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Autoantikörper gegen erythrozytäre Antigene

Verfasst von: W. Stöcker
Autoantikörper gegen erythrozytäre Antigene
Synonym(e)
Erythrozytenantikörper; EA
Englischer Begriff
erythrocyte antibodies; red blood cell antibodies
Definition
Antikörper, die sich gegen Antigene auf Erythrozyten richten.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Natürliche Erythrozytenantikörper (EA) kommen regelhaft bei allen Individuen vor, denen das korrespondierende Antigen fehlt, ohne dass der Anlass der Immunisierung nachvollziehbar ist (wichtigste Vertreter: Anti-A/B/AB).
Irreguläre EA (Vertreter: Anti-Rhesus-D, -Kell) werden als Immunreaktion auf einen nachvollziehbaren Antigenkontakt gebildet (Bluttransfusion, Schwangerschaft).
Funktion – Pathophysiologie
EA mit Spezifität gegen Blutgruppenmerkmale (Blutgruppenbestimmung), die das Individuum selbst nicht besitzt (Alloantikörper), können mit transfundierten Erythrozyten reagieren und hämolytische Transfusionsreaktionen hervorrufen. Falls von schwangeren Frauen gebildete Antikörper diaplazentar übertragen werden und mit Blutgruppenmerkmalen des Feten reagieren, kann es zu einer fetalen Hämolyse kommen (Morbus haemolyticus fetalis/neonatorum).
EA mit Spezifität für Blutgruppenmerkmale, die das Individuum selbst besitzt (Autoantikörper), können zu einer autoimmunhämolytischen Anämie führen. Solche Antikörper treten idiopathisch oder in Verbindung mit anderen Erkrankungen (z. B. systemischer Lupus erythematodes) auf. Außerdem können verschiedene Medikamente erythrozytäre Autoantikörper induzieren.
In vielen Fällen kommt es zu einem beschleunigten Abbau von EA-beladenen Erythrozyten, entweder intravasal oder im retikuloendothelialen System von Leber und Milz (intravasale bzw. extravasale Hämolyse). Insbesondere eine intravasale Hämolyse kann hochakut (innerhalb weniger Minuten) verlaufen. Dies geht einher mit lebensbedrohlichen systemischen Reaktionen (Beispiel: akute Transfusionsreaktion nach der versehentlichen Gabe einer AB0-unverträglichen Blutkonserve).
Untersuchungsmaterial
Indirekter Coombs-Test: Serum oder Plasma. Hämolysetest: Serum. Direkter Coombs-Test: Erythrozytensediment aus Plasma.
Probenstabilität
Autoantikörper sind bei +4 °C bis zu 2 Wochen lang beständig, bei −20 °C über Monate und Jahre hinweg.
Analytik
Indirekter Coombs-Test: Inkubation Antigen-positiver Testerythrozyten mit Patientenserum; Bindung der EA an die Erythrozyten; Agglutination der EA-beladenen Erythrozyten mittels Anti-Human-Immunglobulin zum Nachweis von Alloantikörpern. Wird meist mit Testerythrozyten der Blutgruppe 0 durchgeführt, damit die nachzuweisenden irregulären Antikörper nicht durch natürliche Anti-A- und Anti-B-Antikörper überdeckt werden.
Direkter Coombs-Test: Nachweis in vivo an Patientenerythrozyten gebundener EA mittels Agglutination durch Anti-Human-Immunglobulin, evtl. mit anschließender Elution und Spezifitätsbestimmung zum Nachweis von Autoantikörpern.
Die Verwendung von Enzymen zur Erhöhung der Sensitivität wird heute nicht mehr als sinnvoll erachtet. Das Gleiche gilt für Tests in der „Kochsalzphase“ ohne Anti-Humanglobulin.
Gelegentlich werden für die Bestimmung Anti-A/B-EA Hämolysetests anstelle der Agglutinationstests eingesetzt.
Referenzbereich – Erwachsene
Indirekter Coombs-Test (irreguläre Antikörper): negativ. Direkter Coombs-Test: negativ. Anti-A/B-Hämolysintest: Referenzwerte müssen anhand eines Kontrollkollektivs laborspezifisch ermittelt werden.
Indikation
Irreguläre (Allo-)Antikörper gegen EA werden vor jeder Bluttransfusion und im Rahmen der Schwangerenvorsorge bestimmt (indirekter Coombs-Test). Zur Abklärung einer immunhämolytischen Anämie wird ein direkter Coombs-Test durchgeführt. Beide Untersuchungen erfolgen bei Verdacht auf eine hämolytische Transfusionsreaktion.
Literatur
Mueller-Eckhard C (1996) Transfusionsmedizin. Springer, Berlin/Heidelberg/New York