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Klinische Neurologie
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Publiziert am: 15.04.2020

Stoffwechselerkrankungen des Nervensystems

Verfasst von: Dorothea Haas und Thomas Opladen
Angeborene Stoffwechselerkrankungen („inborn errors of metabolism“, IEM) gehören zu den seltenen Erkrankungen, d. h., die Prävalenz jeder einzelnen Erkrankung liegt unter 1:2000 Einwohner in Europa. Kumulativ ist allerdings mehr als 1 % der europäischen Bevölkerung von einer IEM betroffen. Die meisten IEM manifestieren sich im Kindesalter, jedoch kennt man inzwischen für viele Erkrankungen spätmanifeste Formen, die erst im Erwachsenenalter symptomatisch werden. Zudem führen verbesserte Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten dazu, dass immer mehr Kinder mit IEM bis ins Erwachsenenalter überleben. Stoffwechselerkrankungen des Nervensystems (oder neurometabolischen Erkrankungen) liegen genetisch bedingte Anomalien von Enzymen oder ein Mangel an Kofaktoren zugrunde, in deren Folge es zu einer Störung der Entwicklung oder Funktion des Nervensystems kommt. Die Bandbreite dieser Stoffwechselstörungen ist groß, ebenso wie das daraus resultierende Spektrum der klinischen Syndrome. Zu den klinischen Erscheinungsformen neurometabolischer Störungen gehören Ataxien, Bewegungsstörungen, Epilepsien oder periphere Neuropathie, jedoch auch eine neurologische Regression. Der klinische Verlauf im Erwachsenenalter kann sich erheblich von dem im Kindesalter unterscheiden. Die Kenntnis dieser Erkrankungen als mögliche Differenzialdiagnose ist daher insbesondere in der neurologischen Praxis von entscheidender Bedeutung. In den letzten 20 Jahren hat sich unser Verständnis der genetischen und metabolischen Grundlagen für viele neurologische Erkrankungen erheblich erweitert. In einigen Fällen sind heute spezifische Behandlungen möglich oder werden gerade entwickelt. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über klassische Vertreter der neurometabolischen Erkrankungen und beschreibt die pathophysiologischen Grundlagen, die klinische Präsentation, das diagnostische Vorgehen sowie die therapeutischen Optionen. Für die vielen weiteren Erkrankungen des Intermediärstoffwechsels, die sekundäre neurologische Symptome verursachen, verweisen wir auf die entsprechende Fachliteratur.
Angeborene Stoffwechselerkrankungen („inborn errors of metabolism“, IEM) gehören zu den seltenen Erkrankungen, d. h., die Prävalenz jeder einzelnen Erkrankung liegt unter 1:2000 Einwohner in Europa. Kumulativ ist allerdings mehr als 1 % der europäischen Bevölkerung von einer IEM betroffen. Die meisten IEM manifestieren sich im Kindesalter, jedoch kennt man inzwischen für viele Erkrankungen spätmanifeste Formen, die erst im Erwachsenenalter symptomatisch werden. Zudem führen verbesserte Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten dazu, dass immer mehr Kinder mit IEM bis ins Erwachsenenalter überleben.
Stoffwechselerkrankungen des Nervensystems (oder neurometabolischen Erkrankungen) liegen genetisch bedingte Anomalien von Enzymen oder ein Mangel an Kofaktoren zugrunde, in deren Folge es zu einer Störung der Entwicklung oder Funktion des Nervensystems kommt. Die Bandbreite dieser Stoffwechselstörungen ist groß, ebenso wie das daraus resultierende Spektrum der klinischen Syndrome. Zu den klinischen Erscheinungsformen neurometabolischer Störungen gehören Ataxien, Bewegungsstörungen, Epilepsien oder periphere Neuropathie, jedoch auch eine neurologische Regression. Der klinische Verlauf im Erwachsenenalter kann sich erheblich von dem im Kindesalter unterscheiden. Die Kenntnis dieser Erkrankungen als mögliche Differenzialdiagnose ist daher insbesondere in der neurologischen Praxis von entscheidender Bedeutung.
In den letzten 20 Jahren hat sich unser Verständnis der genetischen und metabolischen Grundlagen für viele neurologische Erkrankungen erheblich erweitert. In einigen Fällen sind heute spezifische Behandlungen möglich oder werden gerade entwickelt. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über klassische Vertreter der neurometabolischen Erkrankungen und beschreibt die pathophysiologischen Grundlagen, die klinische Präsentation, das diagnostische Vorgehen sowie die therapeutischen Optionen. Für die vielen weiteren Erkrankungen des Intermediärstoffwechsels, die sekundäre neurologische Symptome verursachen, verweisen wir auf die entsprechende Fachliteratur.

Metabolische Leukodystrophien

Leukodystrophien sind genetisch bedingte, meist progrediente Erkrankungen des Myelins im Zentralnervensystem. Es handelt sich um eine heterogene Gruppe mit unterschiedlicher Pathogenese, klinischem Verlauf und diagnostischen Biomarkern. Obwohl sie häufig bereits im Kindesalter beginnen, sind für alle Erkrankungen auch spätmanifeste Verlaufsformen bekannt, bei denen erste Symptome im Jugendlichen- oder Erwachsenenalter auftreten. Es liegt eine Leitlinie zu Leukodystrophien vor (s. AWMF.org).

Metachromatische Leukodystrophien (MLD)

Metachromatische Leukodystrophien (MLD) sind autosomal-rezessiv vererbte degenerative lysosomale Speicherkrankheiten, die durch eine Akkumulation von Sulfatiden im zentralen (ZNS) und peripheren Nervensystem (PNS) bedingt sind. In den meisten Fällen liegen den MLD Varianten im ARSA-Gen zugrunde, die zu einem Mangel an Arylsulfatase A führen. Deutlich seltener ist eine Defizienz des Sphingolipid-Aktivator-Proteins Saposin B, verursacht durch Varianten im PASP-Gen. Auch ein multipler Sulfatase-Mangel, verursacht durch Varianten im SUMF1-Gen, der eine Beeinträchtigung verschiedener Sulfatasen zur Folge hat, resultiert im klinischen Bild einer MLD, wobei in unterschiedlichem Maße auch Aspekte einer Mukopolysaccharidose dazukommen. Pathophysiologisch führt die Akkumulation von Sulfatiden in den myelinproduzierenden Oligodendrozyten zu einer ausgeprägten Demyelinisierung, vermutlich über eine Aktivierung inflammatorischer Zytokine, die apoptotische Vorgänge einleiten. Die kumulative Inzidenz der MLD wird mit 1:50.000 bis 1:100.000 angegeben.
Klinik und Diagnostik
In Abhängigkeit vom Alter bei Auftreten erster Symptome werden die MLD in drei klinische Subtypen unterteilt, wobei grundsätzlich gilt, dass der Krankheitsverlauf umso langsamer ist, je später die ersten Symptome auftreten:
  • Die spätinfantile Form, die in den ersten 30 Lebensmonaten beginnt, zeigt einen rasch progredienten Verlauf mit einem Verlust erworbener Fähigkeiten, der zu Muskelschwäche und einer ataktischen Bewegungsstörung führt. Aufgrund einer peripheren Neuropathie sind die Muskeleigenreflexe abgeschwächt bis erloschen. Im Verlauf entwickeln sich eine spastische Tetraparese, Dysphagie sowie Krampfanfälle bis hin zur Dezerebration. Der Tod tritt innerhalb weniger Jahre ein.
  • Die juvenile Form beginnt zwischen 2 ½ und 16 Jahren häufig mit einer Verschlechterung kognitiver Fähigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten. Im weiteren Verlauf kommt ein Verlust motorischer Fähigkeiten kombiniert mit Ataxie, Pyramidenbahnzeichen und peripherer Neuropathie dazu.
  • Die adulte MLD beginnt in der Adoleszenz mit emotionaler Labilität und auffälligem Sozialverhalten und wird oft als Psychose verkannt. Später entwickeln sich eine Polyneuropathie und eine spastische Tetraparese.
Im cMRT zeigt sich eine diffuse Demyelinisierung, die von den Ventrikeln nach peripher fortschreitet und typischerweise die subkortikalen U-Fasern ausspart. Das Liquoreiweiß ist zu Beginn meist erhöht, kann im späteren Verlauf aber auch normal sein. Die motorische und sensorische Nervenleitgeschwindigkeit ist vermindert. Die Diagnose wird durch Nachweis einer Aktivitätsverminderung der Arylsulfatase A in Leukozyten und eine Anhäufung von Sulfatiden im Urin gestellt. Bei normaler Enzymaktivität und auffälligen Sulfatiden kommen ein Saposin-B-Mangel oder ein multipler Sulfatase-Mangel in Frage. Bei isoliert erniedrigter Aktivität der Arylsulfatase A muss auch an eine Pseudodefizienz des Enzyms gedacht werden, die bei 2 % der Normalbevölkerung vorkommt und keine klinische Relevanz hat.
Therapie
Obwohl in den letzten Jahren verschiedene Behandlungsoptionen entwickelt wurden, die den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen, gibt es noch keine kurative Therapie für die MLD. Die allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSCT) bewirkt bei präsymptomatischen Patienten mit juveniler und adulter MLD eine Verlängerung der Überlebenszeit und eine Stabilisierung der ZNS-Symptome, zeigt aber nur geringen Einfluss auf die periphere Neuropathie. Die Gen-Therapie scheint diesbezüglich wirksamer zu sein und ist zudem die einzige Therapieoption für die spätinfantile MLD, allerdings nur bei asymptomatischen oder frühsymptomatischen Patienten. Für symptomatische MLD-Patienten gibt es bisher keine wirksame Behandlung.

