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Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik
Info
Verfasst von:
W. G. Guder
Publiziert am: 28.12.2017

Albumin im Urin

Englischer Begriff
albuminuria; albumin in urine
Definition
Vom Erstbeschreiber Cotugno (1736–1822) als „albam massam tenerrimo iam coacto ovi albumine persimilem“ („Dichte weiße Substanz wie das Eiweiß eines gekochten Eis“) im erhitzten Urin eines Patienten beschrieben, wurde der Name Albuminurie (Eiweiß) zum Leitsymptom von Nierenerkrankungen. Nach der Identifizierung des Hauptproteins im Urin als das Plasmaprotein Albumin gilt die Albuminurie als Marker gesteigerter glomerulärer Proteinfiltration. Liegt die Konzentration unterhalb der Nachweisgrenze konventioneller Teststreifen (ca. 200 mg/L) spricht man (sprachlich falsch) von „Mikroalbuminurie“.
Molmasse
66 kDa.
Funktion – Pathophysiologie
Albumin wird bei einer Plasmakonzentration von ca. 50 g/L entsprechend seiner Molmasse glomerulär nur in Spuren filtriert, sodass im Primärfiltrat ca. 10 mg/L erscheinen. Dies würde bei einer Filtrationsrate von 100 mL/min 1,44 g Albumin pro Tag bedeuten. Diese werden zu über 99 % im proximalen Tubulus resorbiert. Die verbleibenden 10 mg/24 h bilden nach Passage des distalen Nephrons und der ableitenden Harnwege gemeinsam mit geringen Beimengungen aus postrenaler Sekretion die normale Ausscheidungsrate von <30 mg/Tag. Eine Erhöhung der Albuminausscheidung kann durch Steigerung der glomerulären Filtration (glomeruläre Proteinurie, bis >5 g/Tag), Reduktion der tubulären Rückresorption (tubuläre Proteinurie, bis ca. 1,5 g/Tag) und durch postrenale Blutung und Sekretion (postrenale Proteinurie mit Hämaturie) verursacht sein. Eine Differenzierung ist allein durch Bestimmung von Albumin im Urin nicht möglich (Proteinuriediagnostik).
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Zum qualitativen Nachweis von Albumin im Urin dient erster oder zweiter Morgenurin, der als Mittelstrahlurin gewonnen wird. Zur Quantifizierung dient traditionell der 24-Stunden-Sammelurin als Untersuchungsmaterial. Dies kann ohne Informationsverlust durch Spontanurin am Vormittag (zweiter Morgenurin) ersetzt werden, wenn die Albuminkonzentration auf Kreatinin als Maß der Harndichte bezogen wird.
Probenstabilität
Albumin ist im Urin bei Raumtemperatur >7 Tage, im Kühlschrank (2–8 °C) über einen Monat und eingefroren 6 Monate stabil.
Präanalytik
Für die Probengewinnung ist dem Patienten ein breithalsiges Gefäß auszuhändigen, aus dem eine Probe von 5–10 mL in ein Urinröhrchen umgegossen werden kann, ohne dass der Urin kontaminiert wird. Beide Gefäße sind darauf zu prüfen, ob sie Albumin binden. Nach Eintreffen der Probe im Labor wird die Urinprobe wie bei der Vorbereitung von Harnsediment zentrifugiert und Albumin in dem Überstand quantifiziert.
Analytik
Albumin im Urin wird mit traditionellen Teststreifen erfasst, die auf dem Prinzip des Proteinfehlers eines Indikators beruhen. Mit Hilfe eines Puffers werden Schwankungen des Urin-pH weitgehend ausgeglichen. Dieses Prinzip wurde mit einer Nachweisgrenze von ca. 90–300 mg/L Albumin eingestellt. Neuere Teststreifen für einen Nachweis von Albumin haben eine Nachweisgrenze von 20 mg/L.
Zur Quantifizierung von Albumin im Urin sind nephelometrische und turbidimetrische Verfahren auf der Basis des immunchemischen Verfahrens anzuwenden, die ab einer Konzentration von 10 mg/L die Qualitätsstandards erfüllen sollten. Die im Plasma verwendeten kolorimetrischen Verfahren mit der Bromkresolgrünmethode oder Biuretmethode sind dafür nicht geeignet.
