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Nicht-genetische Einflussfaktoren des Krebsrisikos

Verfasst von: Hajo Zeeb
Zu den wichtigsten nicht-genetischen Risikofaktoren für Krebserkrankungen zählen vor allem der Tabak- und Alkoholkonsum, berufliche Faktoren, Strahlung sowie bestimmte Infektionen. Für einige Tumoren ist ein sehr hoher Anteil aller auftretenden Erkrankungen auf bestimmte nicht-genetische Faktoren zurückführbar: Beim Lungenkrebs sind dies über 80 % aller Erkrankungsfälle. Auch hormonelle Faktoren sowie Pharmaka können das Risiko für einige Tumoren erhöhen. Die Ernährung ist zudem über verschiedene Mechanismen mit Krebsrisiken, insbesondere des Verdauungstrakts, assoziiert. Hier gehört der Verzehr roten Fleisches zu den am besten untersuchten Risikofaktoren für den Kolorektalkrebs. Die genaue Kenntnis dieser zumeist gut beeinflussbaren Risikofaktoren ist von entscheidender Bedeutung für die Krebsprävention, die mit einer Vielzahl von Maßnahmen – von Impfungen bis hin zu globalen politischen Abkommen der Kontrolle von Einflussfaktoren – auf die immer detaillierteren Erkenntnisse der epidemiologischen Krebsforschung reagieren kann.

Einleitung

Die Ursachen von Krebserkrankungen sind vielfältig, und ursächliche Faktoren können auf verschiedenen zellulären Stufen des Entwicklungsprozesses zu klinisch diagnostizierbaren Krebserkrankungen wirksam werden. Die Krebsepidemiologie ist ein junger Wissenschaftszweig, der sich seit etwa 1930 in erheblichem Maße mit nicht-genetischen Einflussfaktoren des Krebsrisikos beschäftigt. Zu den ersten Faktoren, die unter anderem aufgrund klinischer Beobachtungen bei Patienten systematisch epidemiologisch untersucht wurden, gehören die ionisierende Strahlung und der Tabak. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über das aktuelle Wissen zu nicht-genetischen Krebsrisikofaktoren. Diese Faktoren sind vielfältig, lassen sich aber orientierend in größere Gruppen zusammenfassen. Der auf die jeweiligen Faktoren zurückführbare, attributable Anteil aller Krebserkrankungen ist in jüngerer Zeit unter anderem für Großbritannien (Parkin et al. 2011) und die USA (Schottenfeld et al. 2013) abgeschätzt worden (Tab. 1). Tabak, Übergewicht und Ernährung sind demnach die bedeutendsten Krebsrisikofaktoren. Unterschiede zwischen den Ländern sind auf die voneinander abweichenden Expositionshäufigkeiten, etwa den in Großbritannien im Vergleich zu den USA niedrigeren Raucherraten, zurückzuführen. Für Deutschland liegen entsprechende Abschätzungen im Überblick nicht vor, die Größenordnungen dürften sich aber nicht wesentlich unterscheiden.
Tab. 1
Attributable Anteile verschiedener Ursachen der Krebsmortalität (Daten aus Großbritannien und USA)
Risikofaktor
Parkin, United Kingdom, 2010 (%)
Schottenfeld et al., USA, 2000–2010 (%)
Tabak
 Männer
 Frauen
19
23
16
30
30–35
20–25
Alkohol
 Männer
 Frauen
4
4–5
3
3–4
4–6
1–2
Ionisierende Strahlung
2
2–3
Sonneneinstrahlung
3,5
1–2
Beruf
 Männer
 Frauen
2–3
<1
3–5
≤1
Infektionen
 Männer
 Frauen
2–3
3–4
≤5–8
Übergewicht
 Männer
 Frauen
5–6
4
6–7
≤10
5–10
8–15
Mangelnde körperliche Aktivität
 Männer
 Frauen
1
<1
1–2
<5
Der genaue Wirkmechanismus ist nur für einen Teil der Faktoren bekannt. Die Evidenz beruht zumeist auf epidemiologischen Studien, die im Kohortenstudiendesign große Personengruppen im Längsschnitt untersuchen oder als Fallkontrollstudie erkrankte mit nicht erkrankten Personen in Hinsicht auf Risikofaktoren und weitere Aspekte vergleichend analysieren. Die Untersuchung nicht-genetischer Risikofaktoren ist somit Aufgabe der ätiologischen epidemiologischen Forschung. Sie ist ein wesentlicher Baustein der Krebsprävention, da es sich im Unterschied zu genetischen Faktoren hier vielfach um veränderbare und damit der Primärprävention zugängliche Faktoren handelt.
Die Einordnung als Karzinogen ergibt sich in der Regel aus der Gesamtbeurteilung der vorliegenden wissenschaftlichen Ergebnisse. Nationale und internationale Institutionen nehmen regelmäßig entsprechende Analysen und Einordnungen vor. International sind die Einstufungen der Internationalen Krebsforschungsagentur (International Agency for Research on Cancer, IARC) der Weltgesundheitsorganisation ein wesentlicher Referenzpunkt (Tab. 2).
Tab. 2
Klassifikation der Karzinogene, Internationale Krebsforschungsagentur IARC (Details unter https://monographs.iarc.fr/wp-content/uploads/2019/01/Preamble-2019.pdf)
Klasse
Beschreibung
Beispiele
IA
Karzinogen für Menschen
Tabakrauch, Benzol, ionisierene Strahlung, Dieselabgase
2A
Wahrscheinlich („probably“) karzinogen für Menschen
DDT, rotes Fleisch, Glyphosat
2B
Möglicherweise („possibly“) karzinogen für Menschen
Blei, Titandioxid, Ginkgo biloba
3
Nicht klassifizierbar in Bezug auf Karzinogenität für Menschen