Morbus Krabbe (Globoidzell-Leukodystrophie)

Der Morbus Krabbe ist eine seltene autosomal-rezessive lysosomale Speichererkrankung, verursacht durch Varianten des GALC-Gens, die zu einer Defizienz der β-Galaktozerebrosidase führt. Die Inzidenz wird mit 1:100.000 bis 1:250.000 angegeben. Der β-Galaktozerebrosidase-Mangel bewirkt eine Akkumulation von Galaktosylceramid und Psychosin, die die Oligodendrozyten zerstört. Im cMRT zeigt sich eine ausgedehnte Demyelinisierung, die die U-Fasern einschließt. Neuropathologisch finden sich zahlreiche mehrkernige PAS-positive Riesenzellen (Globoidzellen). Die häufigste klassisch-infantile Form zeigt ein stereotypes, rasch progredientes Krankheitsbild, das im Alter von 4–6 Monaten mit Irritabilität, opisthotoner Überstreckung und Krampfanfällen beginnt. Im Verlauf kommen eine Hyperakusis mit Schreckhaftigkeit, Optikusatrophie und bulbäre Störungen hinzu. Betroffene Kinder versterben meist im ersten Lebensjahr. Spätvarianten sind in ihrer Ausprägung variabel. Die juvenile Form manifestiert sich mit Visusverlust, Ataxie und sensomotorischer Polyneuropathie, während das Leitsymptom bei den seltenen adulten Formen eine spastische Paraparese oder Tetraparese ist. Nur bei einem Teil der Erwachsenen bestehen zusätzlich Symptome der juvenilen Form.
Die Diagnose wird über eine verminderte Enzymaktivität der β-Galaktozerebrosidase in Leukozyten gestellt, jedoch finden sich insbesondere bei Spätvarianten manchmal erhebliche Restenzymaktivitäten, sodass bei typischen klinischen Symptomen und cMRT-Befunden unabhängig vom Ergebnis der Enzymatik eine molekulargenetische Diagnostik erfolgen sollte. Die bislang einzige therapeutische Möglichkeit ist die allogene HSCT, die allerdings nur dann erfolgversprechend ist, wenn sie bei präsymptomatischen Patienten erfolgt.

X-chromosomale Adrenoleukodystrophie (X-ALD)

Die X-chromosomale Adrenoleukodystrophie ist ein X-chromosomal vererbter Defekt des ALDP-Proteins, eines ATP-abhängigen peroxisomalen Membrantransporters, der durch Varianten im ABCD1-Gen (Xq28) verursacht wird. Die Inzidenz wird auf 1:20.000 geschätzt. Der ALDP-Defekt führt zur Akkumulation überlangkettiger Fettsäuren (VLCFA) im Plasma und allen Geweben, die wiederum oxidativen Stress und Apoptose der Astrozyten und Oligodendrozyten zur Folge hat, was entweder in zerebraler Demyelinisierung oder axonaler Schädigung resultieren kann.
Folgende Verlaufsformen werden unterschieden:
  • Männliche X-ALD
    • Zerebrale ALD
      Dies ist die schwerste Verlaufsform, die sich meist im Kindesalter zunächst mit kognitiven Einschränkungen und einer Aufmerksamkeitsstörung manifestiert. Im Verlauf kommen in schneller Folge Verhaltensauffälligkeiten und neurologische Beeinträchtigungen wie Seh- und Hörstörungen, Apraxie, zerebelläre Ataxie, spastische Paraparese und Krampfanfälle dazu. Der Tod tritt meist 2–4 Jahre nach Beginn der Symptome ein. Einige Patienten können aber auch Jahre in einem vegetativen Stadium verbleiben. Beginnt die Symptomatik im Jugendlichen- oder Erwachsenenalter, ist der Verlauf protrahierter. Nur etwa 10 % der Patienten zeigen einen chronischen oder arretierten Verlauf, bei dem der demyelinisierende Prozess vorübergehend sistiert, aber nach Jahren mit rascher Progredienz wieder einsetzt.
    • Adrenomyeloneuropathie (AMN)
      Fast alle Patienten mit X-ALD, die das Erwachsenenalter erreichen, entwickeln in der 3. oder 4. Dekade eine AMN mit langsam fortschreitender spastischer Paraparese, sensorischer Ataxie, Sphinkterdysfunktion, erektiler Dysfunktion und Schmerzen in den unteren Extremitäten. Die elektrophysiologische Untersuchung zeigt bei den meisten Patienten eine Axonopathie, nur sehr selten eine periphere Neuropathie. Ein kleiner Anteil der Patienten entwickelt zusätzlich eine zerebrale Demyelinisierung mit ungünstiger Prognose, bei etwa 2/3 besteht eine Nebenniereninsuffizienz.
    • Morbus Addison
      Eine Nebennierenrinden(NNR)-Insuffizienz oder eine Addison-Krise können das erste Symptom einer X-ALD sein, die den neurologischen Symptomen um Jahre oder Jahrzehnte vorausgehen.
    • Asymptomatische Form
      Einige Patienten bleiben trotz des nachgewiesenen biochemischen und genetischen Defekts lebenslang asymptomatisch.
  • Frauen mit X-ALD
    2/3 der betroffenen Frauen entwickeln bis zur 6. Dekade Symptome einer AMN, jedoch nur extrem selten eine zerebrale Beteiligung oder eine NNR-Insuffizienz.
Im cMRT der zerebralen Formen sind die Demyelinisierungen zunächst im Splenium corpus callosi und dann in der parietookzipitalen weißen Substanz nachzuweisen. In den Randbereichen zeigt sich ein typisches Gadolinium-Enhancement in den T1-Sequenzen. Erhöhte Konzentrationen der VLCFA bestätigen die Diagnose, können insbesondere bei Frauen aber auch normal sein, sodass zusätzlich eine molekulargenetische Diagnostik erfolgen sollte. Es gibt keine Korrelation des Genotyps, der Höhe der VLCFA und des Phänotyps. Auch intrafamiliär kann die Erkrankung unterschiedlich verlaufen. Bei allen männlichen X-ALD-Patienten sollte eine Abklärung der NNR-Funktion erfolgen, da 80 % im Krankheitsverlauf eine NNR-Insuffizienz entwickeln. Die derzeit einzig wirksame Therapie bei männlichen Patienten mit zerebraler X-ALD ist die HSCT. Diese hat eine umso bessere Prognose, wenn die MRT-Veränderungen noch gering sind und keine neurologischen Auffälligkeiten bestehen, weil die Erkrankung nach erfolgreicher HSCT noch 6–9 Monate fortschreitet. Erste Ergebnisse von Ex-vivo- und In-vivo-Gentherapien sind vielversprechend, sie werden allerdings noch nicht in der klinischen Routine eingesetzt.

