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Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik
Info
Verfasst von:
A. M. Gressner und O. A. Gressner
Publiziert am: 29.08.2017

Albumin

Albumin
Englischer Begriff
albumin
Definition
Mit einem Anteil von ca. 60 % ist Albumin das quantitativ bedeutsamste Plasmaprotein hepatozellulären Ursprungs, dessen Hauptfunktionen in der Aufrechterhaltung des onkotischen Drucks und im Transport einer Vielzahl nicht polarer Komponenten wie Hormone, Elektrolyte und Xenobiotika bestehen.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Albumin ist mit einer Konzentration von 40–52 g/L das quantitativ wichtigste Plasmaprotein, das ca. 60 % der Plasmaproteinmenge ausmacht. Strukturell ist es ein unglykosyliertes Polypeptid von ca. 600 Aminosäuren mit der Molmasse von 66,2 kDa und einem isoelektrischen Punkt (pI) zwischen 4,0–5,8. Es ist ein „klassisches“ Sekretionsprotein der Leberzellen (Hepatozyten). Die Synthese läuft über die Vorstufen des Prä- und Proalbumins an membrangebundenen Polysomen mit einer täglichen Syntheserate von ca. 14 g bzw. 120–200 mg/kg KG/Tag (Abb. 1). Nach Sekretion in den Intravasalraum erfolgt mit einer Äquilibrierungszeit von 1–2 Tagen eine Verteilung in den interstitiellen Flüssigkeitsraum. Von dem Gesamtkörperalbuminpool mit 320 g befinden sich ca. 40 % (entspricht 140 g) im Intravasalraum, 60 % (entspricht 180 g) im interstitiellen Kompartiment. Die Halbwertszeit in der Zirkulation beträgt ca. 20 Tage, der Katabolismus erfolgt mit einer konstanten prozentualen Abbaurate von ca. 10 % des Plasmaalbumingehalts (ca. 14 g/Tag), was der täglichen Syntheserate entspricht. Somit wird bei Zuständen der Albuminerniedrigung absolut weniger Albumin katabolisiert als im Normalzustand. Am Katabolismus sind vorwiegend Leber, Milz, Niere, Gastrointestinaltrakt und Muskel beteiligt.
Es sind mehr als 20 genetische Varianten des Albumins bekannt, die nicht mit Krankheitszuständen assoziiert sind.
Albumin erfüllt 2 Hauptfunktionen:
  • Aufrechterhaltung des onkotischen (kolloidosmotischen) Druckes (Kolloidosmotischer Druck), der im Plasma zu 80 % vom Albumin bestimmt wird, was somit bedeutsam die Wasserverteilung zwischen Intra- und Extravasalraum reguliert. Gleichzeitig bestimmt der onkotische Druck die Albuminsynthese der Leber: Ein Abfall erhöht die Albuminsynthese.
  • Transportfunktionen. Beim Blut-pH von 7,4 liegt Albumin als Anion mit mehr als 200 negativen Ladungen/Molekül vor, was die Bindung und den Transport von Substanzen mit geringer Wasserlöslichkeit und nicht polarer Struktur (z. B. freie Fettsäuren, Gallensäuren, Bilirubin), Elektrolyten (ca. 45 % des Plasmakalziums sind an Albumin gebunden), Spurenelementen (Kupfer, Zink u. a.), Hormonen (Tri- und Tetraiodthyronin, Kortisol, Aldosteron u. a.), Medikamenten (Penicilline, Sulfonamide, Salizylate u. a.) und körpereigenen Abbauprodukten (z. B. Hämatin mit Bildung von Methämalbumin) ermöglicht.
Funktion – Pathophysiologie
Pathologische Verminderungen der Albuminkonzentration im Plasma haben folgende Auswirkungen:
  • Erniedrigung des onkotischen Drucks mit Wasserverlust in den interstitiellen Raum, dadurch Ödembildung.
  • Veränderung der Transportfunktionen mit Einfluss auf den Verteilungsquotient freier und gebundener Hormone (z. B. Triiodthyronin) und Elektrolyte (z. B. Kalzium).
  • Veränderte Pharmakokinetik von Medikamenten.
Ursachen der Albuminverminderung im Plasma:
  • Hepatozelluläre Syntheseinsuffizienz: aufgrund einer Verminderung des funktionellen Leberparenchyms bei schwerer akuter Hepatitis, toxischen Schädigungen und Leberzirrhose oder reduziertem Angebot von Proteinen bzw. essenziellen Aminosäuren bei Malnutrition (Marasmus), Maldigestion, Malabsorption oder extremer Fehlernährung.
  • Sekretionsstörung in den Intravasalraum bei Verlegung physiologischer Sekretionswege, z. B. Ablagerung von Bindegewebe in der zirrhotischen Leber mit Ausbildung einer subendothelialen Basalmembran.