Tabak

Das Rauchen gehört seit Jahrzehnten zu den unstrittigen Krebsrisikofaktoren. Der Zusammenhang zwischen Rauchen und einer Vielzahl von Krebserkrankungen ist nicht nur epidemiologisch, sondern auch molekularbiologisch und toxikologisch untermauert. Aus bevölkerungsbezogenen epidemiologischen Studien ergaben sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts Hinweise auf deutlich erhöhte Lungenkrebsrisiken bei Rauchern, insbesondere aufgrund der Studien unter britischen Ärzten. Die von Doll und Hill durchgeführten Studien untersuchten Sterbehäufigkeiten unter Medizinern in Abhängigkeit von deren Rauchgewohnheiten (Doll et al. 2004).

Übersicht über Tabak und spezifische Krebsarten

Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand werden insgesamt ca. 15 Krebsarten als durch Tabakrauch verursacht angesehen (Tab. 3), mit zum Teil sehr hohen relativen Risiken im Vergleich zu Nichtrauchenden. Für Deutschland liegen Abschätzungen zum jeweiligen Anteil an Krebsneuerkrankungen vor, der durch das Rauchen verursacht wurde (Wienecke et al. 2014).
Tab. 3
Mit Tabakkonsum in Zusammenhang stehende Krebsarten gemäß Auswertung der IARC. (Nach Sasco et al. 2004)
Krebsart
Mittleres relatives Risiko
Attributable Risiken (Inzidenz, Deutschland 2008)
  
Männer (%)
Frauen (%)
Lunge
15–30
87
58
Harnwege
3
56
23
Obere Atemwege
   
 Mundhöhle
 Nasen-Rachen-Raum
4–5
4–5
42
65 (Rachen)
34
57 (Rachen)
 Nasenhöhle und Nasennebenhöhlen
 Speiseröhre
1,5–2,5
1,5–5
28
44
21
33
Bauchspeicheldrüse
2–4
18
12
Magen
1,5–2,0
22
6
Leber
1,5–2,5
25
18
Niere
1,5–2,0
22
6
Gebärmutterhals
1,5–2,5
-
15
Blut (myeloische Leukämie)
1,5–20,0
13
7
basierend auf Wienecke et al. 2014
Global ist Schätzungen der WHO zufolge Tabak für ca. 22 % aller Krebstodesfälle bei Personen ab dem Alter von 30 Jahren verantwortlich (World Health Organization 2012). Für den Lungenkrebs liegt dieser Anteil bei 71 % und ist am höchsten in den Altersgruppen ab 70 Jahren. Deutliche Unterschiede zeigen sich zwischen Männern und Frauen: Während bei Männern ca. 27 % aller Krebstodesfälle auf Tabak zurückführbar sind, liegt der Anteil unter Frauen bei 11 %. Wesentlichen Anteil hieran haben Unterschiede bei der Lungenkrebssterblichkeit (83 % bei Männern durch Rauchen bedingt, 53 % bei Frauen). Für Deutschland ist davon auszugehen, dass jährlich über 72.000 neu auftretende Krebserkrankungen auf das Rauchen zurückgehen, in einem Vergleich zwischen 1999 und 2008 war dies ein Zuwachs von über 6200 Fällen (Wienecke et al. 2014).
Abb. 1 gibt eine Übersicht zum zeitlichen Verlauf der Krebsinzidenz beim wichtigsten tabakassoziierten Tumor, dem Lungenkrebs. Der leichten Abnahme der altersstandardisierten Raten bei Männern steht ein stetiger Anstieg bei Frauen gegenüber.

Rauchen: Häufigkeit und Verteilung

Besonders wichtig für die Risikobewertung des Rauchens und die Einschätzung des Präventionspotenzials ist die Frage, welche Rolle ein früher Beginn des Tabakkonsums spielt. Neueren Ergebnissen zufolge ist das Rauchen beginnend im Jugend- und frühen Erwachsenenalter mit einer um 10 Jahre eingeschränkten Lebenserwartung assoziiert, die erheblich von Krebs und kardiovaskulären Erkrankungen bestimmt wird. Wichtig ist dabei die Erkenntnis, dass bei Aufgabe des Rauchens bis zum Alter von 40 ein ganz erheblicher Anteil dieser Einbußen – über 90 % – wieder rückgängig gemacht werden kann.
Zur Häufigkeit und Trends beim Rauchen in der Erwachsenenbevölkerung (Alter 18–59) gibt der Epidemiologische Suchtsurvey 2015 die in Tab. 4 zusammengefassten Daten (Kraus et al. 2016).
Tab. 4
Prävalenz des Rauchens in der deutschen Erwachsenenbevölkerung (2000–2015)
 
Erhebungsjahr
 
2000
2003
2006
2009
2012
2015
Frauen
30-Tage-Prävalenz (starkes Rauchen)
30,6 (7,8)
30,5 (8,3)
28,8 (6,4)
26,4 (5,3)
24,4 (4,3)
23,4 (3,1)
Männer
30-Tage-Prävalenz (starkes Rauchen)
39,0 (14,2)
37,1 (14,3)
37,3 (12,9)
34,1 (9,0)
30,6 (8,4)
28,1 (5,8)
Es wird deutlich, dass die Prävalenz von 2000–2015 bei Männern einen deutlicher abnehmenden Trend als bei Frauen aufweist, mit einer Reduktion um 38 % bei Männern gegenüber 23 % bei Frauen. Dennoch ist das Rauchen weiterhin bei Männern noch stärker verbreitet als bei Frauen.