Metabolische Epilepsien

Glukosetransporter-Typ-1-Mangel-Syndrom (Glut1-DS)

Der Glukosetransporter Typ 1 (Glut1) an der Blut-Hirn-Schranke vermittelt den energieunabhängigen erleichterten Transport von Glukose, dem wichtigsten Energieträger für das Gehirn. Das Glukosetransporter-Typ-1-Mangel-Syndrom (Glut1-DS) wird durch Varianten im SLC2A1-Gen hervorgerufen. Die meisten der SLC2A1-Varianten sind dabei heterozygote Missense-Varianten mit einem autosomal-dominanten Effekt.
Klinik
Die neurologischen Merkmale können in drei Symptombereiche unterteilt werden: Epilepsie, Bewegungsstörungen und kognitive oder Verhaltensstörungen. Der klassische Glut1-DS-Phänotyp ist durch persistierende Symptome gekennzeichnet, die alle 3 Domänen betreffen. Im Gegensatz dazu können Patienten mit milderen Phänotypen Symptome nur in einem oder zwei Bereichen aufweisen und die Symptome können entweder intermittierend oder persistent sein:
Epilepsie
Etwa 90 % der Patienten mit einem Glut1-DS haben klinische Anfälle. Die Anfälle treten in der Regel in der frühen Kindheit auf, sind therapierefraktär und können anfangs subtil verlaufen (Gliederzuckungen, Starren, anormale Augenbewegungen, plötzliche Blässe, Schlaffheit und Kopfnicken). Diese Symptome werden nicht immer sofort als Anfälle erkannt. Darüber hinaus sind bei Patienten mit Glut1-DS generalisiert-tonische, myoklonisch-astatische oder fokale Epilepsien beschrieben. Im EEG finden sich generalisierte Spike-Waves mit einer Frequenz von 2,5–4 Hz. Nach der Einnahme von oraler Glukose wurde eine Besserung der EEG-Befunde innerhalb von 30 Minuten beobachtet. Als milde Verlaufsform der Epilepsie (häufig kombiniert mit einer intellektuellen Beeinträchtigung) wurde außerdem eine infantile Absencenepilepsie beschrieben.
Bewegungsstörungen
Glut1-DS-Patienten leiden unter einer Vielzahl von anhaltenden und paroxysmalen motorischen Symptomen. Die häufigsten beschriebenen motorischen Störungen sind Gangstörung, Dystonie, Chorea, zerebellärer Intentionstremor und Myoklonus. Einige Patienten haben zusätzlich eine Dysarthrie, Ataxie und unterschiedliche Ausprägung einer kognitiven Beeinträchtigung. Kürzlich wurde das Glut1-DS als Ursache für die paroxysmale Belastungsdyskinesie (PED, DYT18) identifiziert. Die PED ist ein Bewegungsstörungssyndrom, das durch Episoden unfreiwilliger Bewegungen von typischerweise 5–30 Minuten Dauer gekennzeichnet ist, die durch anhaltende Bewegung ausgelöst werden. Die Episoden beginnen oft in der Kindheit. Die häufigste Manifestation ist die Dystonie der unteren Extremitäten, die durch anhaltendes Gehen oder Laufen ausgelöst wird. Andere unwillkürliche Bewegungen, einschließlich Myoklonus, Athetose, Chorea und Ballismus, können jedoch allein oder in Kombination auftreten. Die meisten Betroffenen haben normale interiktale neurologische Untersuchungen.
Entwicklungsstörung/Verhaltensauffälligkeiten
Die Mehrheit der Patienten mit Glut1-DS zeigt eine variable kognitive Beeinträchtigung, die von einer leichten Lernbehinderung bis zu einer schweren intellektuellen Beeinträchtigung reicht. Auch die Sprachentwicklung ist betroffen.
Diagnostik
Für die Diagnosestellung des Glut1-DS sollte eine Lumbalpunktion mit Messung der Liquorglukose (<40 mg/dl in den meisten Fällen) sowie eine Berechnung der Liquor/Blut-Ratio erfolgen. Die Ratio ist bei klassischer Verlaufsform dramatisch reduziert (<0,4; Normbereich 0,62–0,68). Bei Patienten mit milderen Phänotypen (z. B. PED) wurde eine Ratio von 0,39–0,59 beschrieben.
Therapie
Die Therapie der Wahl ist die ketogene Diät und damit die Bereitstellung einer alternativen Brennstoffquelle für das Gehirn. Die ketogene Diät führt zu einer Verbesserung der Anfallskontrolle (>50 % Anfallsfreiheit). Die Wirkung der ketogenen Diät auf die motorischen und kognitiven Symptome ist variabel. Der Effekt auf die Kognition ist nicht eindeutig belegt.

Nichtketotische Hyperglycinämie (NKH)

Die nichtketotische Hyperglycinämie (NKH) ist eine angeborene Störung im Glycinstoffwechsel, die durch einen enzymatischen Defekt im Glycincleavage-System (GCS) zu einer Akkumulation großer Mengen von Glycin in allen Körpergeweben einschließlich des Gehirns führt. Das Glycincleavage-System besteht aus 4 Einheiten: Genetisch bedingte Defekte der P- und T-Proteinuntereinheit (kodiert durch GLDC und AMT) verursachen typischerweise eine NKH. Die H-(GCSH-kodiert) und L-Proteinuntereinheit sind selten betroffen.
Klinik
Bei der klinischen Präsentation wird zwischen einem schweren (klassischen) und einem attenuierten Phänotyp unterschieden. Der schwere Phänotyp ist durch fehlende Entwicklungsfortschritte und eine therapierefraktäre Epilepsie mit neonatalem Beginn charakterisiert. Weitere Symptome sind schwere Hypotonie, Apnoen sowie deutlicher Schluckauf. Bei der attenuierten Form finden sich dagegen eine variable Entwicklungsbeeinträchtigung und eine behandelbare oder gar fehlende Epilepsie. Zu den weiter beschriebenen Symptomen gehören Fütter- und Verhaltensprobleme, unkoordinierte Bewegungen, spastische Paraplegie und eine Optikusatrophie. Als dritte (sehr seltene) Verlaufsform wurde eine transiente Glycin-Enzephalopathie beschrieben, die mit dem klinischen Bild einer neonatalen epileptischen Enzephalopathie (d. h. Anfälle und/oder Burst-Suppressionsmuster im EEG) und mit biochemischen Befunden einer NKH einhergeht. Bei dieser Verlaufsform bilden sich sowohl die klinischen als auch die biochemischen Befunde im Laufe der Zeit zurück.
Diagnostik
Die Kombination aus einer isolierten Erhöhung der Aminosäure Glycin in parallel gewonnen Plasma- und Liquorproben und eine gleichzeitig erhöhte Liquor/Plasma-Glycin-Ratio (>0,08, Norm <0,02) macht die Diagnose einer NKH sehr wahrscheinlich. Die derzeit gängigste Teststrategie zur Bestätigung der Diagnose ist die gleichzeitige Untersuchung der drei am häufigsten betroffenen Gene (80 % GLDC, 20 % AMT und 1–2 % GCSH) mittels Multigenpaneluntersuchung.
Therapie
Für die Behandlung der NKH wurden bisher keine formalen Leitlinien entwickelt. Die Therapieprinzipen umfassen eine Reduzierung der Plasmaglycinkonzentration (z. B. mit Natriumbenzoat), die Blockade von N-Methyl-D-Aspartat(NMDA)-Rezeptoren (z. B. mittels Dextromethorphan) sowie eine symptomatische Behandlung. Bei der klassischen NKH ist jedoch keine Behandlung wirksam. Im Gegensatz dazu konnte für die attenuierten NKH gezeigt werden, dass eine frühe, aggressive Behandlung mithilfe der genannten Therapieoptionen die Entwicklung und die Epilepsie positiv beeinflussen kann.