  • Verteilungsstörung zwischen Intra- und Extravasalraum bei (z. B. entzündlicher) Erhöhung der Kapillarpermeabilität, Abnahme des onkotischen Drucks oder erhöhter transkapillärer Filtrationsrate (z. B. bei venösen Stauungen).
  • Generelle Proteinverlustsyndrome wie bei exsudativen Enteropathien, nephrotischem Syndrom, Verbrennungen, großflächigen (Haut-)Entzündungen. Verluste führen zur Hypalbuminämie, wenn die große Reservekapazität der Leber (etwa das 5-Fache der normalen Syntheserate) erschöpft ist.
  • Akute-Phase-Reaktion bei Entzündungen, da Albumin ein negativer Reaktant der Akute-Phase-Reaktion ist und somit bei akuten Entzündungen und Stress-Reaktionen vermindert synthetisiert wird.
  • Hyperhydratation (Hydrämie) Überwässerung (z. B. bei Infusionstherapie) führt durch Volumenzunahme zur Verdünnung makromolekularer Serumkomponenten, so auch des Albumins.
  • Kongenitale Analbuminämie (idiopathische Hypalbuminämie).
  • Sehr seltene, autosomal rezessiv vererbte komplette oder partielle Unfähigkeit zur Albuminsynthese, von der bisher 35 Fälle berichtet sind. Es wurden bisher 7 verschiedene ursächliche Mutationen des Albumingens beschrieben. Albuminkonzentration im Serum ist hochgradig erniedrigt (zwischen 0,01–1000 mg/L), wird teilweise kompensiert durch erhöhte Konzentrationen anderer Plasmaproteine (Gesamtproteinkonzentration 45–57 g/L). Schwere klinische Symptome, wie z. B. ausgeprägte Ödeme und veränderte Pharmakokinetik, fehlen trotz Reduktion des onkotischen Druckes auf etwa 50 % (mäßige Ödembildung).
Alloalbumine
Genetische, durch Punktmutationen erzeugte Varianten des Albumins mit veränderten elektrophoretischen Mobilitäten, Stabilitäten und Transporteigenschaften gegenüber niedermolekularen Substanzen ohne klinische Wertigkeit. Nachweisbar durch Elektrophorese bei alkalischem pH und isoelektrische Fokussierung. Nicht genetische (erworbene) Pseudoalloalbumine sind durch exzessive Beladung des Albumins mit Metaboliten (z. B. Bilirubin) oder Medikamenten (z. B. Penicillin) möglich.
Bisalbuminämie
Genetische oder erworbene Varianten des Albumins mit erhöhter oder verminderter anodischer Mobilität, die zur Doppelgipfligkeit des Albumins in der Celluloseacetatfolien-Elektrophorese (pH 8,6) führt (vgl. nachfolgende Abb.). Keine Krankheitswertigkeit.
Albumin und Albuminvarianten:
Unterschieden werden 2 Formen der Bisalbuminämie:
  • Kongenitale Bisalbuminämie: autosomal dominant vererbte, elektrophoretisch schnell wandernde Variante des Albumins
  • Transiente (erworbene) Pseudo-Bisalbuminämie
Durch exzessive Bindung von Penicillin (parenterale hoch dosierte Penicillintherapie), Bilirubin (schwerer Ikterus) oder Harnstoff an Albumin auftretende, reversible Zunahme der anodischen Mobilität (schnell wandernde Variante) einer Fraktion des Albumin. Keine pathophysiologische Bedeutung. Weitere Ursachen mit Auftreten der langsam wandernden Variante: IgG-Albumin-Komplex, extreme α1-Antitrypsinämie, Bence-Jones-Paraproteinämie.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Serum, Plasma, Urin, Liquor, Punktionsflüssigkeiten.
Probenstabilität
Analytstabilität: bei 4 °C bis zu 72 Stunden, bei −20 °C für ca. 6 Monate, bei −70 °C unbeschränkt.
Präanalytik
Lipämiefreies Serum oder Plasma.
Analytik
  • Farbstoffbindungsmethoden (Bromkresolgrünmethode): Albumin ist bei pH 4,2 ausreichend kationisch, um den anionischen Farbstoff Bromkresolgrün schnell und spezifisch zu binden, wobei sich das Absorptionsmaximum des gebundenen gegenüber dem ungebundenen Farbstoff verschiebt. Nach Abzug des Probenleerwertes ist die 30 Sekunden nach Zugabe des Farbstoffs gemessene Absorption bei 632 nm der Albuminkonzentration in einem Bereich zwischen 10–60 g/L linear proportional. Methode ist empfindlich, einfach, billig und relativ spezifisch für Albumin, wenn innerhalb des kurzen Intervalls gemessen wird. Die Unpräzision liegt mit einem VK zwischen 3–4 %. Bilirubin und Hämoglobin interferieren nicht.