Passivrauchen als Risikofaktor

Auch die Exposition von Nichtrauchern gegenüber Tabakrauch, das sogenannte Passivrauchen, geht mit erhöhten Krebsrisiken einher, die naturgemäß deutlich unterhalb der Risiken aktiven Rauchens liegen. In Bezug auf den Lungenkrebs ist von einer Risikoerhöhung um 30–40 % bei Exponierten gegenüber Nichtexponierten auszugehen, für andere Krebsarten werden die Zusammenhänge als weniger konsistent bewertet (International Agency for Research on Cancer 2012b). Eine Reihe von Studien hat jedoch auch erhöhte Risiken in Bezug auf kindliche Krebserkrankungen in Abhängigkeit vom Rauchen der Eltern ergeben, insbesondere für Leukämien und Lymphome sowie das Rauchen des Vaters.

Andere Formen des Tabaks

Rauchfreier Tabak wird in Form von Kau- oder Schnupftabak konsumiert. Verbrennungsprodukte treten nicht auf, daher sind insgesamt weniger Karzinogene in diesen Produkten enthalten. Dennoch finden sich deutlich erhöhte Risiken insbesondere für Krebserkrankungen des oberen Verdauungstrakts. Ein mehr als fünffaches Risiko für Tumoren der Mundhöhle unter Nutzern rauchfreier Tabakprodukte wurden z. B. in Indien gefunden (Sinha et al. 2018).
Durch das WHO-Rahmenabkommen zur Tabakkontrolle aus dem Jahr 2005 ist die Tabakprävention international erheblich gestärkt worden, andererseits bleibt Tabakkonsum weiterhin aufgrund der nur allmählich – und nicht in allen Ländern – sinkenden Konsumentenzahlen die entscheidende Ursache für Krebserkrankungen in Deutschland und weltweit. Insofern sind entschiedene Anstrengungen der Tabakkontrolle einschließlich konkreter Verbote weiterhin dringend geboten.

Alkohol

Insbesondere ein regelmäßiger hoher Alkoholkonsum wird schon seit vielen Jahren mit dem Auftreten und der Sterblichkeit an Krebs in Verbindung gebracht. Oft kommt es zu Koexpositionen mit anderen Karzinogenen, etwa dem Rauchen. Dennoch ist Alkohol eindeutig als humankanzerogen einzuordnen, und die IARC listet 10 Krebsarten als durch Alkohol verursacht (Tumoren in Mund, Nasopharynx, andere Lokalisationen im Rachen, Kehlkopf, Speiseröhre, Magen, Kolon und Rektum, Leber, weiblicher Brust, wahrscheinlich Pankreas). Alkoholkonsum ist besonders in Ländern mit höherem Einkommen wie Deutschland verbreitet, und entsprechend sind die dem Alkohol zuschreibbaren Krebsrisiken global sehr ungleich verteilt.
In Deutschland weisen knapp 60 % der Männer und 54 % der Frauen einen als risikoarm eingeordneten Alkoholkonsum auf, riskanten Konsum mit mehr als 24 g (Männer) bzw. mehr als 12 g (Frauen) Alkohol pro Tag geben 17 % der Männer und 13 % der Frauen an (Kraus et al. 2016).

Dosis-Wirkungs-Beziehungen und zuschreibbarer Anteil durch Alkohol

Alkoholbedingte Krebsrisiken zeigen in allen relevanten Krebsarten einen Dosis-Wirkungs-Gradienten: Mit höherem Konsum sind höhere Risiken verbunden, die z. B. für den Speiseröhrenkrebs eine Risikoerhöhungen um das bis zu Achtfache im Vergleich zu Nichtkonsumenten erreichen (International Agency for Research on Cancer 2012b). Es wird von einer Risikoerhöhung von etwa 20 % pro 10 g Alkohol ausgegangen. Aufgrund der verschiedenen Konsummuster unterscheidet sich der Beitrag des Alkohols zum Krebsrisiko je nach Geschlecht. Allen et al. (Allen et al. 2009) schätzen auf der Basis einer großen US-amerikanischen Kohortenstudie, dass sich bei Frauen pro zusätzlichem alkoholischen Getränk/Tag etwa 11 zusätzliche Brustkrebsfälle und insgesamt ca. 15 zusätzliche Fälle pro 1000 Frauen bis zum Alter von 75 Jahren ergeben. Ähnliche Werte ergaben die Analysen einer großen europäischen Kohortenstudie (Tab. 5; Schutze et al. 2011). Demnach sind ca. 10 % aller Krebsneuerkrankungen bei Männern dem Alkohol zuschreibbar, für Frauen liegt dieser Wert bei 3 %. Besonders bedeutsam ist Alkohol für die Krebsentstehung im oberen Atmungs- und Verdauungstrakt: Etwa ein Viertel aller Tumoren bei Frauen und fast die Hälfte der Tumoren bei Männern wird hier mit Alkoholkonsum assoziiert. Es gibt in Bezug auf Krebs keine Hinweise darauf, dass es eine Schwelle gibt, unter der Alkoholkonsum keinen oder einen positiven Einfluss auf die Krebsentstehung hat.
Tab. 5
Übersicht über die dem Alkohol zuschreibbaren Anteile von Krebsneuerkrankungen auf der Basis der deutschen Daten der EPIC-Studie (Schutze et al. 2011)
Krebsart (ICD-10)
Anteil bei Männern in % (95 % KI)
Anteil bei Frauen in % (95 % KI)
Krebs gesamt
9 (5–12)
3 (1–5)
Alle alkoholassoziierten Krebsarten
30 (23–37)
7 (4–10)
Oberer Atmungs-Verdauungs-Trakt
(C00–C10, C12–C15, C32)
47 (34–60)
35 (11–59)
Kolorektalkrebs (C18–C21)
16 (7–25)
6 (−2–23)
Leber (C22)
35 (11–59)
15 (−16–46)
Brust (C50)
7 (3–10)