Vitamin-B6-abhängige Epilepsien

Die Vitamin-B6-(Pyridoxin-) abhängige Epilepsie ist eine seltene autosomal-rezessive Störung, die klassischerweise mit neonatalen Anfällen einhergeht und auf pharmakologische Dosen von Pyridoxin anspricht. Die berichtete Inzidenz variiert zwischen 1:20.000 und 1:783.000. Pathophysiologisch führt eine Variante im ALDH7A1-Gen, welches die α-Aminoadipinsemialdehyd-Dehydrogenase (auch bekannt als Antiquitin [ATQ]) kodiert, zu einer Akkumulation von α-Aminoadipinsemialdehyd (α-AASA) und konsekutiv zu einer chemischen Inaktivierung von Pyridoxalphosphat (PLP).
Klinik und Diagnostik
Neugeborenenanfälle, die nicht auf die klassische pharmakologische Behandlung ansprechen, sind die häufigste klinische Präsentation der pyridoxinabhängigen Epilepsie. Die Anfallsstypen variieren und ein Beginn nach dem Neonatalalter ist ungewöhnlich, jedoch möglich. Die klinische Diagnose im Neonatalalter kann herausfordernd sein, da (a) ein partielles Ansprechen auf Antiepileptika (insbesondere Phenobarbital) auftreten kann, (b) bei Säuglingen bei Multisystemerkrankungen die Reaktion auf Pyridoxin verzögert kommen kann und (c) strukturelle Anomalien des Gehirns koexistieren und als ausreichende Ursache für Epilepsie angesehen werden.
Die EEG-Auffälligkeiten variieren von fokalen oder multifokalen epileptischen Entladungen bis hin zu Burst-Suppression-Mustern oder einer Hypsarrhythmie. Eine Erhöhung der α-AASA im Urin oder Plasma ist ein verlässlicher diagnostischer Hinweis. Veränderungen im Liquorprofil der Aminosäuren sind weniger spezifisch. Ein therapeutischer Versuch mit einer intravenösen Verabreichung von Pyridoxin unter EEG-Kontrolle kann diagnostisch hilfreich sein. Die klinische oder biochemische Verdachtsdiagnose sollte durch die Untersuchung des ALDH7A1-Gens bestätigt werden.
Therapie
Die Anfälle von Patienten mit ALDH7A1-Mangel sprechen in ca. 90 % auf eine orale Vitamin-B6-Supplementation an. Es zeigen jedoch ca. 75 % der Patienten trotz dieser Behandlung eine Entwicklungsverzögerung oder geistige Behinderung. Der Grad der kognitiven Einschränkung korreliert dabei nicht mit dem Zeitpunkt des Behandlungsbeginns oder der Dauer der Behandlung bis zu Anfallskontrolle. Heute stehen mit der Lysin-reduzierten Diät und der Supplementation von Arginin zwei weitere optionale Behandlungsstrategien zur Verfügung.

Genetisch bedingte metabolische Polyneuropathien

Angeborene Stoffwechselerkrankungen sind nur sehr selten Ursache einer Polyneuropathie. Dennoch ist es wichtig, diese Erkrankungen und ihre charakteristischen weiteren Symptome zu kennen, da es effektive Behandlungsmöglichkeiten gibt, die umso wirkungsvoller sind, je früher sie eingesetzt werden. Eine frühe Diagnosestellung ist daher essenziell und kann das Leben der Patienten entscheidend beeinflussen. Zur Diagnostik bei Polyneuropathien existiert eine Leitlinie (s. AWMF.org).

Morbus Refsum (Adulte Refsum-Krankheit, ARD)

Der Morbus Refsum ist ein autosomal-rezessiv vererbter Defekt der peroxisomalen Phytanoyl-CoA-Hydroxylase, der durch Varianten des Gens PHYH/PAXH verursacht wird und mit Akkumulation von Phytansäure einhergeht. Auch Varianten im PEX7-Gen, kodierend für den Peroxin-7-Rezeptor, der die Aufnahme von Phytansäure in die Peroxisomen ermöglicht, führen zu Morbus Refsum. Das Manifestationsalter ist variabel, von Beginn in der Kindheit bis zu ersten Symptomen in der 5. Dekade. Der erste Hinweis auf einen Morbus Refsum ist oft eine Retinitis pigmentosa mit zunehmender Beeinträchtigung des Visus, insbesondere im Dunkeln. Fast alle Patienten haben zudem eine Anosmie. Im Verlauf kommen weitere Symptome, wie sensorineurale Hörstörung, Gangataxie, Polyneuropathie, Fatigue, Ichthyosis, kardiale Arrhythmien und Kardiomyopathie hinzu. Das cMRT ist häufig normal, jedoch können Signalveränderungen der tiefen weißen Substanz und des Hirnstamms auftreten. Die Polyneuropathie ist sensomotorisch, asymmetrisch und progressiv.
Die Diagnose wird über den Nachweis einer erhöhten Phytansäurekonzentration im Plasma gestellt und sollte mittels molekulargenetischer Untersuchung bestätigt werden.
Therapeutisch führt eine Phytansäure-reduzierte Diät zur Senkung der Phytansäurekonzentrationen und zu einer Stabilisierung des Krankheitsverlaufs. Bei akuten oder diätrefraktären Verläufen können Plasmaseparationsverfahren wie Plasmapherese oder Lipidapherese hilfreich sein.

Morbus Fabry (Anderson-Fabry-Krankheit)

Dem Morbus Fabry liegt ein X-chromosomal vererbter Mangel des lysosomalen Enzyms α-Galaktosidase A zugrunde, verursacht durch Varianten im GLA-Gen. Dies führt zur Speicherung von Globotriaosyl-Ceramid (Gb3) in verschiedenen Zelltypen, die eine Kaskade zellulärer Störungen auslöst. Die Inzidenz für den klassischen männlichen Phänotyp wird mit 1:30.000 bis 1:80.000 angegeben. Aus Pilotprojekten zum Neugeborenen-Screening ergeben sich allerdings deutlich höhere Fallzahlen für männliche Neugeborene mit 1:4600 bis 1:13.000, wobei die Mehrzahl dieser Patienten genetische Varianten aufweist, die mit einem attenuierten Phänotyp einhergehen.
Klinik
Der klassische Phänotyp bei männlichen Patienten manifestiert sich bereits im Kindesalter, mit zunehmendem Alter werden weitere Organsysteme involviert. Schon bei Neugeborenen kann eine Cornea verticillata vorliegen. Im Vorschul- bis Schulalter kommen neuropathische Schmerzen in Händen und Füßen dazu, die durch Fieber, Hitze, Kälte und sportliche Betätigung exazerbieren, sowie gastrointestinale Symptome wie Bauchkrämpfe, Übelkeit, Erbrechen und wechselnde Stuhlkonsistenz. Weiterhin besteht meist eine Hypohidrosis. Diese Symptome sind Ausdruck einer Small-fiber-Neuropathie (SFN) des peripheren und autonomen Nervensystems. Elektrophysiologische Untersuchungen sind auch bei Erwachsenen meist nicht wegweisend. Im Bereich der Haut können oft bereits bei Schulkindern Angiokeratome nachgewiesen werden, die im Verlauf an Zahl und Größe zunehmen. Zu frühen neurologischen und psychischen Veränderungen zählen z. B. Tinnitus, Schwindel, Kopfschmerzen und depressive Verstimmung. Im Jugendlichenalter tritt als erstes renales Symptom eine Albuminurie auf. Die weitere glomeruläre und vaskuläre Schädigung führt dann zu Proteinurie und Verminderung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) bis hin zur terminalen Niereninsuffizienz. Bei Erwachsenen in der 3.–5. Dekade sind kardiale und zerebrovaskuläre Komplikationen typisch. So kann es zu einer Kardiomyopathie mit linksventrikulärer Hypertrophie und Arrhythmien kommen sowie zu transitorisch-ischämischen Attacken und ischämischen zerebralen Insulten, manchmal auch als erste Manifestation der Erkrankung. Männliche Erwachsene mit Morbus Fabry zeigen im cMRT Hyperintensitäten der weißen Substanz. Bei neuropsychologischen Tests schneiden sie signifikant schlechter ab als gesunde Kontrollpersonen, zudem leiden sie häufiger an Depressionen und Angststörungen. Männer mit höherer Restenzymaktivität und späterem Krankheitsbeginn und Frauen mit Morbus Fabry haben meist weniger schwere Verläufe, die auf einzelne Organe beschränkt sein können.
Diagnostik
Der erste Diagnoseschritt bei Männern mit Verdacht auf Morbus Fabry ist der Nachweis einer verminderten Aktivität der α-Galaktosidase A im Trockenblut, Plasma oder Leukozyten. Bei Frauen muss zur sicheren Bestätigung der Diagnose immer eine molekulargenetische Analyse des GLA-Gens durchgeführt werden, da aufgrund der X-Inaktivierung die Aktivität der α-Galaktosidase A im Blut normal sein kann, auch wenn ein manifester Morbus Fabry vorliegt. Ein weiterer Biomarker im Blut ist das Lyso-Gb3, welches auch als Verlaufsparameter unter Therapie dient.
Therapie
Zur Behandlung des Morbus Fabry sind in Europa zwei unterschiedliche Präparate für die intravenöse Enzymersatztherapie (ERT) zugelassen: Agalsidase alpha und Agalsidase beta. Für Jugendliche und Erwachsene mit bestimmten genetischen Varianten steht auch das Chaperon Migalastat als orales Therapeutikum zur Verfügung, das noch vorhandenes Enzym stabilisiert. Bei bereits fortgeschrittenen Krankheitsverläufen scheint die Enzymersatztherapie den Progress nur wenig beeinflussen zu können, ein früher Beginn möglichst im oligo- oder asymptomatischen Intervall kann jedoch die Organmanifestationen deutlich verzögern oder gar verhindern.

