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Onkologische Rehabilitation

Verfasst von: Oliver Rick
In den letzten 20 Jahren hat sich die inhaltliche Ausrichtung der onkologischen Rehabilitation fundamental geändert. Während früher die Rehabilitation mehr durch passive Maßnahmen gekennzeichnet war und als kurzfristige Erholungsmaßnahme von Patienten als auch von Ärzten wahrgenommen wurde, ist sie heute durch überwiegend aktive Bestandteile, Beratungen und Schulungen dominiert. Sie stellt heute einen wesentlichen Baustein in der Therapie von Krebspatienten dar und ist in unserem Gesundheitsversorgungssystem und im Sozialgesetzbuch fest verankert. Aufgrund der zahlreichen Veränderungen in der akutmedizinischen Behandlung unterliegt auch die Rehabilitation einer erheblichen Weiterentwicklung und muss sich den neuen Anforderungen stellen. Sie stellt die dritte Säule neben der stationären und ambulanten Akutmedizin dar und sollte als Startschuss für Cancer Survivorship und damit für die Langzeitbetreuung von Krebspatienten gesehen werden. Durch die sich nach der abgeschlossenen oder unterbrochenen Krebstherapie anschließenden onkologischen Rehabilitation werden die Patienten intensiv darauf vorbereitet, in ihrem weiteren Leben besser zurechtzukommen, Langzeitfolgen zu erkennen und ggf. langfristig eigenständig zu behandeln. Dadurch soll mittel- und langfristig wieder eine weitgehend normale Teilhabe am Sozial- und ggf. Erwerbsleben erreicht werden. Da eine therapeutische Maßnahme von 3 Wochen niemals den Anspruch erheben kann, alle Langzeitfolgen zu beseitigen, steht die onkologische Rehabilitation heute unter dem Begriff einer multiprofessionellen und interdisziplinären praktischen und theoretischen Schulungsmaßnahme. Der Patient soll in die Lage versetzt werden, das erworbene Know-how zu Hause weiter umzusetzen („Nachhaltigkeit der Rehabilitation“), um sich dadurch weitgehend selbst helfen zu können („Hilfe zur Selbsthilfe“). Insbesondere in Ermangelung an tragfähigen ambulanten Strukturen in der Behandlung von Langzeitfolgen stellt dieses Konzept einen wichtigen Baustein der Rekonvaleszenz bei und nach Krebs dar.

Einleitung

In den letzten 20 Jahren hat sich die inhaltliche Ausrichtung der onkologischen Rehabilitation fundamental geändert. Während früher die Rehabilitation mehr durch passive Maßnahmen gekennzeichnet war und als kurzfristige Erholungsmaßnahme von Patienten als auch von Ärzten wahrgenommen wurde, ist sie heute durch überwiegend aktive Bestandteile, Beratungen und Schulungen dominiert. Sie stellt heute einen wesentlichen Baustein in der Therapie von Krebspatienten dar und ist in unserem Gesundheitsversorgungssystem und im Sozialgesetzbuch fest verankert (Rehabilitations-Richtlinie 2016). Aufgrund der zahlreichen Veränderungen in der akutmedizinischen Behandlung unterliegt auch die Rehabilitation einer erheblichen Weiterentwicklung und muss sich den neuen Anforderungen stellen. Sie stellt die dritte Säule neben der stationären und ambulanten Akutmedizin dar und sollte als Startschuss für Cancer Survivorship und damit für die Langzeitbetreuung von Krebspatienten gesehen werden. Durch die sich nach der abgeschlossenen oder unterbrochenen Krebstherapie anschließenden onkologischen Rehabilitation werden die Patienten intensiv darauf vorbereitet, in ihrem weiteren Leben besser zurechtzukommen, Langzeitfolgen zu erkennen und ggf. langfristig eigenständig zu behandeln. Dadurch soll mittel- und langfristig wieder eine weitgehend normale Teilhabe am Sozial- und ggf. Erwerbsleben erreicht werden. Da eine therapeutische Maßnahme von 3 Wochen niemals den Anspruch erheben kann, alle Langzeitfolgen zu beseitigen, steht die onkologische Rehabilitation heute unter dem Begriff einer multiprofessionellen und interdisziplinären praktischen und theoretischen Schulungsmaßnahme (Rick 2016; Reuss-Borst und Wentrock 2013; Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation 2005; European Society for Medical Oncology 2014). Der Patient soll in die Lage versetzt werden, das erworbene Know-how zu Hause weiter umzusetzen („Nachhaltigkeit der Rehabilitation“), um sich dadurch weitgehend selbst helfen zu können („Hilfe zur Selbsthilfe“). Insbesondere in Ermangelung an tragfähigen ambulanten Strukturen in der Behandlung von Langzeitfolgen stellt dieses Konzept einen wichtigen Baustein der Rekonvaleszenz bei und nach Krebs dar.