Ionisierende Strahlung, elektromagnetische Felder und UV-Strahlung

Röntgenstrahlung wurde schon kurz nach ihrer Entdeckung durch Wilhelm Conrad Röntgen verdächtigt, für Krebserkrankungen insbesondere bei medizinischen Anwendern verantwortlich zu sein. Mit der Life-Span-Studie der Atombombenüberlebenden aus Hiroshima und Nagasaki konnten dosisabhängige Risikoerhöhungen sowohl für hämatologische wie auch solide Tumoren in dem Kollektiv von ca. 85.000 Personen nachgewiesen werden, die Untersuchungspopulation wird bis heute nachbeobachtet. Ein Nachteil dieser Studie ist, dass sie vergleichsweise wenige Informationen zu Risiken im Bereich niedriger Dosen beitragen kann, hierzu sind insbesondere Studien bei Beschäftigten in der Nuklearindustrie sowie Untersuchungen bei medizinisch-diagnostisch exponierten Personen durchgeführt worden. Die jüngst veröffentlichte INWORKS-Studie unter Beschäftigen aus mehreren Ländern zeigte eine Risikoerhöhung um 20 % pro 100 mGy für Leukämien und eine Risikoerhöhung um ca. 10 % für solide Tumoren (Richardson et al. 2015). Studien zum Krebsrisiko bei Kindern, die mittels Computertomographie untersucht wurden, weisen ebenfalls auf Risikoerhöhungen für Hirntumoren und für Leukämien hin (Mathews et al. 2013; Pearce et al. 2012; Krille et al. 2015) das Ausmaß der Risiken ist aber aufgrund des möglichen Einflusses bestimmter Verzerrungsfaktoren noch umstritten.

Radongas

Radon und seine Folgeprodukte sind radioaktive Gase mit unterschiedlicher langer Halbwertszeit, die aufgrund der Inhalation im Atmungstrakt wirksam werden und das Lungenkrebsrisiko insbesondere bei Minenarbeiter erhöhten. In Deutschland sind davon speziell Mitarbeiter der früheren Wismut SDAG (Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft) betroffen, bei denen eine deutlich erhöhte Lungenkrebssterblichkeit vorliegt (Kreuzer et al. 2015). Es wurden zudem Hinweise auf erhöhte Krebssterblichkeit an Tumoren des Hals-Nasen-Rachenraums bei ehemaligen Wismut-Mitarbeitern gefunden (Kreuzer et al. 2014). Radon ist je nach zugrunde liegender Geologie in unterschiedlichem Maße auch in Gebäuden vorhanden. Das Lungenkrebsrisiko steigt pro 100 Bq/m3 um ca. 16 % an, und dies betrifft sowohl Raucher als auch Nichtraucher, die aber insgesamt ein sehr niedrigeres Krebsrisiko aufweisen (Darby et al. 2005). In Deutschland liegt der mittlere Konzentrationswert für Radon in Wohngebäuden bei ca. 50 Bq/m3, wobei regional und lokal erhebliche Schwankungen auftreten. Modellrechnungen zufolge werden ca. 5 % der Lungenkarzinomtodesfälle in Deutschland jährlich durch Radon in Wohnungen verursacht (aktuell ca. 2200 Fälle/Jahr).

Elektromagnetische Felder

In Bezug auf elektromagnetische Felder wurden für die hochfrequente elektromagnetische Strahlung von Mobiltelefonen in der INTERPHONE-Studie keine Risikoerhöhungen für Hirntumoren – außer in einer Subgruppe von intensiven Langzeitnutzern – ermittelt. Starke Magnetfelder (>0,4 Tesla) werden allerdings mit dem Auftreten kindlicher Leukämien in Verbindung gebracht (Schüz et al. 2005). Felder dieser Stärke sind jedoch recht selten, sodass nur ein sehr geringer Anteil aller auftretenden Leukämien hierauf zurückzuführen ist.