Akute hepatische Porphyrien

Die akuten Porphyrien umfassen 4 Defekte der Hämbiosynthese: die akute intermittierende Porphyrie, verursacht durch Varianten im HMBS-Gen, die hereditäre Koproporphyrie, verursacht durch Varianten im CPOX-Gen, die Porphyria variegata, verursacht durch Varianten im PPOX-Gen und die 5-Aminolävulinsäure-Dehydratase-Defizienz. Bis auf die 5-Aminolävulinsäure-Dehydratase-Defizienz, die autosomal-rezessiv vererbt wird und auf Varianten im ALAD-Gen zurückzuführen ist, ist der Erbgang autosomal-dominant. Durch porphyrinogene Arzneimittel, exogen-toxische Einflüsse, Hormone, Alkohol oder Nahrungskarenz kommt es zu einer Induktion der δ-Aminolävulinsäure-Synthase, die eine erhöhte Synthese von δ-Aminolävulinsäure und Porphobilinogen zur Folge hat und zu einem akuten Porphyrie-Syndrom führt.
Klinik und Diagnostik
Die Manifestation erfolgt meist im frühen bis mittleren Erwachsenenalter mit kolikartigen Bauchschmerzen, motorischer Schwäche, Schmerzen und Parästhesien der Extremitäten sowie psychischen Auffälligkeiten. Die periphere Neuropathie betrifft v. a. die Motorik und ist durch eine axonale Degeneration bedingt. Die Paresen können symmetrisch, asymmetrisch oder fokal auftreten, betreffen insbesondere die Streckmuskulatur und sind aufsteigend, sodass die akute Porphyrie differenzialdiagnostisch bei Verdacht auf Guillain-Barré-Syndrom berücksichtigt werden sollte. An psychischen Auffälligkeiten sind Angst, Erregbarkeit, Verstimmungszustände, aber auch Halluzinationen und Bewusstseinseinschränkung beschrieben. Häufig bestehen zudem eine Tachykardie und eine arterielle Hypertonie. Wegweisender Befund ist ein rot nachdunkelnder Urin.
Die Diagnose wird über den Nachweis erhöhter Konzentrationen von 5-Aminolävulinsäure, Porphobilinogen und der Porphyrine im Urin und Stuhl gestellt.
Therapie
Patienten mit einem akuten Porphyrie-Syndrom benötigen intensivmedizinische Behandlung mit hoch dosierter Glukoseinfusion und intravenösem Hämarginat, einer suffizienten analgetischen Therapie und Elektrolytausgleich. Porphyrinogene Medikamente müssen sofort abgesetzt werden. Nach Diagnosestellung sollte ein Notfallausweis ausgestellt werden.

Extrapyramidale Störungen

Störung der Dopamin- und Serotonin-Neurotransmitter

Die Funktion des Gehirns ist abhängig von neuronalen Verbindungen in synaptischen Schaltkreisen. Die Gruppe der „Neurotransmitter“ vermittelt die synaptische Übertragung im zentralen (ZNS) und peripheren Nervensystem (PNS). Die prominentesten Vertreter der Neurotransmitter sind die biogenen Amine Dopamin und Serotonin. Angeborene Störungen dieser Neurotransmitter sind selten. Sie sind verursacht durch eine gestörte Biosynthese (Defekt der Tyrosin- oder Tryptophanhydroxylase und der aromatischen Aminosäurendecarboxylase), einen defekten Abbau (Dopamin-β-Hydroxylase- oder Monoaminoxidasemangel) oder einen gestörten Transport (Dopamintransportermangelsyndrom oder Defekt des vesikulären Monamintransporters [VMAT2]) der Metabolite. Alternativ kann eine gestörte Biosynthese oder Recycling des essenziellen Kofaktors Tetrahydrobiopterin (BH4) vorliegen (GTP-Cyclohydrolase-I-, 6-Pyruvoyltetrahydrobiopterin-, Sepiapterinreduktase- und Dihydropteridinreduktase-Mangel). Der GTP-Cyclohydrolase-I-Mangel ist die häufigste Ursache in der Gruppe der Dopa-responsiven Dystonien (DRD). Diese Gruppe ist durch tageszeitabhängige Dystonien, die sehr gut auf die Behandlung mit Levodopa (L-Dopa) ansprechen, charakterisiert.
Klinik und Diagnostik
Die Neurotransmittererkrankungen führen zu einer Vielzahl von klinischen Präsentationen, die den zentralen Dopaminmangel sowie das Ungleichgewicht anderer Neurotransmitter wie Serotonin, Noradrenalin und/oder Adrenalin im ZNS widerspiegeln. Während sich der allgemeine klinische Phänotyp mit zahlreichen anderen Erkrankungen, z. B. der Zerebralparese, überschneiden kann, finden sich bestimmte klinische Merkmale, die früh den klinischen Verdacht auf eine Störung der Neurotransmission wecken sollten (z. B. infantiler Parkinsonismus, okulogyrische Krisen oder tageszeitliche Fluktuation der Symptome).
Differenzialdiagnostisch hilfreich sein kann die MRT-Bildgebung, die bei Neurotransmitterstörungen immer unauffällig ist. Die definitive Diagnose basiert jedoch auf der Bestimmung spezifischer Metabolite im Liquor oder der genetischen Untersuchung der infrage kommenden Gene.
Therapie
Die Behandlungsstrategien folgen den zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen und zielen auf die Wiederherstellung der zentralen Neurotransmitterhomöostase ab. Abhängig vom enzymatischen Defekt werden verschiedene Neurotransmittervorstufen (z. B. L-Dopa und 5-Hydroxytryptophan) substituiert. Internationale Leitlinien für die Behandlung des AADC-Mangels und die BH4-Defekte liegen vor und das Langzeit-Outcome wird signifikant durch eine frühe Therapieinitiierung beeinflusst.

