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Autoantikörper gegen Glycinrezeptoren

Verfasst von: W. Stöcker
Autoantikörper gegen Glycinrezeptoren
Synonym(e)
Anti-GlyR-Antikörper; Anti-GLR-Antikörper; Anti-Glycinrezeptor-Antikörper
Englischer Begriff
anti-GlyR antibodies; anti-glycine receptor antibodies
Definition
Autoantikörper gegen einen transmembranen, postsynaptisch gelegenen Proteinkomplex. Im ZNS liegen Glycinrezeptoren konzentriert im Hirnstamm und im Rückenmark vor. Der native, funktionelle Rezeptor setzt sich aus 5 Untereinheiten (3α2β) zusammen, die ringförmig um den zentralen Ionenkanal angeordnet sind. Von den α-Untereinheiten sind 4 Isoformen bekannt, die untereinander austauschbar sind und die Neurotransmitter-bindende Einheit darstellen.
Funktion – Pathophysiologie
Glycinrezeptoren gehören zur Klasse der inhibitorischen Liganden-gesteuerten Ionenkanäle. Die Bindung des Neurotransmitters (s. Neurotransmitter) Glycin an den Rezeptor bewirkt einen Einstrom von Chloridionen in die Zelle und führt so zu einer Verminderung der zellulären Erregbarkeit. Der inhibitorische glycinerge Mechanismus unterdrückt die überschießende Aktivität von Neuronen und wird durch die Autoantikörper gegen Glycinrezeptoren gestört. Die daraus resultierende Symptomatik umfasst unter anderem Hyperekplexie, wie sie hereditär auch hervorgerufen wird durch Mutationen des Gens GLRA1, das die α1-Untereinheit des Glycinrezeptors kodiert.
Analytik
Die Bestimmung von Autoantikörpern gegen Glycinrezeptoren ist mittels GlyR-transfizierter humaner Zellen im indirekten Immunfluoreszenztest (Immunfluoreszenz, indirekte) möglich.
Untersuchungsmaterial
Serum, Plasma oder Liquor.
Probenstabilität
Autoantikörper sind bei +4 °C bis zu 2 Wochen lang beständig, bei −20 °C über Monate und Jahre hinweg.
Diagnostische Wertigkeit
Autoantikörper gegen Glycinrezeptoren wurden bei einigen Patienten mit erweitertem Stiff-Person-Syndrom (SPS-plus), der sogenannten progressiven Enzephalomyelitis mit Rigidität und Myoklonie (PERM), nachgewiesen. Einzelfälle zeigen jedoch, dass das mit Autoantikörpern gegen Glycinrezeptoren assoziierte klinische Bild über das der klassischen PERM-Erkrankung hinausgehen kann. Da es sich um eine äußerst seltene Erkrankung handelt, sind bisher erst wenige Fälle beschrieben. Die diagnostische Signifikanz des indirekten Immunfluoreszenztests ist bei diesem Parameter sehr hoch.
Literatur
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