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Klinische Neurologie
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Publiziert am: 10.08.2017

Stereotaktische Hirnbiopsien

Verfasst von: Eva Neuen-Jacob
Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die für den klinisch tätigen Neurologen relevante neuropathologische Diagnostik von stereotaktischen Hirnbiopsien. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Darstellung der Indikation und der technischen Durchführung.

Indikation zur stereotaktischen Hirnbiopsie und technische Durchführung

Eine stereotaktische Hirnbiopsie ist indiziert, wenn Prozesse aufgrund ihrer anatomischen Lage nicht radikal operiert werden können bzw. wenn primär eine adjuvante Radio- oder Chemotherapie vor der Operation durchgeführt werden soll.
Die Anzahl der zu entnehmenden Proben bzw. die Länge des Stichkanals ist neben operationstechnischen Gründen abhängig von der Fragestellung bzw. der Art des zu untersuchenden Prozesses.
Bei einer ringförmig Kontrastmittel anreichernden Raumforderung, wo es um die Abgrenzung eines Glioblastoms von einer Metastase oder einem Hirnabszess bzw. einer Zyste geht, sollte die Raumforderung nach Möglichkeit in ganzer Länge durchfahren werden, sodass Proben aus der Randzone, der Infiltrationszone, dem eigentlichen Prozess sowie aus der zentralen Nekrose zu Verfügung stehen.
Wenn die Proben ausschließlich aus Nekrose bestehen, kann die Abgrenzung einer Tumornekrose von einem Infarkt, einer durch eine Vaskulitis bedingten Nekrose oder einer areaktiven Nekrose bei einer opportunistischen Infektion oder einer Tuberkulose schwierig sein. Pus aus dem Zentrum eines Hirnabszesses wird man anhand der Zellmorphologie eher erkennen können. Auch in diesem Fall ist aber der Nachweis einer – vitalen – Entzündungsreaktion aus dem Randbereich des Abszesses hilfreich.
Proben ausschließlich aus der Randzone sehen meist unabhängig von der zugrunde liegenden Ätiologie ähnlich aus und bestehen aus chronischem Ödem und reaktiver astrozytärer Gliose. Werden nur Proben aus der Infiltrationszone entnommen, so kann ein Hirntumor nicht sicher von einer leicht erhöhten Zelldichte bei anderen Prozessen unterschieden werden. Auch für das Tumorgrading, d. h. die Beurteilung der Dignität, ist insbesondere bei diffus infiltrierenden Tumoren die Beurteilung mehrerer Regionen erforderlich (Shastri-Hurst et al. 2006).
Am Paraffinpräparat können neben konventionellen Färbungen Spezialfärbungen zum Erregernachweis sowie immunhistochemische Färbungen zur Zelltypisierung bzw. zum Nachweis von tumorspezifischen Antigenen und zur Bestimmung der Proliferationsaktivität eingesetzt werden. Bei hirneigenen Tumoren können so die Tumorart und das Grading bestimmt werden. Ergänzend kann bei Gliomen eine molekulare Diagnostik mittels Next-Generation-Sequencing (NGS) durchgeführt werden (Zacher et al. 2017).
Karzinommetastasen sind im Idealfall bereits im Ausstrichpräparat aufgrund der epithelialen Zellverbände zu erkennen (Abb. 1a). Am Paraffinpräparat wird das Wachstumsmuster deutlicher, das aber selten eindeutige Rückschlüsse auf den Sitz des Primärtumors zulässt (Abb. 1b), sodass der Einsatz von Antikörpern gegen Zytokeratinuntergruppen oder organspezifische Antigene erforderlich ist (Pekmezci und Perry 2013). Plattenepithelkarzinome können aufgrund der Expression von Zytokeratin (CK) 5/6 von Adenokarzinomen unterschieden werden, die CK8 und CK18 exprimieren. Das Expressionsmuster von CK7 und CK20 lässt wichtige Rückschlüsse auf den Sitz des Primärtumors zu: Eine Expression von CK7 und CK20 ist z. B. relativ typisch für Übergangszellkarzinome. Die Kombination CK7-positiv/CK20-negativ ist charakteristisch für ein Bronchialkarzinom (Abb. 1c) oder Mammakarzinom. Kolonkarzinome sind durch ein umgekehrtes Färbeverhalten (CK7-negativ/CK20-positiv) charakterisiert und positiv für cdx2, während die fehlende Expression sowohl von CK7 als auch von CK20 bei kleinzelligen Bronchialkarzinomen und Nierenzellkarzinomen beobachtet wird. Bronchialkarzinome zeigen häufig eine Anfärbung mit Antikörpern gegen TTF-1, den Thyreoid transcription factor 1 (Abb. 1d) und Napsin. Bei Mammakarzinommetastasen können Antikörper gegen den Gata3, Östrogen- und Progesteronrezeptor und Herceptin eingesetzt werden. Melanommetastasen lassen sich, auch wenn es sich um amelanotische Metastasen handelt, mit einem Marker gegen Melan A identifizieren.