Rehabilitative Therapie

Der therapeutische Ansatz von onkologischer Rehabilitation ergibt sich aus den Langzeitfolgen der Krebserkrankung und der Antitumortherapie. Er beinhaltet konkret
  • das sichere Erlernen von eigentherapeutischen Verfahren bei somatischen Störungen,
  • die Aneignung von Bewältigungs- und Kompensationsstrategien bei psychischen Störungen und
  • die Veränderung von ungünstigen Lebensweisen.
Dafür sind physische als auch psychische Ressourcen des Patienten unabdingbar, damit diese nicht nur praktisch umgesetzt, sondern auch mental nachvollzogen werden können. Wenn nur eine der beiden Komponenten zu stark eingeschränkt ist, wird die onkologische Rehabilitation ihr Ziel weitgehend verfehlen. Darüber hinaus spielen aber auch weitere Faktoren eine wichtige Rolle. Insbesondere die Anforderungen im Alltagsleben, die individuellen Lebensumstände und die Bedingungen am Arbeitsplatz sowie die Angebote von sozialen Sicherungssystemen sind hier zu nennen (Rick et al. 2017; Rick 2017).
In Deutschland wird die onkologische Rehabilitation überwiegend im stationären Sektor für durchschnittlich 3 Wochen erbracht. Dies hat ausschließlich historische Gründe und stellt ein sehr kurzes Zeitintervall für die Behandlung von Langzeitfolgen dar. Nur durch ein zielgerichtetes, personalisiertes und kontinuierliches praktisches Training sowie durch optimale theoretische Schulungen kann der Patient auch innerhalb von 3 Wochen Schritt für Schritt die für ihn wichtigen Aspekte erlernen, um sie dann im häuslichen Umfeld eigenständig weiter fort- und umzusetzen. Dies betrifft beispielsweise
  • die Verbesserung von körperlichen Aktivitäten durch Sport und Bewegung,
  • die Eigenbehandlung von Funktionsstörungen im Bereich der Gelenke, der Atmung, der Kontinenz und
  • die eigenständige Stomaversorgung.
Darüber hinaus kann ein gesünderes Ernährungsverhalten geschult sowie die optimale Nahrungsaufnahme, z. B. nach Magen-, Pankreas- oder Speiseröhrenoperationen, erlernt werden. Ebenso können therapeutische Interventionen gegen die zytostatikainduzierte Polyneuropathie oder die kognitive Dysfunktionen vom Patienten sicher erlernt werden (Schmielau et al. 2017). Des Weiteren können psychische Leiden wie reaktive Depressionen und Ängste, Schlafstörungen oder Rezidivangst durch ein psychoonkologisches Beratungsangebot und das Erlernen von Verhaltensübungen, Entspannungsverfahren oder Achtsamkeitsübungen positiv beeinflusst und erste Schritte in diese Richtung unternommen werden. Die Überleitung in eine ambulante, langfristige psychoonkologische und verhaltenstherapeutisch ausgerichtete Psychotherapie wird dadurch erheblich erleichtert (Riedl et al. 2017). Darüber hinaus sind Maßnahmen zur Integration in das Erwerbs- sowie das Sozialleben, z. B. in Form einer stufenweisen Wiedereingliederung, Leistungen zur Teilhabe am Erwerbsleben oder die Beratung und Verordnung von Hilfsmitteln wichtige Elemente der onkologischen Rehabilitation (Rick 2016). In keiner anderen medizinischen Institution ist die Kompetenz zu den Hilfsmöglichkeiten nach SGB V (Leistungen der Krankenkassen), SGB VI (Leistungen der Rentenversicherungsträger) und SGB XI (allgemeine Leistungen zur Rehabilitation) so umfangreich wie in einer Rehabilitationsklinik.