Glutarazidurie Typ I (GA-I)

Die Glutarazidurie Typ I (GA-I) ist eine autosomal-rezessiv vererbte zentrale Organoazidurie mit einer geschätzten weltweiten Inzidenz von 1:110.000. Infolge eines Defekts des Enzyms Glutaryl-CoA-Dehydrogenase verursacht durch Varianten im GCDH-Gen kommt es zu einer Akkumulation der organischen Säuren Glutarsäure und 3-OH-Glutarsäure sowie von Glutarylcarnitin im Körper. Anhand der Ausscheidung von spezifischen Metaboliten im Urin werden biochemisch zwei Subtypen unterschieden: „low“ und „high excreter“. Beide Subtypen zeigen einen ähnlichen klinischen Verlauf und ein hohes Risiko für die Entwicklung striataler Schädigung bei fehlender Behandlung.
Klinik und Diagnostik
Klinisch finden sich bei 50 % der Neugeborenen und Säuglinge neurologische Symptome wie z. B. Muskelhypotonie und eine motorische Entwicklungsverzögerung. Die übrigen 50 % zeigen unspezifische Symptome. Eine Makrozephalie ist dabei ein häufiger (75 %) Befund. Unbehandelt entwickeln in den ersten 6 Jahren 80–90 % der Kinder neurologische Symptome infolge einer akuten enzephalopathischen Krise. Eine solche Krise wird oft durch zwischenzeitliche fieberhafte Erkrankung, fieberhafte Reaktion auf Impfungen oder chirurgische Eingriffe hervorgerufen. Die charakteristische neurologische Folge dieser Krisen ist eine akute bilaterale Striatalschädigung und anschließend eine komplexe Bewegungsstörung.
Darüber hinaus wurde schleichende Verlaufsformen beschrieben: Personen mit „insidious onset“ (10–20 %) entwickeln neurologische Symptome und striatale Schädigungen ohne das Auftreten von enzephalopathischen Krisen.
Die GA-I ist in Deutschland und vielen anderen Ländern Teil des Neugeborenenscreenings. Wenn ein Patient auffällige klinische Anzeichen oder Symptome zeigt und/oder verdächtige neuroradiologische Befunde vorliegen, sollte eine gezielte diagnostische Aufarbeitung mittels der quantitativen Analyse von Glutarsäure und 3-OH-Glutarsäure im Urin und/oder Blut sowie die molekulargenetische Analyse des GCDH-Gens und die Enzymanalyse in Leukozyten oder Fibroblasten erfolgen.
Therapie
Die Grundlage der Therapie ist eine diätetische Behandlung in Kombination mit einer oralen Supplementierung von L-Carnitin (Erhaltungstherapie). In Episoden von interkurrenten Infekten und vor Operationen sollte eine konsequente Intensivierung der Behandlung erfolgen. Leitlinien dazu liegen vor (s. AWMF.org)

Metallstoffwechselstörungen

Morbus Wilson

Beim Morbus Wilson kommt es aufgrund einer autosomal-rezessiv vererbten Variante des ATP7B-Gens zu einer Störung im Kupferstoffwechsel. ATP7B kodiert eine kupfertransportierende p-ATPase, die eine zentrale Rolle in der Regulation des hepatischen Kupferstoffwechsels spielt.
Klinik und Diagnostik
Die Wilson-Krankheit kann in jedem Alter symptomatisch werden, wobei die Mehrheit der Patienten im Alter zwischen 5 und 35 Jahre auffallen. Die Symptome, der klinische Verlauf und die Langzeitprognose des Morbus Wilson sind sehr variabel. Bis zu 30 % der Wilson-Patienten bleiben asymptomatisch und werden durch ein Familienscreening diagnostiziert. Bei den übrigen Patienten kommt es zu hepatischen und/oder neuropsychiatrischen Manifestationen.
Die hepatische Verlaufsform reicht von erhöhten Leberwerten oder einer Lebervergrößerung, chronischer Hepatitis mit Steatose und Fibrose bis hin zur Leberzirrhose und oder einem chronischen Leberversagen. Der Morbus Wilson kann auch als akutes Leberversagen auftreten, manchmal in Verbindung mit Coombs-negativer hämolytischer Anämie und akutem Nierenversagen.
Die Kupferablagerungen in den Basalganglien können mit sehr subtilen und intermittierenden neurologischen Symptomen einhergehen. Die Symptome können sich jedoch auch sehr schnell entwickeln und innerhalb weniger Monate zu einer relevanten Behinderung führen. Typischerweise findet sich ein variables neurologisches Bild mit einem akinetisch-rigiden Syndrom kombiniert mit Tremor, Ataxie und Dystonie. Der charakteristische Tremor ist ein grober, unregelmäßiger proximaler Tremor. Die Dystonie kann fokal, segmental oder generalisiert verlaufen und mit einer Dysarthrie, Schluckstörungen und Speichelfluss einhergehen. Der Verlauf ist häufig progredient. Bei Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung können neurologische Symptome mit Symptomen einer hepatischen Enzephalopathie verwechselt werden. Bis zu einem Drittel der Patienten leiden an psychiatrischen Symptomen, einschließlich Aufmerksamkeitsdefizit, Depression, Stimmungsschwankungen und in extremen Fällen psychotischen Symptomen.
Bei bis zu 95 % der Patienten mit neurologischen Symptomen findet sich in der ophthalmologischen Untersuchung ein Kayser-Fleischer-Ring infolge von granulären Kupferablagerungen in der Hornhaut.
Typischerweise ist die Kombination aus Kayser-Fleischer-Ring und einem niedrigen Serum-Coeruloplasmin (<0,1 g/l) ausreichend, um die Diagnose zu stellen.
Therapie
Für die Behandlung der Wilson-Krankheit stehen eine Reihe von Medikamenten, einschließlich D-Penicillamin, Trientin, Zink, Tetrathiomolybdat, und Dimercaprol zur Verfügung. Die Behandlung muss lebenslang und unmittelbar nach Diagnosestellung erfolgen. Leitlinien dazu liegen vor (s. AWMF.org).

Neurodegeneration mit Eisenablagerung im Gehirn (NBIA)

Unter dem Überbegriff Neurodegeneration mit Eisenablagerung im Gehirn (NBIA) ist eine Gruppe von seltenen neurodegenerativen Erkrankungen zusammengefasst, bei denen es durch Störungen im Eisenstoffwechsel des Gehirns zu einer überschüssigen Eisenakkumulation im Globus pallidus und in geringerem Maße in der Substantia nigra kommt. Die geschätzte Prävalenz liegt bei 1:1.000.000. Ursächlich wurden bisher ca. 10 mit NBIA assoziierte genetische Varianten beschrieben (einschließlich PANK2, PLA2G6, FA2H, C19orf12, ATP13A2 und COASY).
Klinisch stellen sich die NBIA als neurodegenerative Erkrankungen mit progressiven hypo- und/oder hyperkinetischen Bewegungsstörungen dar, häufig kombiniert mit einem variablen Maß an pyramidaler, zerebellärer, autonomer, kognitiver und psychiatrischer Beteiligung. Eine visuelle Dysfunktion ist nicht selten.
Diagnostisch sind übermäßige Eisenablagerungen im cMRT, insbesondere im Globus pallidus, hinweisend.
Aktuell gibt es keine krankheitsmodifizierende Therapie für NBIAs, sodass das medikamentöse Vorgehen symptomatisch ist und die laufende Betreuung den allgemeinen Empfehlungen für Menschen mit einer chronisch fortschreitenden Krankheit folgt.