UV-Strahlung

UV-Strahlung ist ein anerkannter Risikofaktor für Hauttumoren. Intermittierende Sonnenlichtexposition und gehäufte Sonnenbrände insbesondere in der Jugend werden mit dem Auftreten des malignen Melanoms in Verbindung gebracht, für nicht melanozytäre Hauttumoren wie die Plattenepithel- oder Basalzelltumoren ist dagegen insbesondere die kumulative Sonnenexposition relevant. In Europa besteht weiterhin ein deutlicher Anstieg der invasiven und In-situ-Melanome: Bei Frauen gibt es einen durchschnittlichen Anstieg der Erkrankungsraten um 3,0 % pro Jahr, bei Männern um 4,0 % (bezogen auf die Jahre 1995–2012; Sacchetto et al. 2018).
Der Besuch von Sonnenstudios ist konsistent mit erhöhten Hautkrebsrisiken assoziiert worden, so haben Nutzer im Vergleich zu Nichtnutzern ein etwa 75 % erhöhtes Hautkrebsrisiko (Gandini et al. 2011), das zudem eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung aufweist. Immer mehr Länder setzen daher rechtliche Regelungen um, die den Gebrauch von Solarien für Jugendliche verbieten und für Erwachsene kontrollieren. UV-Strahlung und die damit verbundenen Krebsrisiken sind auch im Kontext des Klimawandels zu sehen: Es ist davon auszugehen, dass in vielen Regionen der Erde die Dauer und Intensität der Sonnenstrahlung zunimmt, sodass ohne entsprechende Gegenmaßnahmen struktureller Natur (z. B. Schattenspender, baulicher Sonnenschutz) sowie individueller Verhaltensprävention (textiler Sonnenschutz, Sonnencreme, Vermeidung direkter Sonneneinstrahlung) erhöhte UV-bedingte Krebserkrankungshäufigkeiten zu erwarten sind.

Berufliche Krebsrisiken

Die epidemiologische Krebsursachenforschung hat eine ihrer Wurzeln in der Untersuchung von Krebsrisiken im beruflichen Umfeld. Dabei stehen historisch vor allem chemische Expositionen im Vordergrund, mittlerweile erfahren auch andere berufliche Risiken wie Strahlung und mangelnde körperliche Aktivität Aufmerksamkeit. Einige Krebsrisikofaktoren, darunter Strahlung und bestimmte Infektionen (z. B. HI-Viren), sind nicht eindeutig bzw. ausschließlich einem beruflichen Kontext zuzuordnen, sind aber mit bestimmten Berufen und Tätigkeiten verbunden. Berufliche Expositionen treten häufig in größerer Intensität auf als Alltagsexpositionen größerer Bevölkerungskreise, und häufig wurden erhöhte Krebsrisiken in Verbindung mit bestimmten chemischen Stoffen oder Verbindungen zuerst bei Beschäftigen festgestellt. Der Weltkrebsbericht 2014 führt 32 berufliche Agentien und 11 berufliche Umstände als Klasse-1-Karzinogene gemäß der IARC-Klassifikation auf sowie eine ähnliche Zahl als wahrscheinliche Karzinogene der Klasse 2a (International Agency for Research on Cancer 2014b).
Zu den wichtigsten und bekanntesten Kanzerogenen im beruflichen Kontext gehören Arsen, Asbest, Benzol, Chrom, Dieselabgase, bestimmte Farbstoffe, Formaldehyd, Nickel, Dioxin und polychlorierte Biphenyle, polyzyklische aromatische Hydrocarbone (PAH) und Polyvinylchlorid (PVC). Auch Stäube, darunter Holz- und Lederstaub, werden mit erhöhten Krebsrisiken in Verbindung gebracht, ebenso wie Radon als berufliches Karzinogen für Minenarbeiter und Passivrauchen für Beschäftigte in Bars, Restaurants usw. Gerade an den letztgenannten Beispielen wird deutlich, dass oftmals keine hohe Trennschärfte zwischen beruflichen und sonstigen Expositionen besteht.
Betroffene Organe bei den chemischen Risikofaktoren sind in vielen Fällen im Atmungs – und Verdauungstrakt lokalisiert. Agentien wir Arsen, Asbest, Formaldehyd und Nickel verursachen jedoch Tumoren in verschiedenen Organen. Benzol und Butadiene werden mit Leukämien in Verbindung gebracht. Als Blasenkarzinogene gelten Ortho-Toluidin, 2-Naphthylamin, Benzidin, Arsen und Aminobiphenyl.

Infektionen

Verschiedene Viren, Bakterien und 3 Parasiten (Clonorchis, Opisthorchis, Schistosoma haematobium) werden mittlerweile als sichere Karzinogene klassifiziert, oft mit sehr deutlichen Risikoerhöhungen für infizierte Personen. In der Monographie 100B der IACR finden sich 11 Klasse-1A-Karzinogene (International Agency for Research on Cancer 2012a). Zu den bekanntesten gehören neben dem HI-Virus die Hepatitisviren Typ B und C, bestimmte Typen der humanen Papillomviren sowie das Epstein-Barr-Virus.

Helicobacter pylori

Das Bakterium Helicobacter pylori erhöht das Risiko für Magenkarzinome des Nichtkardiabereichs. Das Risiko ist im Vergleich zu Nichtinfizierten etwa um den Faktor 6 erhöht (Helicobacter and Cancer Collaborative Group 2001) und wird durch einige Faktoren, wie die Ernährung der Betroffenen, beeinflusst. Zudem spielt der jeweilige Bakterientypus eine Rolle: Wenn das Onkoprotein CagA exprimiert wird, ist das Risiko besonders stark erhöht (Figura et al. 2016). In 90 % aller Magenkrebsfälle findet sich vor Ausbruch der Krebserkrankungen Helicobacter pylori. Die Eradikation dieses Bakteriums mit Antibiotika führt zu einer 34 %igen Risikoreduktion für inzidente Adenokarzinome des Magens (Ford et al. 2016). Auch für die seltenen Non-Hodgkin-Lymphome des Magens ist Helicobacter pylori ein starker Risikofaktor.

