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Autoantikörper bei bullösen Autoimmundermatosen

Verfasst von: W. Stöcker
Synonym(e)
Englischer Begriff
autoimmune blistering disease-associated autoantibodies
Funktion – Pathophysiologie
Die bullösen Autoimmundermatosen werden in 3 Hauptgruppen unterteilt, dabei orientiert man sich an den Etagen der Cutis, in denen sich die Blasen manifestieren – entsprechend der histologischen Verteilung der Zielantigene, gegen die sich die assoziierten Autoantikörper richten. Darüber hinaus gehört als vierte Gruppe der paraneoplastische Pemphigus zur Differenzialdiagnostik:
1.
Pemphigus-Erkrankungen – Blasenbildung durch Akantholyse, intraepidermal
Ziel der Autoimmunität sind hier vor allem die calciumabhängigen Adhäsionsmoleküle (Cadherine) Desmoglein 1 und 3 (Dsg1 und Dsg3) der Stachelzell-Desmosomen – sie verbinden die Keratinozyten untereinander. Dsg1 ist an der Oberfläche sowohl der Epidermis wie auch der Mukosa stärker exprimiert als im Bereich des Stratum basale. Bei Dsg3 ist es umgekehrt, darüber hinaus dominiert Dsg3 in der ganzen Breite des Mukosaepithels, bei der Epidermis befindet sich Dsg3 dagegen nur in der Nähe der Basalzellen.
Pemphigus foliaceus ist mit Autoantikörpern gegen Dsg1 assoziiert, folglich sind nur oberflächliche Epidermis-Schichten befallen, die Schleimhäute bleiben unversehrt, da die Mukosa genügend (von der Autoimmunreaktion nicht betroffenes) Dsg3 besitzt. Der Spalt bildet sich im Stratumgranulosum, es entstehen dünne, schlaffe Blasen. Die Inzidenz wird auf 0,1 Fälle pro 100.000 Personen im Jahr geschätzt. Beim Pemphigus vulgaris dominiert die Immunität gegen Dsg3. Die Krankheit manifestiert sich in zwei Varianten: Liegen ausschließlich Autoantikörper gegen Dsg3 vor, dann sind in erster Linie die Schleimhäute betroffen, in der Epidermis finden die Zellen durch das nicht beeinträchtigte Dsg1 noch ausreichend Halt. Entwickelt der Patient aber zusätzlich auch Autoantikörper gegen Dsg1, dann wird neben der Mukosa auch die Epidermis erfasst. Im Vergleich zu Pemphigus foliaceus spielt sich die Akantholyse in den tieferen Epidermisschichten ab, die Blasen sind geringfügig fester. Die Inzidenz des Pemphigus vulgaris liegt bei 0,7–1,6 Fällen pro 100.000 Personen im Jahr. Der IgA-Pemphigus weist Autoantikörper der Immunglobulinklasse IgA (Autoantikörper gegen IgA) auf – Zielantigene Dsg1 oder Dsg3 und Desmocollin 1.
 
2.
Pemphigoid-Erkrankungen – Blasenbildung subepidermal, in Höhe der Basalmembran
Die Autoantikörper richten sich gegen die Hemidesmosomen, ein komplexes Netzwerk aus Strukturproteinen, die das Stratum basale mit der Basalmembran verbinden. Infolge der Autoimmunreaktionen verlieren die basalen Keratinozyten ihren Kontakt zur Basalmembran und die gesamte Epidermis hebt sich ab – die Blasen sind daher (im Gegensatz zu Pemphigus vulgaris oder foliaceus) prall gefüllt und straff. Die wichtigsten Vertreter dieser Gruppe sind:
  • Bullöses Pemphigoid – Zielantigene: BP180 (in erster Linie das Epitop NC16A, in einigen Fällen auch die lösliche Ektodomäne LAD-1) und BP230. Die Inzidenz liegt bei 1,3–4,3 Erkrankungen pro 100.000 Personen und Jahr. Die Krankheit kommt häufiger vor als allgemein vermutet, daher sollten bei jedem älteren Patienten mit länger bestehenden juckenden Hautveränderungen Antikörper gegen BP180 NC16A untersucht werden.
  • Pemphigoid gestationis (frühere Bezeichnung: Herpes gestationis) – Zielantigene: ebenfalls BP180 (Epitop NC16A) und BP230. Die Angaben zur Inzidenz schwanken: 1 Fall kommt auf 3000–10.000 Schwangerschaften.
  • Vernarbendes Schleimhautpemphigoid – Zielantigene 70 % BP180 (vorwiegend lösliche Ektodomäne LAD-1), 30 % Laminin 332 (nur von diesen weist ein Viertel der Patienten ein solides Malignom auf: Lunge, Colon, Mamma, Cervix; Nachweis: Immunblot auf der Basis eines Extrakts der extrazellulären Matrix kultivierter Keratinozyten oder eines rekombinanten Antigens). Großes Potenzial dieses Parameters auch in der Ophthalmologie! Dieselbe Symptomatik bei Patienten mit genetisch verändertem Laminin 332.
  • Anti-p200-Pemphigoid – Zielantigen: Laminin-γ-1 (Antikörpernachweis durch Immunblot).
  • Lineare IgA-Dermatose – Zielantigene: LAD-1 und BP230.
  • Lichen planus pemphigoides – Zielantigene: BP180 und BP230.
  • Epidermolysis bullosa acquisita – Zielantigen: Kollagen VII (Ankerfibrillen, Epitop NC1).
 