Evidenz in der onkologischen Rehabilitation

Dass es durch die Maßnahmen der onkologischen Rehabilitation positive Effekte zu verzeichnen gibt, hat eine internationale Cochrane-Analyse ergeben (Scott et al. 2013). David Scott und Kollegen analysierten dafür alle zugänglichen medizinischen Datenbanken nach multidimensionalen Rehabilitationsprogrammen bei erwachsenen Krebspatienten. Ihre Kriterien erfüllten 12 randomisierte, klinische Studien, die trotz aller Heterogenität als Instrument zur Erhebung der physischen und psychischen Gesundheit den SF-36-Fragebogen verwendet hatten. Sowohl in physischer als auch in mentaler Hinsicht ergab sich in der Analyse ein Vorteil für die Intervention im Vergleich zu einer Kontrollgruppe (Scott et al. 2013). In einer weiteren Metaanalyse konnte gezeigt werden, dass körperliche Aktivität sowohl auf die Fatigue-Symptomatik als auch auf Depression und Schlafstörungen einen signifikanten Effekt hat (Tomlinson et al. 2014).
Daten zur überwiegend stationären onkologischen Rehabilitation aus dem deutschsprachigen Raum liegen leider nur in sehr begrenztem Maße vor und zeigen erste positive Effekte. In einer kontrollierten Kohortenstudie aus der Schweiz mit insgesamt 245 Patienten konnten statistisch signifikante Vorteile für die stationäre onkologische Rehabilitation gefunden werden im Gegensatz zu keiner Maßnahme bzw. einer reinen Beratung bezüglich ambulanter Angebote (Ture et al. 2017). Diese positiven Effekte lassen sich vornehmlich in Bezug auf die allgemeine Lebensqualität, die körperliche Aktivität, Angst und Depression sowie die Krankheitsverarbeitung feststellen (Ture et al. 2017; Haaf 2005; Klocker et al. 2018).
Eine weitere Studie zeigte im Hinblick auf die körperliche Aktivität und den Trainingszustand Verbesserungen. Auch 8 Monate nach Ende der onkologischen Rehabilitation war dieser Effekt noch nachweisbar (Reuss-Borst 2013). Zudem konnte in einer kleinen, randomisierten Studie gezeigt werden, dass ein intensiviertes Intervalltraining bei Frauen mit Brustkrebs einen signifikanten positiven Effekt auf die Lebensqualität und die Wiedereingliederung ins Erwerbsleben hat. Darüber hinaus wurde durch intensiviertes Intervalltraining die Fatigue-Symptomatik gemildert (Schmitt et al. 2016).
In einer jüngsten Studie, die ein Intervalltraining von jeweils 1 Woche nach 4 und 8 Monaten nach der Rehabilitation prüfte, fand eine signifikante Verbesserung der metabolischen Rate und des metabolischen Äquivalent (MET/h) im Vergleich zu einer Kontrollgruppe. Die Verbesserung war auch nach 2 Jahren noch nachweisbar (Baumann et al. 2017).
In einer schon älteren randomisierten Studie wurde untersucht, wie sich onkologische Rehabilitation auf die physische, emotionale, kognitive und Rollenfunktion auswirkt. Analysiert wurde auch, wie sich die globale Lebensqualität und die Zukunftsperspektiven durch onkologische Rehabilitation verändern. Insbesondere im Hinblick auf die emotionale Funktion und die Lebensqualität konnten hier signifikante positive Effekte verzeichnet werden (Weis et al. 1999).

Fazit

Die onkologische Rehabilitation stellt in Deutschland einen festen Bestandteil bei der Behandlung von Menschen mit Krebs dar. Dies findet seinen Niederschlag in der Berücksichtigung der Rehabilitation in den S3-Leitlinien und im Rahmen der Zertifizierungen der onkologischen Zentren. Ihre größte Wirksamkeit entfaltet die onkologische Rehabilitation im zeitnahen Anschluss an die abgeschlossene akutmedizinische Behandlung oder als Intervalltherapie während einer Therapiepause bei palliativen medikamentösen Behandlungsansätzen (sog. Anschlussrehabilitation, AHB). Rehabilitation ist in der Lage, dem Patienten Möglichkeiten zu eröffnen, wie er Folgestörungen nach Krebserkrankungen und Antitumortherapie langfristig und nachhaltig eigenständig behandeln und kompensieren kann. Dies führt zu einem besseren eigenständigen Handeln, erhöht dadurch die Chance auf eine Verbesserung der Lebensqualität, Minderung von Morbidität und einer Optimierung von Teilhabe am Sozial- und Erwerbsleben. Trotz der besser werdenden Evidenzlage hinsichtlich der Wirksamkeit einer stationären onkologischen Rehabilitation sind randomisierte Studien dringend erforderlich, um die Effektivität dieser aus unserer Sicht wertvollen Maßnahme weiter abzusichern und um kontinuierlich moderne Rehabilitationskonzepte zu entwickeln.
Literatur
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