Diagnostik
Das
Zervixkarzinom ist das häufigste Malignom in der Schwangerschaft. Noch häufiger sind die präinvasiven Läsionen, die endemisch auftreten. 2–5 % aller Schwangeren weisen im Verlauf einer Schwangerschaft einen auffälligen zytologischen
Abstrich auf. In den Schwangerschaftsvorsorgerichtlinien ist die Durchführung eines
zytologischen Abstrichs im Rahmen der Erstvorstellung vorgesehen. Bei einem auffälligen Abstrich, d. h. einen Abstrich der Klassifikation PAP IIID-1, IIID-2 und IVa, sollte eine differenzierte Kolposkopie und gegebenenfalls eine kolposkopisch gesteuerte Biopsie erfolgen.
Eine weitergehende invasive Diagnostik oder der Versuch einer lokalen Sanierung in Form einer Konisation oder Loop-Exzision sind bei PAP IIID-1 oder IIID-2 oder bei histologisch gesicherter CIN (cervikale intraepitheliale Neoplasie) Grad 2 und 3 in der Schwangerschaft absolut kontraindiziert.
Bei klinischem Verdacht auf das Vorliegen eines invasiven
Zervixkarzinoms soll als erste Maßnahme eine histologische Sicherung im Rahmen einer
Probeexzision erfolgen. Bei der anschließenden
histopathologischen Aufarbeitung müssen die folgenden Parameter vom Pathologen definiert und begutachtet werden:
Anhand dieser Parameter kann definiert werden, ob es sich um ein
„einfaches“ Zervixkarzinom handelt oder ob eine
besondere Risikosituation vorliegt. Bei Vorliegen von mindestens 3 Risikofaktoren (L, V, PN+, Grading G3) besteht ein
Hochrisikokarzinom.
Nach histologischer Sicherung und differenzierter pathologischer Aufarbeitung sollte bei einem
Zervixkarzinom in graviditate
ein
Staging erfolgen. Dies erfolgte in der Regel durch eine vaginale Ultraschalluntersuchung oder, falls der Tumor sonografisch nicht exakt darstellbar ist, durch eine Kernspintomografie des Beckens.
Anhand der Befunde aus Pathologie und Staging wird festgelegt, ob es sich um ein frühes oder ein fortgeschrittenes Zervixkarzinom handelt, weiterhin, ob ein Hochrisikokarzinom vorliegt.
Nach der vorliegenden Literatur ist durch eine Fortführung der Schwangerschaft keine Verschlechterung der Prognose zu erwarten.
Auch durch einen verzögerten Therapiebeginn ab dem dritten Trimester wird die Überlebenswahrscheinlichkeit nicht verschlechtert.
Abbruch der Schwangerschaft
Falls die Schwangere nach entsprechend umfangreicher Aufklärung und entsprechender Zeit einen Abbruch der Schwangerschaft wünscht, erfolgt die Festlegung der weiteren Therapie entsprechend der derzeit gültigen S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Zervixkarzinoms“.
Bei einem
„einfachen“ Zervixkarzinom, d. h. fehlendem Nachweis der oben angegebenen pathologisch definierten Risikofaktoren, sollte
-
bis zur 12. SSW eine radikale Hysterektomie mit dem Fetus in utero durchgeführt werden,
-
ab der 12. SSW die Uterotomie oder Sectio parva mit Entwicklung des Kindes und anschließender radikaler Hysterektomie in gleicher Sitzung.
Bei Vorliegen eines
Hochrisikokarzinoms ist eine operative Therapie kontraindiziert. Es muss in diesem Fall eine primäre Radiochemotherapie erfolgen.
Vor Beginn der
Radiochemotherapie sollte die Schwangerschaft beendet werden, da spätestens ein Monat nach Beginn der Bestrahlung im Regelfall mit einem Spontanabort des Feten zu rechnen ist. Dies wäre mit den erheblichen onkologischen Risiken einer Spontangeburt bei vorliegendem
Zervixkarzinom verbunden, insbesondere mit einer eventuellen Ausbreitung des Karzinoms im Bereich der Scheide und des Damms. Ein weiterer Nachteil ist, dass damit eine Neuberechnung des Bestrahlungsfelds erforderlich ist.