Lymphomdiagnostik

Bei primären ZNS-Lymphomen handelt es sich meist um hochmaligne Non-Hodgkin-Lymphome der B-Zellreihe, wobei ein großzelliger Subtyp die Regel ist. Morphologisch finden sich entweder dichte Zellrasen oder perivaskuläre Tumormanschetten mit großen blastären Tumorzellen, die einen großen rundlichen Kern mit einem oder mehreren prominenten Nucleoli und einen sehr schmalen Zytoplasmasaum aufweisen (Abb. 2a, b). Typische und atypische Mitosen sind in der Regel zahlreich (Abb. 2c). Die Stereotaxie sollte nicht nur aus dem Randbereich erfolgen, wo meist ein starkes perifokales Ödem mit reaktiver astrozytärer Gliose nachweisbar ist, sondern möglichst aus mehreren Proben entlang des gesamten Prozesses bestehen.
Cave
Es ist unbedingt zu beachten, dass die Stereotaxie vor der Einleitung einer hoch dosierten Kortisontherapie erfolgt, da die pathognomonischen blastären Tumorzellen unter Kortison sehr rasch nicht mehr nachweisbar sind (gewünschter Therapieeffekt). Stattdessen kommt es zu einer sekundären lymphozytären Entzündungsreaktion, einer reaktiven astrozytären Gliose und zum Auftreten von Makrophagen (Abb. 2df). Diese regressiven Veränderungen können das Bild bereits nach kurzer Zeit beherrschen, sodass Fehldiagnosen wie „Enzephalitis“, „Vaskulitis“ oder „chronisches Ödem“ nicht selten sind.
Sollte die Stereotaxie unter Kortikoiden durchgeführt worden sein, ist diese Information unbedingt an den Neuropathologen weiterzugeben, da mit immunhistochemischen Methoden u. U. noch einzeln gelegene, diffus im Gewebe eingestreute Blasten detektiert werden können (Abb. 2f), die mit konventionellen Methoden nicht (mehr) nachzuweisen sind.
Metastatische Absiedelungen in das ZNS aus einem extrazerebralen Lymphom betreffen fast ausschließlich die Hirnhäute, sodass in erster Linie eine Meningealblastomatose zu erwarten ist, während Läsionen im Hirnparenchym, auch wenn es sich um solitäre Prozesse handelt, für ein primäres ZNS-Lymphom sprechen. Für die exakte Klassifikation eines Lymphoms ist eine immunhistochemische Untersuchung obligat. Neben großzelligen Non-Hodgkin-Lymphomen der B-Zellreihe können selten andere Formen, u. a. anaplastische großzellige T-Zell-Lymphome, sog. Ki-1-Lymphome mit Expression des Ki-1-Antigens (CD30) vorkommen. Bei Letzteren kann eine (2;5) Translokation nachweisbar sein mit daraus resultierender Fusion des Nukleophosmin-(NPM-)Gens mit einem Gen, das für den ALK-Rezeptor kodiert. Diese Translokation kann immunhistochemisch mit einem Antikörper gegen das ALK-Protein nachgewiesen werden.

Facharztfragen

1.
Was sollte man bei der Planung einer stereotaktischen Biopsie beachten?
 
2.
Warum sollte vor einer stereotaktischen Hirnbiopsie möglichst kein Kortison gegeben werden?
 
Literatur
Pekmezci M, Perry A (2013) Neuropathology of brain metastasis. Surg Neurol Int 4(Suppl 4):S245–S255PubMedPubMedCentral
Shastri-Hurst N, Tsegaye M, Robson DK, Lowe JS, MacArthur CD (2006) Stereotactic brain biopsy: an audit of sampling reliability in a clinical case series. Br J Neurosurg 20(4):222–226. https://​doi.​org/​10.​1080/​0268869060087550​7 CrossRefPubMed
Zacher A, Kaulich K, Stepanow S, Wolter M, Köhrer K, Felsberg J, Malzkorn B, Reifenberger G (2017) Molecular diagnostics of gliomas using the next generation sequencing of a glioma-tailored gene panel. Brain Pathol 27(2):146–159. https://​doi.​org/​10.​1111/​bpa.​12367 CrossRefPubMed