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Arsen

Verfasst von: D. Meißner und T. Arndt
Arsen
Englischer Begriff
arsenic
Definition
Arsen (chemisches Symbol: As) ist ein Element der Stickstoffgruppe mit der Ordnungszahl 33. Es gehört zu den für den Menschen nicht essenziellen, in vielen Verbindungen toxisch wirkenden Ultraspurenelemente.
Struktur
Arsen tritt in den Oxidationsstufen −3 bis +5 auf, freie Kationen sind nicht vorhanden. In den Körper gelangt Arsen in Form anorganischer (verbunden mit Wasserstoff, Sauerstoff, Schwefel) und organischer (verbunden mit Alkyl- oder Arylresten) Arsenverbindungen. Anorganische Arsenverbindungen sind Sulfide wie Auripigment (As2S3) und Realgar (As4S4) oder Sulfiderze, z. B. Arsennickelkies (Ni[AsS]) und Glanzkobalt (Co[AsS]) bzw. Oxide wie Arsenik (As2O3) und Arsensäure (H3AsO4). Zu den organischen Arsenverbindungen zählen Arsenocholin- und Arsenobetain, Monomethylarson- und Dimethylarsinsäure (MMAA, DMAA) (Abb. 1).
Molmasse
Relative Atommasse: 74,9216.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Die Aufnahme von Arsen erfolgt hauptsächlich über Nahrungsmittel und Getränke. So können z. B. marine Einzeller sowie essbare Algen Arsen in Form von Arsenozuckern und Arsenolipiden 1000-fach im Vergleich zum umgebenden Wasser anreichern und so hohe Arsenmengen in die menschliche Nahrungskette eintragen. Die Aufnahme von Arsen über Inhalation und die Haut spielt eine untergeordnete Rolle. Die tolerierbare Aufnahme pro Tag beträgt 0,1 μg Arsen/kg Körpermasse.
Die Resorptionsrate ist stark von der Art der Verbindung abhängig und kann bis zu 90 % betragen. Die Verteilung über das Blut erfolgt rasch in Leber, Nieren und Lunge. Die Langzeitspeicherung erfolgt vorwiegend in Haaren, Nägeln, Zähnen, Knochen und Haut. In Knochen wird Arsen hauptsächlich als As(V), in den anderen Organen und Geweben als As(III) gespeichert.
Anorganische Arsenverbindungen werden zunächst in der Leber größtenteils zu Monomethylarson- und Dimethylarsinsäure methyliert und anschließend renal eliminiert, wobei die individuelle Methylierungskapazität von Alter, Geschlecht und Arsenexposition sowie dem Glutathion-S-Transferase-Genotyp abhängig ist.
Die Ausscheidung verläuft in 3 Phasen über die Nieren und ist von der Art der Arsenverbindung abhängig. Über Fisch und Meeresfrüchte aufgenommene organische Arsenverbindungen wie Monomethylarson- und Dimethylarsinsäure, Trimethylarsenoxid und Arsenobetain werden mit Eliminationshalbwertzeiten von ca. 20 Stunden innerhalb von 2–3 Tagen über die Niere ausgeschieden. In Algen enthaltene Arsenzucker haben eine etwas längere Eliminationshalbwertszeit. Im Urin liegen 10–20 % As(III) und As(V), 15–25 % Monomethylarson- und 30–60 % Dimethylarsinsäure vor. Bei starker Intoxikation wird ein Teil des Arsens über die Galle eliminiert.
Arsen passiert die Plazentaschranke.
Halbwertszeit
Wegen der dreiphasigen Ausscheidungskinetik werden 3 Halbwertszeiten von 2 Tagen (66 %), 9 Tagen (30 %) und 38 Tagen (4 %) angenommen. Bei Arsenverbindungen marinen Ursprungs liegt die Halbwertszeit bei 20 Stunden.
Funktion – Pathophysiologie
Beim Menschen konnte bisher keine physiologische Funktion von Arsen nachgewiesen werden. Dagegen wurden bei mehreren Tierspezies Wachstums- und Funktionseinschränkungen beobachtet, wenn arsendefizitäres Futter verabreicht wurde. Von klinischer Bedeutung sind Vergiftungen durch Arsenverbindungen.
Anorganische Arsenverbindungen haben oral und inhalativ eine hohe akute und chronische Toxizität. Sie betrifft faktisch alle Organsysteme wie Haut, Lunge, Leber, Niere, das Immun-, Nerven-, Hämatopoese-, Hämostase- und Reproduktionssystem. As(III) ist ca. 60-fach toxischer als As(V). Organische Arsenverbindungen gelten als gering toxisch, sie besitzen jedoch eine zell- und DNA-schädigende Wirkung. Toxizität von Arsenverbindungen: AsH3 > As(III) > As(V) > Organoarsen.
Expositionsquellen sind Wasser, Boden und Luft in Gebieten mit hoher Belastung (Bangladesh, Taiwan, Mongolei u. a.), Präparate für die Landwirtschaft (Tierproduktion, Baumwolle, Weinbau), Holzschutzmittel, früher auch Farben und Arzneimittel.
Akute Intoxikationen, die meist kriminelle oder suizidale Hintergründe haben, sind heute selten. Es kommt zu schweren Schädigungen der meisten Organe, zu hämatologischen, neurologischen und kardiovaskulären Komplikationen und zu Hautveränderungen. Die letale Dosis liegt für Erwachsene bei 70–180 mg Arsenik.