Der
Schwangerschaftsabbruch bei Vorliegen eines
Zervixkarzinoms in graviditate kann
bis zur 12. SSW und einem klinischen
Stadium <IB1 vaginal nach entsprechender Vorbereitung der Zervix mittels Misoprostol erfolgen.
Ab der 12. SSW oder einem
Tumorstadium ≥IB1 sollte eine Laparotomie mit Uterotomie oder Sectio parva mit Entwicklung des Kindes erfolgen, um eine Zervixdilatation und eine Ausbreitung des Karzinoms über die Scheide und den Damm zu vermeiden. Es sollte grundsätzlich bei Vorliegen eines
Zervixkarzinoms in graviditate jenseits der 12. SSW eine
Spontangeburt vermieden werden, da durch eine Spontangeburt das
Risiko einer lymphovaskulären Ausbreitung erhöht wird und das Risiko der Tumorzellaussaat im Bereich von eventuellen Geburtsverletzungen von Scheide und Damm besteht. Weiterhin ist bekanntermaßen bei Vorliegen eines Zervixkarzinoms das Blutungsrisiko deutlich erhöht.
Fortsetzung der Schwangerschaft
Falls eine Austragung der Schwangerschaft gewünscht wird, ist zunächst die Durchführung einer laparoskopischen pelvinen Lymphonodektomie erforderlich. Diese kann bis zur 22. SSW laparoskopisch erfolgen. Nach den vorliegenden Daten hat dies keinen negativen Einfluss auf den weiteren Verlauf der Schwangerschaft.
Ab der 22. SSW sollte aufgrund des erhöhten operativen Risikos keine Lymphonodektomie
mehr durchgeführt werden. Falls nach klinischem Eindruck oder bildgebender Diagnostik ein kleines
Zervixkarzinom vorliegt, das organerhaltend komplett entfernt werden kann, sollte eine
Konisation in graviditate erfolgen. Der optimale Operationszeitpunkt ist die 12.–20. SSW, ab der 20. SSW sollte von jeder operativen Intervention am Uterus Abstand genommen werden. Nach präoperativer klinischer und bildgebender Stadieneinteilung erfolgt dann die Festlegung der onkologischen Therapie.
Bei
Wunsch nach Austragen der Schwangerschaft erfolgt die stadienadaptierte onkologische Therapie entsprechend der aktuell gültigen
S3-Leitlinien (4) wie folgt:
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Stadium IA1 und Stadium IA2, L0, V0
Bis zur 14. SSW Durchführung einer Konisation, sofern klinisch und kolposkopisch eine Komplettresektion möglich erscheint. Ab der 14. SSW bei histologisch gesichertem
Zervixkarzinom kolposkopische Kontrollen alle 4–8 Wochen. Beginn der onkologischen Therapie 6 Wochen postpartal. Bei durch Konisation gesichertem Stadium IA1 und IA2 ohne weitere Risikofaktoren besteht keine medizinische Indikation zum
Schwangerschaftsabbruch. Die Durchführung einer Konisation in graviditate ist mit einem erhöhten Blutungsrisiko von 5 % und einem Abortrisiko von bis 25 % verbunden. Die Frühgeburtlichkeit steigt durch diese Maßnahme auf bis zu 12 % an. Eine radikale Trachelektomie
ist aufgrund des hohen Komplikationsrisikos und einer Fehlgeburtsrate von bis zu 32 % in der Schwangerschaft kontraindiziert (5).