Neuerdings wurde mit HPLC eine immunologisch nicht erfassbare Subfraktion von Albumin im Urin nachgewiesen, die durch limitierte Proteolyse entsteht und deren Peptidfragmente durch nichtkovalente Peptidkettenbindungen und durch Disulfidbrücken verbunden sind.
Konventionelle Einheit
mg/L, mg/24 h, mg/g Kreatinin, μg/min.
Internationale Einheit
mg/L, mg/mmol Kreatinin.
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit
mg/g Kreatinin × 0,11 = mg/mmol Kreatinin
mg/mmol Kreatinin × 8,85 = mg/g Kreatinin
Referenzbereich – Erwachsene
<20 mg/L bei Männern, <30 mg/L bei Frauen
<20 mg/g Kreatinin, <2,26 mg/mmol Kreatinin bei Männern, <3,4 mmol/g Kreatinin bei Frauen
<30 mg/24 h
Referenzbereich – Kinder
<20 mg/L
<20 mg/g Kreatinin, <2,26 mg/mmol Kreatinin
<30 mg/24 h
Indikation
Teststreifen-Untersuchung auf Albumin/Protein gehört zum allgemeinen Screening. Bei Risikopatienten (z. B. Diabetes mellitus, Hypertoniker) sollte zum Ausschluss einer Mikroalbuminurie ein sensitiver Teststreifen verwendet werden, der Albuminurien ab 20 mg/L nachweisen kann.
Eine Quantifizierung ist bei jedem positiven Teststreifenergebnis indiziert. Zur Differenzierung eines positiven Proteinteststreifens gemeinsam mit einem tubulären Marker(Proteinuriediagnostik) und anderen Teststreifenuntersuchungen (Blut, Leukozyten, Nitrit) und ggf. Harnsediment.
Interpretation
Jede nachgewiesene Erhöhung von Albumin im Urin ist als Leitsymptom einer Nierenfunktionsstörung zu sehen und auf seine Ursache abzuklären.
„Mikroalbuminurie“ liegt vor bei Albumin im Urin 20–200 mg/L oder 20–300 mg/g Kreatinin (2,26–3,4 mg/mmol Kreatinin) (Männer) oder 30–300 mg/L (Frauen). Diese ist als frühes Leitsymptom einer diabetischen Nephropathie Stadium 1a, aber auch einer beginnenden Nephrosklerose und anderer glomerulärer Erkrankungen bekannt. Diese Ursachen sind zu unterscheiden von tubulären und postrenalen Formen der Mikroalbuminurie (Proteinuriediagnostik).
Eine Albuminurie >300 mg/24 h oder mg/g Kreatinin wurde als „Makroalbuminurie“ bezeichnet. Sie zeichnet das Stadium 1b–3 der diabetischen Nephropathie aus, ist aber auch Leitsymptom aller Glomerulonephritiden.
Ab einer Albuminurie von 3 g/24 h liegt eine nephrotische Proteinurie vor, die mit ihren Leitsymptomen Hypoalbuminämie, Hyperlipoproteinämie und Ödemen das nephrotische Syndrom charakterisiert.
Bei postrenaler Blutung kommt es ebenfalls zur begleitenden Albuminurie im Rahmen der postrenalen Proteinurie, die im Bereich der „Mikro-“, aber auch der „Makroalbuminurie“ liegen kann. Dies ist durch Analyse der Ursache der Hämaturie zu unterscheiden.
Diagnostische Wertigkeit
Nachdem die Proteinurie als Leitsymptom und Ursache des Nierenversagens erkannt wurde, ist der Nachweis einer Albuminurie das wichtigste Frühsymptom vieler Nierenerkrankungen. Sie stellt neben ihrer diagnostischen Bedeutung auch eine Indikation für präventive Maßnahmen zum Schutz der Niere dar (z. B. Behandlung mit ACE-Hemmern).
Die nicht immunreaktive Albuminsubfraktion kann möglicherweise Bedeutung für die Frühdiagnose der diabetischen Nephropathie erlangen.
Literatur
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Schena FP (1994) Domenico Cotugno and his interest in proteinuria. Am J Nephrol 14:325–329CrossRefPubMed