Hepatitisviren

Hepatitis B (HBV) und C (HCV) sind ursächlich für weltweit knapp über drei Viertel aller Leberzellkarzinome verantwortlich. Die Prävalenz der Viren ist global stark unterschiedlich, in vielen entwickelten Ländern des Westens und in Japan ist HCV, das durch kontaminierte Injektionsnadeln und Blut sowie Geschlechtsverkehr übertragen wird, höher prävalent als HBV. Die Impfung gegen HBV ist mittlerweile Bestandteil vieler Impfkalender weltweit und wie die Impfung gegen die kanzerogenen humanen Papillomviren eine Impfung gegen Krebs. Die relativen Risiken liegen deutlich über 20 für HBV und knapp unter 20 für HCV. Eine detaillierte Analyse des Effektes einer Koinfektion deutet auf ein erhöhtes Risiko durch HCV- unter HBV-positiven Personen hin, eine erhöhte HBV-Viruslast wirkt allerdings suppressiv auf diese HCV-assoziierte Risikoerhöhung (Huang et al. 2016). Auch für bestimmte Non-Hodgkin-Lymphome der B-Zellreihe wird HCV als Risikofaktor angesehen.

Humane Papillomviren

Humane Papillomviren (HPV) weisen eine sehr große Typenvielfalt auf. Für das Zervixkarzinom sind nur wenige Hochrisikotypen verantwortlich, insbesondere HPV 16 und 18. Die epidemiologischen Studien ergaben hier zum Teil relative Risiken im dreistelligen Bereich. Nicht ganz so stark sind die Risikoassoziationen für Karzinome der Vulva und Vagina, des Anus und des Penis. Zudem gibt es erhebliche geografische Variationen. Einer Studie zufolge lag die HPV-Prävalenz bei 20- bis 25-jährigen ungeimpften Frauen in Deutschland insgesamt bei 38,1 %, davon 19,5 % HPV 16 (Delere et al. 2014). Die Annahme der freiwilligen HPV-Impfung ist neueren Untersuchungen zufolge bei Mädchen unter 18 Jahren in Deutschland noch relativ gering (Schulein et al. 2016; Hense et al. 2014). Auch Karzinome des Oropharynx sind mit einigen HPV-Hochrisikotypen assoziiert.

Epstein-Barr Virus

Burkitt-Lymphome, einige Hodgkin-Lymphom-Subtypen und Karzinome des Nasopharynx werden durch das Epstein-Barr-Virus (EBV) verursacht. Je nach Prävalenz des Virus und weiterer Korisikofaktoren werden zwischen 40–90 % der Hodgkin-Lymphome dem EBV zugeschrieben, zudem etwa 60 % aller Burkitt-Lymphome.

Ernährung, Übergewicht und körperliche Aktivität

Beitrag einzelner Ernährungsbestandteile

Die öffentliche Aufmerksamkeit gegenüber der Ernährung als möglicher Ursache für Krebserkrankungen ist ausgeprägt, und große prospektive epidemiologische Studien haben sich daher auf dieses Thema fokussiert. Dabei ist die genaue Ernährungsmessung schwierig und ein Feld intensiver methodologischer Forschung. Im Mittelpunkt der Diskussion um Ernährungsrisiken stehen rotes Fleisch, Milchprodukte, Faser- und Ballaststoffe, Gemüse und Obst sowie Vitamine. Fettaufnahme hat sich in mehreren großen prospektiven Studien nicht als Risikofaktor für Brust-, Darm- oder Prostatakrebs erwiesen, und randomisierte Studien konnten keine konsistenten Effekte einer fettreduzierten Ernährung auf Krebsrisiken feststellen. Rotes Fleisch und entsprechend verarbeitete Produkte erhöhen das Risiko für kolorektale Tumoren um etwa 20–30 % im Vergleich mit den Nie- oder Niedrigkonsumenten (Aykan 2015). Für Brust- und Prostatakrebs ist die Evidenz in Bezug auf rotes Fleisch nicht überzeugend. Milchprodukte erhöhen einer gemeinsamen Auswertung von 14 Kohortenstudien zufolge nicht das Risiko für Prostatakrebs, ebenso wenig wie geringe Aufnahme von Calcium und Vitamin D (Genkinger et al. 2014). Für Brustkrebs gibt es hingegen Hinweise auf geringe Risikominderung durch stärkeren Verzehr von Milchprodukten insgesamt, aber nicht Milch allein (Dong et al. 2011).
Ballast- und Faserstoffe werden als krebsprotektiv für Tumoren des Dickdarms angesehen, unter anderem durch die Bindung und Inaktivierung von karzinogenen Bestandteilen der Ernährung sowie eine beschleunigte Darmpassage. Allerdings finden sich hier im Vergleich der europäischen EPIC-Studie (Bradbury et al. 2014) mit anderen prospektiven Studien unterschiedliche Ergebnisse, die noch besser verstanden werden müssen.
Für eine Rolle von Folsäure in der Entstehung von Kolorektalkrebs sprechen einige Langzeitbefunde aus Studien, bei denen langfristig niedrige Folsäureaufnahme zu erhöhten Risiken führte. Interventionsstudien zur Risikoreduktion durch Folsäureaufnahme konnten allerdings keine konsistenten schützenden Effekte zeigen (Wu et al. 2009; Crosara Teixeira et al. 2014).