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Stadium IA mit Risikofaktoren und Stadium IB1 <2 cm
In diesen Fällen sollte als erster Schritt zur Definition des Risikos bis zur 22. SSW eine laparoskopische Staging-Lymphonodektomie erfolgen. Falls keine Lymphknoten befallen sind, besteht die Möglichkeit einer einfachen Trachelektomie oder Konisation, da auf die Resektion der Parametrien verzichtet werden sollte. Nach der 22. SSW ist ein abwartendes Verhalten mit engmaschiger klinischer und bildgebender Kontrolle oder die Durchführung einer neoadjuvanten Chemotherapie sinnvoll. Nach Induktion der Lungenreife sollte dann aber in der 28.–32. SSW., spätestens in der 34. SSW, die Entbindung per Sectio mit gleichzeitiger radikaler Hysterektomie Piver II-III und pelviner Lymphonodektomie erfolgen.
-
Stadium IB >2 cm, II, III und IV
Ab der ca. 32.–34. SSW sollte nach Induktion der Lungenreife mit den Pädiatern eine vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft diskutiert werden, anschließend die entsprechende onkologisch definierte Operation oder Radiochemotherapie.
Bis zur 22. SSW sollte als erster Schritt eine laparoskopische pelvine Lymphonodektomie erfolgen. Bei fehlendem Nachweis von Lymphknotenmetastasen und histopathologisch definierter Non-Hochrisikosituation ist lediglich eine weitere klinische Überwachung indiziert. Eine Entbindung sollte nach der 28. –32. SSW, spätestens in der 34. SSW in Absprache mit den Pädiatern per Sectio erfolgen. In gleicher Sitzung, wenn möglich, die Durchführung einer radikalen Hysterektomie (Piver II oder III) und, falls noch nicht erfolgt, mit pelviner Lymphonodektomie.
Bei einem im Rahmen der Staging-Laparoskopie in gravididate histologisch nachgewiesenem Befall der pelvinen Lymphknoten und/oder histopathologisch definierter Hochrisikosituation bestehen 2
therapeutische Optionen:
Bei bildgebend
dokumentiertem Ansprechen einer neoadjuvanten Chemotherapie soll, wiederum in Absprache mit den Pädiatern, in der 28.–32. SSW, spätestens in der 34. SSW, die
Entbindung per Sectio erfolgen, in gleicher Sitzung dann ebenfalls die Durchführung einer
radikalen Hysterektomie (Piver II oder III) und, wenn noch nicht erfolgt, der
pelvinen Lymphonodektomie.
Bei bildgebend oder klinisch dokumentiertem Progress der Erkrankung im Verlauf einer neoadjuvanten Chemotherapie muss diese sofort beendet und eine erneute Diskussion über einen eventuellen Abbruch der Schwangerschaft geführt werden.
Es liegen einige Studien mit allerdings kleineren Fallzahlen zur
neoadjuvanten Chemotherapie in graviditate bei
Zervixkarzinom vor. Nach den vorliegenden Daten ist durch eine neoadjuvante Chemotherapie im Regelfall eine Prolongation der Schwangerschaft ohne Verschlechterung der Prognose möglich. Es werden durch eine Reduktion der Tumorgröße und eine Reduktion der Inzidenz von Lymphknotenmetastasen die Operabilität und in einigen Studien auch das Überleben verbessert (6). Allerdings liegen bislang keine Daten prospektiver Studien vor.
Ab der ca. 32.–34. SSW sollte nach Induktion der Lungenreife mit den Pädiatern eine vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft diskutiert werden mit anschließender onkologisch definierter Operation oder Radiochemotherapie.
Entbindungsmodus bei präinvasiven und invasiven Veränderungen der Zervix
Auch bei höhergradigen präinvasiven Läsionen, z. B. zervikaler intraepithelialer Neoplasie Grad 3, ist grundsätzlich eine vaginale Entbindung möglich. Bei mikroinvasiven Karzinomen (Stadium IAa1) ist eine Spontangeburt nur dann möglich, falls durch vorherige Konisation die Resektion des Karzinoms in sano dokumentiert wurde. In allen anderen Fällen sollte die Entbindung per Sectio erfolgen.