Diffuse Beteiligung des Nervensystems

Zerebrotendinöse Xanthomatose (CTX)

Die zerebrotendinöse Xanthomatose ist ein autosomal-rezessiv vererbter Defekt der Sterol-27-Hydroxylase, einem Enzym der Gallensäuresynthese. Der CTX liegen Varianten im CYP27A1-Gen zugrunde, die zur Bildung abnormer Gallenalkohole und zu einer Speicherung von Cholestanol und Cholesterol in den Geweben und im ZNS führt. Die Inzidenz wird in der europäischen Bevölkerung auf 1:50.000 geschätzt.
Klinik und Diagnostik
Die klinische Präsentation ist sehr variabel, weshalb die Diagnose meist erst im Erwachsenenalter gestellt wird, obwohl initiale Symptome bereits im Kindesalter auftreten. Bei Säuglingen besteht gelegentlich eine transiente cholestatische Hepatopathie, während fast alle Betroffenen oft schon in den ersten Lebensjahren an chronischer, therapierefraktärer Diarrhö leiden. Im Schulalter kommen Lernschwierigkeiten dazu, bei Jugendlichen eine beidseitige Katarakt. Xanthome der Achillessehnen können schon in diesem Alter auftreten, finden sich aber häufiger bei älteren Patienten. Bei jungen Erwachsenen kommen dann neurologische Auffälligkeiten, kognitiver Abbau und psychiatrische Symptome hinzu, die im Verlauf fortschreiten. Bei den neurologischen Auffälligkeiten handelt es sich um Pyramidenbahnzeichen, die mit einem auffälligen Gangbild beginnen und in eine spastische Paraparese münden, eine zerebelläre Ataxie und eine Dysarthrie sowie axonale oder demyelinisierende Polyneuropathien. Im späten Krankheitsverlauf treten auch zerebrale Krampfanfälle auf. Unbehandelte Patienten entwickeln eine frühzeitige Atherosklerose mit kardiovaskulären Komplikationen. Im cMRT finden sich fokale oder diffuse Marklagerhypodensitäten und eine zerebrale und zerebelläre Atrophie.
Die Diagnose wird über den Nachweis erhöhter Cholestanol-Konzentrationen im Plasma und Gallensäure-Glucuronide im Urin gestellt. Cholesterin- und Triglyceridkonzentrationen im Serum sind meist normal.
Therapie
Ein früher Behandlungsbeginn mit Chenodeoxycholsäure (CDCA) führt zu promptem Sistieren der Diarrhö und verhindert das Auftreten der Spätkomplikationen. Auch in fortgeschrittenem Krankheitsstadium kann CDCA noch eine Besserung der neurologischen und kognitiven Funktion bewirken, teilweise sind die Schädigungen jedoch bereits irreversibel.

Morbus Gaucher (Gaucher disease, GD)

Der Morbus Gaucher ist eine autosomal-rezessiv vererbte lysosomale Speichererkrankung, der eine Defizienz des Enzyms Glukozerebrosidase, verursacht durch Varianten im GBA1-Gen, zugrunde liegt. Die Inzidenz liegt bei 1:60.000. Sehr selten ist ein Mangel an Aktivatorprotein Saposin C ursächlich (kodiert durch das PSAP-Gen), der ebenfalls das klinische Bild einer GD verursacht. Als Folge beider Enzymdefekte kommt es zu einer Akkumulation von Glukosylceramid in Makrophagen, die dann zu sog. „Gaucher-Zellen“ transformiert werden und primär das Knochenmark, Milz und Leber, aber auch andere Organe infiltrieren. Die pathophysiologischen Grundlagen der neurologischen Beteiligung sind noch nicht vollständig geklärt, da eine relevante Akkumulation von Glukosylceramid in Neuronen nur bei wenigen genetischen Varianten mit drastisch verminderter Enzymaktivität nachweisbar ist. Diskutiert werden eine Beeinträchtigung der Autophagie im ZNS oder die toxische Wirkung von Glukosylsphingosin, eines aus Glukosylceramid entstehenden Metaboliten.
Klinik
Es sind drei klinische Verlaufsformen und eine nicht-GBA1-assoziierte Form beschrieben:
Morbus Gaucher Typ 1 (viszerale Form)
Dies ist die häufigste Verlaufsform mit einem variablen klinischen Phänotyp, von frühkindlichen bis zu lebenslang asymptomatischen Verläufen reichend. Typische Erstsymptome bei erwachsenen Patienten sind Fatigue, Adynamie und unspezifische Knochenbeschwerden. Fast alle Patienten haben eine ausgeprägte Splenomegalie, eine Hepatomegalie ist seltener und weniger deutlich. Beeinträchtigend sind Knochen- und Gelenkschmerzen v. a. der unteren Extremitäten, zudem kann es zu pathologischen Frakturen kommen. Führende Laborbefunde sind Thrombopenie und Anämie, zudem sind Ferritin, ACE und Chitotriosidase erhöht nachweisbar. Patienten mit Morbus Gaucher haben ein erhöhtes Risiko für Malignome, insbesondere für multiple Myelome, Lymphome, hepatozelluläre Karzinome, Pankreaskarzinome und Melanome.
Morbus Gaucher Typ 2 (akut neuronopathische Form)
Diese seltene schwere Verlaufsform beginnt im 3.–6. Lebensmonat mit systemischer Beteiligung und Hepatosplenomegalie. Die neurologischen Symptome bestehen aus der Trias Opisthotonus, Bulbärsymptomatik und Okulomotoriusparese. Meist versterben die Patienten vor dem 3. Lebensjahr.
Morbus Gaucher Typ 3 (chronisch neuronopathische Form)
Bei dieser Form findet sich neben den viszeralen Manifestationen des Typs 1 zusätzlich eine variable neuroophthalmologische Beteiligung, die meist vor dem 20. Lebensjahr beginnt. Neben einer horizontalen Ophthalmoplegie können eine zerebelläre Ataxie, eine spastische Bewegungsstörung, eine progressive Myoklonus-Epilepsie und kognitiver Abbau auftreten.
Saposin-C-Defizienz
Diese Patienten zeigen fast immer eine neurologische Beteiligung, ähnlich der bei Typ-3-GD.
Diagnostik
Die Diagnose einer GD wird durch den Nachweis einer verminderten Glukozerebrosidase-Aktivität in Leukozyten oder Trockenblut gestellt und sollte molekulargenetisch gesichert werden. Pathognomonisch ist zudem eine massiv erhöhte Konzentration der Chitotriosidase im Serum oder Trockenblut. Ein weiterer Biomarker mit besserer Sensitivität und Spezifität, der sich besonders zur Verlaufskontrolle eignet, ist Glukosylsphingosin (Lyso-Gb1). Bei typischer klinischer Symptomatik, erhöhter Chitotriosidase, aber normaler Enzymaktivität sollte differenzialdiagnostisch ein Saposin-C-Mangel erwogen und das PSAP-Gen untersucht werden.
Therapie
Derzeit gibt es effektive Therapiemöglichkeiten für die viszeralen Manifestationen des Morbus Gaucher, die allerdings nur eine begrenzte Wirkung bezüglich der neurologischen Komplikationen haben: die intravenöse Enzymersatztherapie (ERT) mit den Präparaten Imiglucerase und Velaglucerase sowie die orale Substratreduktionstherapie mit Eliglustat und Miglustat. Dabei scheint Eliglustat der ERT ebenbürtig zu sein, ist aber kontraindiziert bei vorbestehender Herzerkrankung. Miglustat hat eine geringere Wirksamkeit bei der Verbesserung hämatologischer Parameter.

Glukozerebrosidase und Parkinson-Syndrom

Sowohl Patienten mit manifester GD als auch heterozygote GBA1-Anlageträger haben ein erhöhtes Risiko, an einem Parkinson-Syndrom zu erkranken. Der Pathomechanismus ist bislang noch unklar, es scheint aber eine umgekehrte Korrelation zwischen Glukozerebrosidase-Aktivität und α-Synuclein-Konzentrationen zu bestehen. Auch bei Patienten mit sporadischem Parkinsonsyndrom ohne pathogene GBA1-Varianten wurde eine erniedrigte Glukozerebrosidase-Aktivität nachgewiesen. Jedoch erkrankt die Mehrzahl der Personen mit GBA1-Varianten nicht an Morbus Parkinson, sodass weitere noch unbekannte Risikofaktoren eine Rolle spielen.

