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Aminopyrinatemtest

Verfasst von: A. M. Gressner und O. A. Gressner
Aminopyrinatemtest
Synonym(e)
AAT
Englischer Begriff
aminopyrine breath test
Definition
Nicht invasiver, quantitativer Leberfunktionstest zur Bestimmung der mikrosomalen Metabolisierungskapazität, die bei verschiedenen Lebererkrankungen frühzeitig vermindert ist, aber auch unter Einfluss induzierender Substrate bzw. Medikamente (z. B. Antikonvulsiva, Alkohol) erhöht sein kann.
Durchführung
Bisher gibt es keine standardisierte Testdurchführung. Üblicherweise wird dem nüchternen Patienten eine Spurendosis von [14C]-Aminopyrin (1–2 μCi) oder 2 mg/kg Körpermasse [13C]-Aminopyrin in 200 mL Tee oral verabreicht und die Atemluft für 2–24 Stunden (üblicherweise 2 Stunden) in ein mit Hyamin-Ethanol gefülltes, Indikatorfarbstoff enthaltendes Szintillationsgefäß geblasen, in dem die Radioaktivität bzw. 13CO2 gemessen und die Menge des CO2 zur Bestimmung der spezifischen 14CO2-Radioaktivität titriert wird. Die kumulative Exhalation während der 2(–24)-Stunden-Periode wird berechnet durch Multiplikation der spezifischen Aktivität mit der endogenen CO2-Bildungsrate von 9 mmol/kg/Stunde und angegeben in Prozent der applizierten Dosis. Die Strahlenbelastung (0,5–2,5 mrem) und das Risiko einer Agranulozytose sind gering.
Halbwertszeit
Ca. 11 ± 3 Stunden.
Funktion – Pathophysiologie
Oral verabreichtes, in den N-Methylgruppen [14C]- oder [13C]-markiertes Aminopyrin (4,4-Dimethyl-14C- oder -13C-Aminoantipyrin) wird nach rascher Resorption ausschließlich im endoplasmatischen Retikulum der Leber (Hepatozyten) durch eine N-Demethylase (ein Mitglied des mikrosomalen oxidierenden Cytochrom-P450-Enzymsystems) demethyliert, wobei zunächst isotopmarkierter Formaldehyd entsteht, der weiter zu Formiat und dann zu [14C]O2 bzw. [13C]O2 metabolisiert wird, das in der Exspirationsluft gemessen wird. Die Menge des exhalierten 14CO2 bzw. 13CO2 reflektiert die Metabolisierungsrate des Aminopyrins und korreliert gut mit der Aminopyrinclearance im Blut. In nachfolgender Abbildung ist der Reaktionsablauf schematisch dargestellt.
Hypo- und Hyperaktivität (Induktion) der Mikrosomen lassen sich an reduzierter bzw. vermehrter 14CO2- oder 13CO2-Exhalation erkennen. Da die Oxidationsrate von Formiat zu CO2 der geschwindigkeitsbestimmende Stoffwechselschritt ist und von Folsäure-abhängigen Enzymaktivitäten katalysiert wird, wirken sich Folsäure- und Vitamin B12-Mangelzustände inhibierend und der Redoxstatus der Hepatozyten (z. B. Glutathion) modulierend auf das Testergebnis aus.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Exspirationsluft.
Präanalytik
Patient sollte 12 Stunden nüchtern sein.
Analytik
Messung des isotopmarkierten CO2.
Referenzbereich – Erwachsene
Nicht allgemein gültig, da abhängig von der Testvariante. Richtwerte: 4,4–9,6 % der applizierten Dosis.
Referenzbereich – Kinder
s. Erwachsene.
Indikation
Diagnose und Verlaufskontrolle der Leberzellinsuffizienz und Prognosebeurteilung akuter und chronischer Lebererkrankungen.
Interpretation
AAT ist ein sensitiver Parameter der Leberzellfunktion, speziell des mikrosomalen Biotransformationssystems und bei den in der folgenden Tabelle, die die klinische Bedeutung des Aminopyrinatemtests zeigt, genannten Lebererkrankungen, nicht jedoch bei unkomplizierter Cholestase, vermindert.
Aminopyrinatemtest erniedrigt
Aminopyrinatemtest erhöht
Lebererkrankungen
• Fettleber
• Chronische und akute Hepatitis
• (Akoholische) Zirrhose
• Lebertumoren
• Toxische Leberschäden
• Portocavaler Shunt (Umgehungskreislauf)
Nicht hepatisch bedingte Hypoaktivität des Biotransformationssystems
• Genetisch
• Nutritiv (z. B. Protein-, Vitamin-B12- und Folsäuremangel)
• Pharmakologisch
• Früh- und Neugeborene
Substrat- und Medikamenteninduktion
• Phenylhydantoin
• Aminopyrin
• Rifampicin
• Alkohol (ohne Zirrhose)
• Tabakrauch
Diagnostische Wertigkeit.
Die diagnostische Sensitivität (Sensitivität, diagnostische) ist der der Gallensäuren im Serum vergleichbar. Der Test erlaubt die Abschätzung des Schweregrads, jedoch keine Aussage über die zugrunde liegende Lebererkrankung. Mikrosomeninduktion durch Antikonvulsiva, orale Kontrazeptiva, Allopurinol, Cimetidin, Rifampicin und Alkohol führen zu erhöhtem AAT und können somit organbedingte Einschränkungen teilweise kompensieren (falsch normale Ergebnisse z. B. bei alkoholischer Fettleber und Frühformen alkoholischer Zirrhosen). AAT ist deutlich vermindert bei portokavalem Shunt. In einer Frequenz von 1:10.000 bis 1:40.000 kann eine durch Aminopyrin ausgelöste Agranulozytose auftreten, was der Verbreitung des Tests entgegensteht.
Literatur
Merkel C, Bolognesi M, Bellon S et al (1992) Aminopyrine breath test in the prognostic evaluation of patients with cirrhosis. Gut 33:836–842CrossRefPubMedPubMedCentral