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Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik
Info
Verfasst von:
G. F. Hoffmann, C.-D. Langhans und A. Schulze
Publiziert am: 17.01.2018

3-Hydroxyisovaleriansäure

3-Hydroxyisovaleriansäure
Synonym(e)
3-Hydroxy-3-Methylbuttersäure; 3-HIVA
Englischer Begriff
3-hydroxyisovaleric acid
Definition
Die verzweigtkettige Hydroxycarbonsäure staut sich bei Defekten im Stoffwechsel der verzweigtkettigen Aminosäure Leucin an.
Struktur
C5H10O3; Strukturformel:
Molmasse
118,13 g.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Verschiedene Enzymdefekte im Katabolismus der verzweigtkettigen Aminosäure Leucin, die sich in unterschiedlichen klinischen Erscheinungsformen darstellen, führen zur pathologisch vermehrten Bildung von 3-Hydroxyisovaleriansäure:
  • Im Fall der pathologischen Akkumulation von Isovaleryl-CoA, einem Intermediat im Stoffwechsel der Aminosäure Leucin, bei einem Defekt der Isovaleryl-CoA-Dehydrogenase werden durch alternative Reaktionswege (Isovalerianazidurie) anormale Metabolite gebildet, unter anderem durch (ω-1)-Oxidation die 3-Hydroxyisovaleriansäure.
  • Nach Anreicherung von 3-Methylcrotonyl-CoA infolge eines 3-Methylcrotonyl-CoA-Carboxylasedefekts (3-Methylcrotonylglyzinurie) oder von Defekten der beiden darauffolgenden Enzyme wird 3-Hydroxyisovaleriansäure durch die Wirkung einer Crotonase mit nachfolgender Hydrolyse des CoA-Esters gebildet.
  • Bei Funktionsstörungen im Biotinstoffwechsel (Biotinidase- oder Holocarboxylase-Synthetasemangel) kommt es durch eine verringerte Carboxylasenaktivität zur Akkumulation von 3-Methylcrotonyl-CoA (s. o.).
Die 3-Hydroxyisovaleriansäure verteilt sich in allen Körperflüssigkeiten. Sie wird effizient renal ausgeschieden.
Funktion – Pathophysiologie
Die 3-Hydroxyisovaleriansäure ist ein Intermediärmetabolit im Abbau von Leucin und hat keine bekannte physiologische Funktion. Erhöhte Konzentrationen hemmen den mitochondrialen Energiestoffwechsel (Laktatazidose, Hyperammonämie) und die Entwicklung granulopoetischer Stammzellen (Panzytopenie).
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Urin, in Ausnahmefällen Liquor oder Plasma.
Analytik
  • Durch Flüssig-Flüssig-Extraktion im sauren Medium mittels Ethylacetat oder Diethylether
  • Mittels Gaschromatografie-Massenspektrometrie (GC-MS) als Trimethylsilylester-Trimethylsilylether
Retentionsindex RI: 1214
M+(m/z): 262
Quant Ion (m/z): 205
Conf. Ion (m/z): 131
Internationale Einheit
μmol/L (Plasma, Liquor).
Referenzbereich – Kinder
0–16 mmol/mol Kreatinin
Pathologischer Bereich:
  • Isovalerianazidämie: 110–2000 mmol/mol Kreatinin
  • Isolierter 3-Methylcrotonyl-CoA-Carboxylasemangel: 96–8850 mmol/mol Kreatinin
  • 3-Methylglutaconazidurie Typ I: 47–3840 mmol/mol Kreatinin
  • 3-Hydroxy-3-Methylglutarazidurie: 60–9600 mmol/mol Kreatinin
  • Biotinstoffwechseldefekte: 50–500 mmol/mol Kreatinin
  • Glutarazidurie Typ 2: 50–500 mmol/mol Kreatinin
Indikation
Unerklärte Ketoazidosen, vor allem im Säuglings- und Kleinkindesalter, Hypoglykämie oder Hyperammonämie, Gedeihstörung, progrediente psychomotorische Retardierung.
Interpretation
Erhöhte Ausscheidungen von 3-Hydroxyisovaleriansäure im Urin werden bei Leucinabbaudefekten sowie bei Biotinstoffwechselerkrankungen gefunden. Eine Differenzierung ist möglich durch die Konstellation weiterer pathologischer Metabolite:
  • Bei einer Isovalerianazidurie infolge eines Defekts der Isovaleryl-CoA-Dehydogenase werden neben 3-Hydroxyisovaleriansäure auch Isovaleriansäure und v. a. Isovalerylglyzin erhöht gefunden.
  • Bei einer 3-Methylcrotonylglyzinurie infolge eines Defekts der 3-Methylcrotonyl-CoA-Carboxylase (MCC) wird 3-Methylcrotonylglyzin als weiterer Metabolit nachgewiesen.
  • Bei der 3-Methylglutaconazidurie Typ I infolge eines Defekts der 3-Methylglutaconyl-CoA-Hydratase werden neben 3-Hydroxyisovaleriansäure 3-Methylglutaconsäure und 3-Methylglutarsäure ausgeschieden.
  • Bei der 3-Hydroxy-3-Methylglutarazidurie infolge eines Defekts der 3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-CoA-Lyase werden neben 3-Hydroxyisovaleriansäure, 3-Methylglutaconsäure und 3-Methylglutarsäure und besonders die 3-Hydroxy-3-Methylglutarsäure vermehrt gebildet. Des Weiteren lässt sich 3-Methylcrotonylglyzin im Urin nachweisen.
Im Fall eines Biotinidase- oder Holocarboxylase-Synthetasemangels werden zusätzlich zu Derivaten des 3-Methyl-Crotonyl-CoAs vermehrt Laktat und Derivate des Propionyl-CoAs gebildet.
Diagnostische Wertigkeit
Erhöhte Konzentrationen von 3-Hydroxyisovaleriansäure sind obligat als pathologisch zu werten und Ausdruck einer monogenen Leucin- bzw. Biotinstoffwechselstörung.
Die weitere Differenzierung erfordert Kenntnisse über die o. g. weiteren Metabolite bzw. die enzymatische oder molekularbiologische Bestätigungsdiagnostik.
Literatur
Blau N, Duran M, Gibson KM, Dionisi-Vici C (Hrsg) (2014) Physician’s guide to the diagnosis, treatment, and follow-up of inherited metabolic diseases. Springer, Berlin/Heidelberg