Morbus Niemann-Pick Typ C (NPC)

Der Morbus Niemann-Pick Typ C ist ein autosomal-rezessiv vererbter Defekt des intrazellulären Cholesterintransports, der zu intralysosomaler Speicherung von unverestertem Cholesterin und Gangliosiden sowie Beeinträchtigung des Sphingomyelinstoffwechsels führt. Zugrundeliegend sind zumeist Varianten im NPC1-Gen, nur bei etwa 5 % der Fälle Varianten im NPC2-Gen. Die Gesamtinzidenz wird auf 1:200.000 geschätzt.
Der NPC ist eine progrediente neurodegenerative Erkrankung mit erheblicher klinischer Variabilität. Die Symptome bei Manifestation sind dabei abhängig vom Lebensalter, wobei viszerale Symptome zeitlich immer vor der ZNS-Beteiligung auftreten, bei Erwachsenen aber subklinisch sein können. Eine neonatale Form geht mit cholestatischer Hepatopathie und Leberversagen einher, bei den infantilen und juvenilen Formen bestehen eine moderate Hepatosplenomegalie und eine ataktische oder dystone Bewegungsstörung sowie Verhaltensauffälligkeiten und ein kognitiver Abbau. Charakteristisch für den NPC im Jugendlichen- und Erwachsenenalter ist die vertikale supranukleäre Blickparese. Bei Erwachsenen sind psychiatrische Störungen wie Zwangshandlungen, Halluzinationen, depressive Verstimmung und Psychose oft erstes Zeichen der Erkrankung, dann folgen eine zerebelläre Ataxie und ein demenzieller Abbau. Zudem können weitere Bewegungsstörungen wie Dystonie, Chorea und Parkinsonismus auftreten. Das cMRT ist zunächst unauffällig, erst im Spätstadium der Erkrankung zeigen sich eine zerebelläre Atrophie, eine Verschmächtigung des Corpus callosum und T2-Hyperintensitäten im Bereich der periventrikulären weißen Substanz.
Die Diagnose kann über die Untersuchung der Oxysterole im Plasma gestellt werden, jedoch sind sowohl falsch-negative als auch falsch-positive Ergebnisse möglich, sodass zusätzlich immer eine molekulargenetische Untersuchung angeschlossen werden sollte. Die sehr aufwendige Filipinfärbung in Fibroblasten hat heute keinen Stellenwert mehr in der Diagnostik.
Bislang gibt es keine effektive Therapie für den NPC. Die intrathekale Applikation von Cyclodextrin zeigte in ersten Studien jedoch positive Ergebnisse.

GM1-Gangliosidose

Die GM1-Gangliosidose ist ein autosomal-rezessiv vererbter Defekt der β-Galaktosidase, der auf Varianten im GLB1-Gen zurückzuführen ist. Die Inzidenz wird mit 1:100.000 bis 1:200.000 angegeben. Die β-Galaktosidase ist für den Abbau von Glykoproteinen, Glykolipiden und Keratansulfat verantwortlich und ihr Defekt hat eine Akkumulation v. a. von GM1-Gangliosid in Neuronen zur Folge, die wiederum zu Neuronenverlust, Gliosen und morphologischen Auffälligkeiten der Neuriten führt, wobei die genaue Pathogenese noch unklar ist. Abhängig von der verbleibenden Enzymaktivität und der Menge an akkumuliertem Substrat werden verschiedene Schweregrade unterschieden.
  • Der häufigste infantile Typ 1 hat den schwersten Verlauf mit rasch progredienter neurologischer Verschlechterung, die zu Spastik, Taubheit, Blindheit und Dezerebration führt und im Kleinkindalter letal ist.
  • Der spätinfantile Typ 2 verläuft etwas langsamer, jedoch versterben die Patienten meist noch im Kindesalter.
  • Der attenuierte Typ 3 manifestiert sich in der 2.–3. Dekade mit generalisierter Dystonie, die Gang- und Sprachschwierigkeiten zur Folge hat. Typisch ist eine Beteiligung der Gesichts- und Schlundmuskulatur mit Grimassieren und lebensbedrohlichen Schluckstörungen. Die Sprachstörungen bestehen aus einer kombinierten hyperkinetischen Dysarthrie und einer Sprechapraxie, die bis zum dysarthrischen Mutismus führen kann. Im Verlauf bildet sich eine parkinson-ähnliche akinetisch-rigide Bewegungsstörung aus. Im cMRT zeigen sich in den T2-Sequenzen Hyperintensitäten der posterioren Putamina. Da zudem eine Herzklappenbeteiligung vorliegen kann, sollte immer auch eine Echokardiografie durchgeführt werden.
Die Diagnose wird über eine Bestimmung der β-Galaktosidase-Aktivität im Trockenblut oder in Leukozyten gestellt, die mittels molekulargenetischer Analyse bestätigt wird.
Aktuell gibt es keine krankheitsmodifizierende Therapie und auch die symptomatische medikamentöse Behandlung der Dystonie zeigt oft nur wenig Erfolg. Anticholinergika oder Benzodiazepine können hilfreich sein, ebenso wie die Tiefe Hirnstimulation, die allerdings weniger Verbesserungen erbringt als bei primären Dystonien.

GM2-Gangliosidosen

Die GM2-Gangliosidosen sind autosomal-rezessiv vererbte Defekte der β-Hexosaminidase. Das Enzym besteht aus zwei Untereinheiten, die durch die Gene HEXA und HEXB kodiert werden. Varianten in HEXA verursachen die Tay-Sachs-Erkrankung, während Varianten in HEXB zur Sandhoff-Erkrankung führen. Ein Defekt im GM2-Aktivator-Protein (kodiert durch GM2A) beeinträchtigt beide Untereinheiten. Der Mangel an β-Hexosaminidase führt zur Speicherung von GM2- und GA2-Gangliosiden in Lysosomen der Neurone, was zur Beeinträchtigung des Neuritenwachstums, einer veränderten intrazellulären Signalübertragung und einer ZNS-Inflammation führt. Die Gesamtinzidenz der GM2-Gangliosidosen liegt weltweit bei 1:100.000, ist in der Bevölkerungsgruppe der Ashkenazi-Juden allein für die Tay-Sachs-Erkrankung allerdings mit 1:2500 deutlich höher.
Klinisch werden auch die GM2-Gangliosidosen entsprechend dem Alter bei Manifestation in drei Subtypen eingeteilt. Der häufigste Typ 1 beginnt im ersten Lebensjahr mit rasch fortschreitender diffuser neurologischer Verschlechterung und Tod im Kleinkindalter. Bei den Typen 2 (juvenil) und 3 (late-onset) handelt es sich um langsamer fortschreitende neurologische Erkrankungen, deren klinische Symptome davon abhängen, welcher Bereich des ZNS betroffen ist. Bei Erwachsenen zeigt sich ein komplexes neurologisches Bild mit zerebellärer Ataxie, motorischer Schwäche und peripherer Neuropathie. Etwa 30–50 % der Patienten haben Bewegungsstörungen, wie Tremor, generalisierte oder fokale Dystonie, Chorea und Parkinsonismus. Weiterhin sind psychotische Symptome, autonome Dysfunktion, Pyramidenbahnzeichen und eine vertikale supranukleäre Blickparese beschrieben. Im Gegensatz zu den kindlichen Formen sind ein demenzieller Abbau oder visuelle Beeinträchtigung für adulte Formen nicht typisch, auch ist die Lebenserwartung vermutlich nicht signifikant vermindert, allerdings verlieren die meisten Patienten ihre körperliche Unabhängigkeit und benötigen pflegerische Unterstützung. Im cMRT findet sich eine zerebelläre Atrophie und gelegentlich eine Hypointensität des Thalamus.
Die Diagnose wird über die Aktivitätsbestimmung der β-Hexosaminidase in Trockenblut, Plasma oder Leukozyten gestellt und sollte über molekulargenetische Analyse gesichert werden.
Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine Therapie mit nachgewiesener Wirksamkeit, jedoch werden Studien zur Chaperon-Therapie und zur Gentherapie durchgeführt. Die Patienten profitieren von intensiver physiotherapeutischer und logopädischer Behandlung.
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