Übergewicht und Krebsrisiko

Übergewicht erhöht nachweislich das Risiko für eine Reihe von Krebsarten, insbesondere der Speiseröhre, des Kolons und Pankreas sowie der Nieren bei beiden Geschlechtern, zudem für Endometriumkarzinom und postmenopausalen Brustkrebs bei Frauen. Die deutlichsten Risikoerhöhungen (Faktor 2,2–2,9) finden sich bei Krebs der Speiseröhre und des Endometriums. Auch andere Tumoren, z. B. der Gallenblase bei Frauen sowie hämatologische Tumoren, weisen erhöhte Risiken bei übergewichtigen Personen auf. Bei einem Body-Mass-Index (BMI) im Bereich von 35 bis <40 kg/m2 ist das Krebssterberisiko unter nichtrauchenden Männern und Frauen um etwa 50 % gegenüber Normalgewichtigen erhöht (International Agency for Research on Cancer 2014b).
Übergewicht (BMI 25 bis <30 kg/m2) und Adipositas (BMI ≥30 kg/m2) sind in den verschiedenen sozialen Schichten ungleich verteilt, wodurch sich auch entsprechende Unterschiede beim Krebsrisiko ergeben können. Männer sind insgesamt mit einer Prävalenz von 61,6 % häufiger übergewichtig oder adipös als Frauen (46,7 %). Die Tab. 6 gibt einen Überblick über neuere Daten des Robert Koch-Instituts (bezogen auf ältere Erwachsene ab 45 Jahren; Schienkiewitz et al. 2017).
Tab. 6
Übergewicht und Adipositas bei Erwachsenen ab 45 Jahre in Deutschland 2014/2015 (Selbstangaben, nach Bildungsstatus)
 
Frauen (Anteil %)
Männer (Anteil %)
 
Übergewicht
Adipositas
Übergewicht
Adipositas
Alter 4564 Jahre
    
Niedrige Bildung
33,1
22,2
46,8
25,6
Mittlere Bildung
30,4
21,1
47,9
23,8
Hohe Bildung
28,3
12,7
49,3
17,2
Alter ≥65 Jahre
    
Niedrige Bildung
37,6
22,2
49,2
24,7
Mittlere Bildung
38,8
20,8
51,1
21,5
Hohe Bildung
32,0
20,6
49,9
17,6
Für die mit Übergewicht assoziierten Tumoren bietet neben der Gewichtsnormalisierung – oft eine wenig erfolgreiche Intervention – die körperliche Aktivität eine Möglichkeit zur Prävention. Besonders für Brust- und Darmkrebs liegen Hinweise auf eine Risikoreduktion durch wenigstens moderate körperliche Aktivität vor, und für die genannten Tumoren sowie Prostatakrebs ist die krebsspezifische Mortalität unter körperlich aktiven Patienten verringert (Friedenreich et al. 2016). Ob die erniedrigten Risiken für Lungenkrebs unter körperlich Aktiven echt sind oder auf mangelnde Kontrolle des Rauchstatus zurückgehen, ist noch ungeklärt (Schmid et al. 2016).

Umweltfaktoren

Unter den Umweltfaktoren spielen neben der schon diskutierten Strahlung insbesondere Luftschadstoffe und Schadstoffe in anderen Medien (Wasser, Erde etc.) eine Rolle. Oft handelt es sich dabei um die gleichen Faktoren, die unter anderen Umständen auch als berufliche Krebsrisikofaktoren gelten, darunter Arsen, Benzol usw. Die Konzentration in der Umwelt ist oft geringer als am Arbeitsplatz, andererseits ist die Zahl der Betroffenen häufig wesentlich größer. Komplizierend tritt allerdings hinzu, dass eine eindeutige Zuschreibung von Krebserkrankungen zu Umweltfaktoren aufgrund der Vielzahl der möglichen Einflussfaktoren in der Umwelt erschwert ist.

Luftverschmutzung

Luftverschmutzung wird durch Emissionen aus Industrie, Verkehr und Haushalten hervorgerufen, und viele verschiedene, regional oft unterschiedliche Komponenten tragen zur Luftverschmutzung bei. Dieselabgase sind ein gesichertes Karzinogen für Lungenkrebs (International Agency for Research on Cancer 2014a) und enthalten zudem polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). Neben Tabakrauch und Radon ist Luftverschmutzung der zentrale Lungenkrebsrisikofaktor und für ca. 10 % aller Lungenkrebstodesfälle verantwortlich. Die Schätzungen für China sind höher: Knapp 14 % der Lungenkrebstodesfälle des Jahres 2005 gingen auf Feinstaub (PM2,5) zurück (Guo et al. 2017).