Chronische Intoxikationen äußern sich an der Haut durch Hyperpigmentierung und Hyperkeratosen sowie in Nerven- und Gefäßerkrankungen. Arsenverbindungen wirken darüber hinaus kanzerogen. Die Behandlung der As-Vergiftung erfolgt mit Chelatbildnern wie Dimercaprol (syn. British Anti-Lewesite-BAL) oder DMPS bzw. mit Dialyse.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Blut, Serum, Urin, Haare, Nägel.
Probenstabilität
Vollblut, Serum, Plasma: 20 °C 7 Tage, 4–8 °C 14 Tage, −20 °C 1 Jahr. Urin: 20 °C 3 Tage, 4–8 °C 7 Tage, −20 °C 1 Jahr. Gewebe: −20 °C 6 Monate.
Präanalytik
Vor der Blutabnahme und Urinsammlung drei Tage lang keinen Fisch und keine Meeresfrüchte. Empfohlen wird 24-h-Sammelurin oder Morgenurin. Hohe Kontaminationsgefahr durch Wasser, Reagenzien und Geräte. Spurenelementfreie Abnahmegeräte und Sammel- bzw. Transportgefäße verwenden. Matrixeinflüsse können erheblich sein, deshalb ist Mineralisation der Probe oder Reduktion zu AsH3 nötig.
Analytik
Flammenatomabsorptionsspektrometrie, Hydrid-AAS, elektrochemische Methoden, ICP-MS („inductively coupled plasma mass spectrometry“, Massenspektrometrie), Neutronenaktivierungsanalyse, Speziationsanalyse im Urin mittels Hochleistungs-Flüssigkeitschromatografie/Hydrid-AAS.
Konventionelle Einheit
μg/L, μg/d, μg/g Kreatinin, μg/g.
Internationale Einheit
nmol/L, nmol/d, nmol/g Kreatinin, μmol/kg.
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit
nmol/L (d,g) = 13,347 × μg/L (d,g), μg/L (d,g) = 0,074922 × nmol/L (d,g).
Referenzbereich – Erwachsene
Blut <12 μg/L, Urin <15 μg/L, Haare <0,5 μg/g, Nägel <1,2 μg/g (Schroeder und Arndt 2015).
Referenzbereich – Kinder
<15 μg/L Urin (Schroeder und Arndt 2015), s. Erwachsene (altersabhängige Daten fehlen).
Indikation
Akute Intoxikation: Blut, Serum; chronische Intoxikation: Urin, Haare, Nägel.
Interpretation
Die Interpretation der gemessenen Arsenkonzentrationen ist abhängig von individuellen Faktoren (Geschlecht, Alter), dem Lebensstil (Ernährung) und regional bedingten Aspekten (Luft, Wasser, Böden). Hierbei muss eine geringfügige Überschreitung des Referenzbereiches nicht automatisch eine Gefahr für die Gesundheit darstellen, zeigt jedoch, dass die untersuchte Person stärker als die Vergleichsgruppe gegenüber Arsen exponiert ist. Trotzdem gilt für Arsen ein Minimierungsgebot. Bei erhöhten Arsenwerten wird eine Kontrolluntersuchung empfohlen (Probenahme frühestens 3, besser 5–6 Tage nach dem letzten Fisch- bzw. Meeresfrüchtekonsum). Bei Werten >50 μg/L Blut, >60 μg/L Urin oder >2 μg/g Haare wurden klinische Symptome beobachtet. Ggf. muss anschließend nach der Arsenquelle, wie bspw. Nahrungs- und Genussmitteln, arsenhaltigen Erdböden oder Medikamenten, gesucht und diese beseitigt werden. Eine begleitende (labordiagnostische) Überwachung potenziell betroffener Organsysteme ist indiziert.
  • BLW-Wert (Urin): <50 μg/L Urin anorganisches Arsen und methylierte Metabolite (BAT-Liste in DFG 2017)
  • BAR-Wert (Urin): <0,5 μg/L As(III), <0,5 μg/L As(V), <2,0 μg/L Monomethylarsonsäure (MMAA), <10 μg/L Dimethylarsinsäure (DMAA) (BAT-Liste in DFG 2017)
  • PTWI-Wert: 15 μg As/kg KG
  • Grenzwert im Trinkwasser: 10 μg As/L (Trinkwasser-VO 2016)
Zu den aktuellen Expositionsäquivalenten krebserzeugender Stoffe (EKA-Werte) s. aktuelle MAK- und BAT-Werte-Liste (DFG 2017).
Diagnostische Wertigkeit
Da die einzelnen Arsenspezies sich in ihrer toxikologischen und kanzerogenen Wirkung unterscheiden, ist eine Speziationsanalyse im Urin zu empfehlen.
Literatur
DFG (2017) Ständige Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe. . Mitteilung 53. MAK- und BAT-Liste 2017. Wiley-VCH, Weinheim
Kommission „Human-Biomonitoring“ des Umweltbundesamtes (2003) Stoffmonographie Arsen – Referenzwert für Urin. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 46:1098–1106CrossRef
Schroeder C, Arndt T (2015) Problematik, Klinik und Beispiele der Spurenelementvergiftung – Arsen. Toxichem Krimtech 82:327–339
Trinkwasser-VO (2016) Trinkwasserverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.03.2016. https://​www.​gesetze-im-internet.​de/​bundesrecht/​trinkwv_​2001/​gesamt.​pdf. Zugegriffen am 20.11.2017