epilepticus erarbeitet, die in der folgenden Übersicht zusammenfassend dargestellt ist.
Semiologisch ist die An- oder Abwesenheit motorischer Symptome und das Vorhandensein sowie das Ausmaß der Bewusstseinseinschränkung von Bedeutung. Ein Status mit ausgeprägten motorischen Entäußerungen wird als konvulsiver Status bezeichnet, während der Status ohne größere Bewegungen dem nichtkonvulsiven Status entspricht. Ätiologisch wird differenziert in akut symptomatisch (z. B.
akuter Hirninfarkt innerhalb von 7 Tagen, Intoxikation,
Enzephalitis etc.), zurückliegend symptomatisch (z. B. alte posttraumatische Läsion oder Z. n.
Hirninfarkt älter als 7 Tage etc.) oder progressiv (z. B. Hirntumor,
Demenz). Während die häufigsten Ursachen eines Status im Kindesalter
Fieberkrämpfe oder Infektionen sind, stehen im höheren Lebensalter zerebrovaskuläre Ereignisse und bei Patienten mit zuvor bekannter
Epilepsie zu niedrige Antikonvulsivaspiegel im Vordergrund. Des Weiteren werden das EEG-Muster im Status sowie das Alter der Patienten für die Klassifikation hinzugezogen (Rosenow et al.
2014).
Die Zeitlimite für abnorme Dauer, also Übergang in Status epilepticus, wurden für den generalisiert oder fokal zu bilateral – tonisch klonischen status auf 5 min, für den fokalen Status mit und ohne Bewusstseinseinschränkung auf 10 min und für den Absencenstatus auf 10–15 min festgelegt. Nach dieser Zeitdauer (t1) muss je nach Anfallsart mit der Notfalltherapie begonnen werden. Mit irreversiblen Schäden ist beim generalisiert oder fokal zu bilateral – tonisch klonischen status bei einer Dauer von über 30 min zu rechnen, beim fokalen Status mit Bewusstseinsstörung nach einer Dauer von über 60 min. Allerspätestens nach diesen jeweiligen Zeiträumen (t2) sollte der Status epilepticus medikamentös kontrolliert sein.
Konvulsiver Status epilepticus (generalisiert oder nach bilateral ausgebreitet)
Der konvulsive generalisierte tonisch klonische oder der fokal zu bilateral tonisch klonische Status epilepticus, früher auch Grand-Mal-Status genannt, ist die schwerste Form
epileptischer Anfälle und stellt einen medizinischen Notfall dar, der der sofortigen intensivmedizinischen Intervention bedarf. Bei nicht ausreichend rascher und suffizienter Behandlung ist die Mortalität des konvulsiven Status epilepticus nach wie vor sehr hoch, in der Literatur wird sie mit im Mittel bis zu 20 % (1,9–40 %) angegeben. Dabei hängt die Prognose von der Ursache des Status einerseits und von Zeitpunkt und Konsequenz einer effektiven Behandlung andererseits ab. Ist der Status medikamentös unterbrochen, muss umgehend nach seiner Ätiologie gesucht und eine entsprechende Langzeitbehandlung in die Wege geleitet werden.
Häufige Ursachen für die Auslösung eines konvulsiven Status epilepticus sind Nichteinnahme oder Dosisreduktion von Antiekonvulsiva, akute Erkrankungen des ZNS oder akute metabolische Entgleisungen; bei etwa 25 % der Patienten findet sich kein erkennbarer Grund. Ein konvulsiver Status kann bei bereits zuvor bekannter
Epilepsie, aber auch – in etwa der Hälfte der Fälle – bei Patienten ohne bekanntes Anfallsleiden auftreten. Patienten mit initialem therapierefraktärem Status epilepticus (New-onset refractory status epilepticus, NORSE) haben sehr häufig eine autoimmune oder paraneoplastische Ätiologie.
Nichtkonvulsiver Status epilepticus
Nach der neuen Nomenklatur werden nichtkonvulsive Status epilepticus in solche mit und ohne
Koma unterteilt. Diejenigen ohne Koma wiederum in generalisierte (Absencenstatus) und fokale. Der fokale nichtkonvulsive Status epilepticus wird nochmals unterteilt in die beiden Gruppen mit und ohne Bewusstseinsstörung (s. Übersicht Abschn.
1).
Das hervorstechende klinische Merkmal eines nichtkonvulsiven generalisierten Status, eines Absencenstatus
, ist die Bewusstseinsstörung, die von einer leichten Konzentrationsstörung bis zu einem antriebsarmen, verlangsamten Zustand mit Desorientiertheit reichen kann. Es gibt einen typischen, einen atypischen und einen myoklonischen Absencenstatus. Je nach dem Ausmaß der klinischen Auffälligkeiten kann ein Absencenstatus schwierig zu diagnostizieren sein; er wird oft nur durch die Ableitung eines
EEG mit typischer generalisierter Spike-wave-Aktivität korrekt erkannt. Episoden eines Absencenstatus münden oft in einen tonisch-klonischen Anfall, der dann auch den Status beenden kann. Im Gegensatz zum generalisiert tonisch-klonischen Status besteht keine Lebensgefahr und eine zu aggressive Behandlung kann durchaus eher schädlich als nützlich sein (Kaplan
2000). Insgesamt gilt es aber auch diese Form des Status epilepticus möglichst schnell zu beenden.
Klinisch kann auch die Abgrenzung zum fokalen nichtkonvulsiven Status mit Bewusstseinsstörung – in der alten Nomenklatur Status komplex-fokaler (dyskognitiver) Anfälle – sehr schwierig bis unmöglich sein, auch hier ermöglicht das
EEG die Einordnung. Ein fokaler nichtkonvulsiver Status mit Bewusstseinsstörung schließt sich häufiger an einen tonisch-klonischen Anfall an. Bei vom Frontal-, Parietal- oder Okzipitallappen ausgehendem fokalem nichtkonvulsiven Status epilepticus kann es zu
Verwirrtheit, Missempfindungen oder
Sehstörungen kommen. Eine amnestische Episode muss ebenso wie ein psychogener Status differenzialdiagnostisch abgegrenzt werden.
Fokaler motorischer Status ohne Bewusstseinsstörung (früher Status einfach-fokaler Anfälle)
Einem fokalen motorischen Status ohne Bewusstseinsstörung liegt in der Regel eine symptomatische Ursache mit umschriebener akuter Hirnläsion zugrunde. Klinisch imponieren meist kontinuierliche (einfach-)fokale motorische Anfälle eines Körperteils oder einer Körperhälfte, oft mit sog. Jackson-Marsch. Eine Sonderform stellt die sog. Epilepsia partialis continua dar mit sehr umschriebenen, meist nur einzelne Muskelgruppen betreffenden Zuckungen. Andere Sonderformen sind der adversive Status, der okuloklonische Status und die iktale Parese.