  • Indirekte, semiquantitative Methode: Ermittlung der gesamten Proteinkonzentration und des relativen Albuminanteils mittels Elektrophorese, daraus Kalkulation der absoluten Albuminkonzentration.
Referenzbereich – Erwachsene
Serum: 40–52 g/L; bei Orthostase ca. 3 g/L höhere Konzentration als beim Liegenden infolge Hämokonzentration.
Urin: <20 mg/L (<30 mg/Tag) (Albumin im Urin).
Liquor: 0,11–0,35 g/L (QAlbumin).
Referenzbereich – Kinder
Neugeborene (0–4 Tage): Serum: 28–44 g/L.
Indikation
  • Verlaufskontrolle schwerer akuter und chronischer Lebererkrankungen
  • Verlaufskontrolle von Proteinverlustsyndromen
  • Verlaufskontrolle bei Mangel-, insbesondere Proteinmangelernährung
  • Kontrolle des Hydratationszustands bei parenteraler Flüssigkeitstherapie (Infusionen)
  • Kontrolle einer parenteralen Albuminsubstitutionstherapie
  • Abschätzung des kolloidosmotischen (onkotischen) Drucks (Kolloidosmotischer Druck)
Interpretation
Erhöhungen der Albumin-Konzentration im Serum sind relativ aufgrund von Dehydratationszuständen (Exsikkose) bedingt (vgl. Tab.), dabei gleichzeitiger Anstieg des Hämatokrits. Eine Hyperalbuminämie aufgrund einer Überproduktion wird nicht beobachtet. Erniedrigungen können relativ bedingt sein durch Hypervolämie (Hyperhydratation) oder absolut aufgrund von Albuminverlustsyndromen, Syntheseinsuffizienz, Malabsorption (sehr selten), Malnutrition, kongenitaler Analbuminämie (extrem selten). Die lange Halbwertszeit von 20 Tagen macht Albumin zu einem unempfindlichen, träge reagierenden Parameter der Leberzellsyntheseleistung und des (Protein-)Ernährungszustandes. Hierfür eignen sich kurzlebigeres Präalbumin (Transthyretin) und Retinol-bindendes Protein. Die nicht enzymatisch glykosylierte (glykierte) Variante des Albumins (Albumin, glykiertes) dient zur mittelfristigen Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus.
Erhöhung der Albuminkonzentration und Tagesausscheidung im Urin (Albuminurie) sind ein Zeichen einer glomerulär bedingten Proteinurie. Im Liquor treten erhöhte Konzentrationen bei Störung der Blut-Hirn-Schranke (Meningitis, Encephalitis), Hirn- und Rückenmarkstumoren, Polyradikulitis u. a. sowie bei Durchblutungsstörungen des Hirns auf. Zur Beurteilung der Schrankenfunktion eignet sich der Serum-Liquor-Quotient des Albumins besser als die alleinige Albuminbestimmung im Liquor. Bei o. g. Erkrankungen ist dieser Quotient erniedrigt.
Die folgende Tabelle zeigt die klinische Bewertung erniedrigter und erhöhter Albuminkonzentrationen im Serum.
Hypoalbuminämie (<40 g/L)
Hyperalbuminämie (>52 g/L)
Hyperhydratation (Hydrämie)
• Infusionstherapie
• Schwangerschaft
Proteinverlustsyndrome
• Exsudative Enteropathie
• Exsudative Hauterkrankungen (Verbrennungen, Dermatitiden)
• Starke Blutungen
Lebererkrankungen
• Akute Hepatitiden
• Toxische Leberschädigungen
• Zirrhose
• Amyloidose
Mangelernährung (Proteine, Aminosäuren)
• Kwashiorkor (kindliche Entwicklungsstörung)
• Marasmus
Malabsorption
Akute und chronische Entzündungen
Infektionen
Ausgedehnte maligne Tumoren
Analbuminämie (kongenital, extrem selten)
Dehydratationszustände (Exsikkose)
• Emesis
• Polyurie
• Diarrhoe
Rekonvaleszenz nach akuten Hepatitiden
Diagnostische Wertigkeit
Bei den genannten klinischen Fragestellungen ist Albumin ein wichtiger, einfach bestimmbarer, aussagekräftiger Parameter.
Literatur
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Doumas BT, Peters T Jr (1997) Serum and urine albumin: a progress report on their measurement and clinical significance. Clin Chim Acta 258:3–20CrossRefPubMed
Quinlan GJ, Martin GS, Evans TW (2005) Albumin: biochemical properties and therapeutic potential. Hepatology 41:1211–1219CrossRefPubMed