Hormone und reproduktive Faktoren

Mehrere Tumorarten bei Frauen, darunter Brust- und Ovarialkrebs sowie Tumoren des Endometriums, werden durch hormonelle Faktoren verursacht. Tumoren des Endometriums entstehen aufgrund von Östrogenstimulation. Die Einnahme entsprechender Hormonpräparate ohne Ausgleich durch Gestagene erhöht das Risiko für Endometriumtumoren ebenso wie Übergewicht, das mit Östrogenüberfluss einhergeht. Die höchsten absoluten Risiken finden sich bei stark übergewichtigen Frauen, aber auch Körpergröße und andere anthropometrische Maße sind positiv mit Tumorrisiken assoziiert (Aune et al. 2015). Insulinresistenz wird ebenfalls mit einem erhöhten Risiko für Tumoren des Endometriums in Verbindung gebracht (Hernandez et al. 2015).
Eine frühe Menarche und ein spätes Menopausenalter sind sowohl für Endometrium- als auch für Brustkrebs als endogene hormonelle Risikofaktoren einzuordnen, vermutlich durch die verlängerte Lebenszeit unter erhöhtem Östrogeneinfluss. Insbesondere für Brustkrebs, aber auch für Ovarialkrebs ist zudem die Parität relevant. Nullipara haben ein etwa doppelt so hohes Brustkrebsrisiko wie Frauen mit Kindern und ein erhöhtes Ovarialkrebsrisiko in ähnlicher Größenordnung. Auch das mütterliche Alter bei der Geburt des ersten Kindes spielt eine Rolle. Späte Geburten (ab dem Alter von 30 Jahren) gehen mit leicht erhöhten Risiken insbesondere für Östrogenrezeptor-positive (ER+) Tumoren der Brust einher (Kobayashi et al. 2012). Der protektive Effekt des Stillens findet sich allerdings sowohl für ER+ als auch ER- Tumoren (Collaborative Group on Hormonal Factors in Breast Cancer 2002), und längere Stillzeiten erhöhen diesen Effekt.
Für einige Tumoren bei Männern (Hodenkrebs, männlicher Brustkrebs, Prostatakrebs) gelten hormonelle Risikofaktoren als wahrscheinlich und werden derzeit weiter erforscht.

Pharmaka

Medikamente sind zentral in der Behandlung vieler Tumoren, eine Reihe von Pharmaka ist jedoch selber karzinogen. Dazu gehören einige Hormonpräparate, wie z. B. die unopponierten Östrogene, viele Chemotherapeutika sowie diverse Einzelpräparate, darunter möglicherweise auch hochdosierte Vitamin-E-Gaben: Sie erhöhen das schon deutlich erhöhte Lungenkrebsrisiko bei Rauchern weiter. Die IARC stuft derzeit 23 Einzelstoffe oder Kombinationstherapien als karzinogen für Menschen ein (International Agency for Research on Cancer 2012c).

Hormonpräparate

Diethylstilbestrol (DES) wurde vor 1970 vielfach für schwangere Frauen zur Verhinderung von Fehlgeburten verschrieben. Eine seltene Form von Vaginal- und Zervikalkrebs bei weiblichen Nachkommen wurde in der Folge auf diese Therapie zurückgeführt. Orale Kontrazeptiva (Kombinationspräparate) haben unterschiedliche Effekte auf verschiedene Tumorarten bei Frauen: Einem leicht erhöhten Brustkrebs- und Leberkrebsrisiko stehen Verminderung unter anderem beim Endometrium- und Ovarialkarzinom gegenüber. Hormonersatztherapie in der Menopause wird mit einem erhöhten Risiko für Endometriumkrebs assoziiert, je länger Gestagene genommen werden, desto geringer ist der Risikoanstieg (International Agency for Research on Cancer 2014b).

Chemotherapeutika

Zu den antineoplastischen Pharmazeutika mit kanzerogenem Potenzial gehören Chlorambuzil, Busulfan, Cyclophosphamid, Etoposid und andere. Weiterhin sind einige immunsuppressive Medikamente wie Azathioprin und Cyclosporin als Klasse-1-Karzinogene eingestuft, und schließlich das Schmerzmittel Phenacetin, das Tumoren des Nierenbeckens und der Harnröhre verursacht.

Soziale Faktoren und Krebs

Ein niedriger sozioökonomischer Status gehört zu den stärksten Determinanten von Morbidität und Mortalität auch bei nicht übertragbaren Erkrankungen wie Krebs. Viele der im Kapitel diskutierten Risiken kumulieren in schlechter gestellten sozialen Gruppen. Insbesondere für Lungen- und Magenkrebsmorbidität scheinen Zusammenhänge zwischen niedrigem Sozialstatus und erhöhtem Risiko zu bestehen (Sommer et al. 2015). Neuere Analysen aus Deutschland (Hoebel et al. 2018) nutzen einen regionalen Deprivationsindex und bestätigen einen sozioökonomischen Gradienten für eine Reihe von Tumorerkrankungen.
Krebserkrankungen und Sozialstatus in Deutschland (eigene Darstellung, orientiert an Hoebel et al. 2018)
Krebserkrankungen, die mit niedrigem Sozialstatus assoziiert sind:
  • Lungenkrebs (Männer)
  • Magenkrebs
  • Krebs der Mundhöhle, Speiseröhre (Männer)
  • Nierenkrebs
  • Blasenkrebs
  • Gebärmutterhalskrebs
Krebserkrankungen, die mit höherem Sozialstatus assoziiert sind:
Allerdings ist die Evidenz für viele häufige Krebsarten in Bezug auf soziale Risikofaktoren insgesamt spärlich, und auch für Zusammenhänge zwischen wichtigen Krebsrisikofaktoren und dem sozioökonomischen Status gibt es kaum systematische Übersichtsarbeiten.
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