3.
Dermatitis herpetiformis Duhring (DHD) – Blasenbildung dermal
Wegweisend sind hier Antikörper gegen Gliadin (genauer: Zöliakie-assoziierte Antikörper gegen deamidierte Gliadin-Fragmente) und Autoantikörper gegen epidermale Transglutaminase bzw. Autoantikörper gegen Gewebstransglutaminase (überholte Bezeichnung: Endomysium).
DHD nimmt eine Sonderstellung unter den bullösen Autoimmundermatosen ein, da die Blasenbildung in tieferen Hautschichten stattfindet. DHD ist die kutane Manifestation der Zöliakie (Sprue, Glutenunverträglichkeit), bei jedem Patienten mit DHD kann eine Sprue nachgewiesen werden (aber man findet nicht bei jeder Sprue eine DHD). Eine lebenslange glutenfreie Diät ist der Grundpfeiler einer Therapie dieser Erkrankung.
 
4.
Beim paraneoplastischen Pemphigus liegt neben der schweren Hauterkrankung ein okkulter oder manifester Tumor vor, meistens eine hämatologische Neoplasie (Non-Hodgkin-Lymphom, Lymphatische Leukämie, Castleman-Tumor), er kann assoziiert sein mit Autoantikörpern gegen verschiedene desmosomale und hemidesmosomale Proteine, Dsg1, Dsg3, Desmoplakin 1 und 2, BP230, Envoplakin, Periplakin, Plektin, und den Protease-Inhibitor Alpha-2-macroglobulin-like-1 (p170).
 
Untersuchungsmaterial
Probenstabilität
Autoantikörper sind bei +4 °C bis zu 2 Wochen, bei −20 °C über Monate und Jahre hinweg beständig.
Analytik
Nachweis in-vivo-gebundener Autoantikörper durch direkte Immunfluoreszenz an befallener Haut oder Mukosa. Bestimmung der Serumantikörper durch indirekte Immunfluoreszenz (Immunfluoreszenz, indirekte) unter Verwendung von Epidermis, Mundschleimhaut, Zunge oder Ösophagus, für die paraneoplastischen Antikörper auch Harnblase (das Urothel exprimiert zusätzlich zu Dsg1 und Dsg3 auch Desmoplakine). Primatengewebe ist grundsätzlich besser geeignet als Gewebe von Nagetieren (höhere Empfindlichkeit und Spezifität) (Abb. 1).
Die gegen die epidermale Basalmembran gerichteten Autoantikörper können durch den Einsatz von Spalthaut in der indirekten Immunfluoreszenz teilweise differenziert werden: Mit dem Blasendach reagieren Antikörper gegen BP180 und BP230, mit dem Blasenboden Antikörper gegen LAD-1 (vorwiegend), Laminin 332, Lamininγ1 (p200) und Kollagen VII (Abb. 2).
Zunehmend setzen sich auch in der Immunfluoreszenz rekombinante Substrate mit transfizierten humanen Zellen durch, die authentische Autoantigene exprimieren: Die Immunfluoreszenzreaktionen lassen sich leichter interpretieren und Störeinflüsse durch überlagernde Antikörper werden minimiert, des Weiteren können die verschiedenen Autoantikörper unmittelbar identifiziert werden.
Man setzt parallel drei Verdünnungen an, 1:10, 1:100 und 1:1000, um sowohl niedrig-titrige Antikörper zu erfassen, als auch solche, die sich erst ab einer höheren Verdünnung zeigen. Das spielt besonders bei den Autoantikörpern gegen epidermale Basalmembran eine Rolle.
Normalerweise werden Autoantikörper gegen Desmosomen und gegen epidermale Basalmembran parallel untersucht, mit den gleichen Substraten (es kommt häufig vor, dass mit der Analyse nur einer der beiden Parameter beauftragt wird, aber das Ergebnis für den anderen, nicht angeforderten Parameter positiv ausfällt).
Neben der indirekten Immunfluoreszenz stehen heute ebenfalls entsprechende Enzyme-linked Immunosorbent Assay- und Immunblot-Techniken unter Verwendung nativer oder rekombinanter Antigene für die Festphase zur Verfügung.
Referenzbereich – Erwachsene
Negativ.
Referenzbereich – Kinder
Negativ.
Indikation
Einordnung bullöser Dermatosen, insbesondere Abgrenzung autoimmuner von hereditären Formen. Bestimmung der Krankheitsaktivität über die Antikörperkonzentration.
Literatur
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