Das Proteohormon Insulin wird in den Betazellen der Pankreasinseln aus Proinsulin gebildet und bei physiologischem Bedarf an das Blut abgegeben. Es hat ein Molekulargewicht um 5,8 kDa und besteht aus 2 durch 2 Disulfidbrücken verknüpften Peptidketten. Insulin ist das wichtigste Hormon der Blutzuckerregulation. Es senkt die Blutglukosekonzentration und hat auch direkten oder indirekten Einfluss auf andere Stoffwechselreaktionen, beispielsweise den Fettstoffwechsel. Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels infolge Insulinmangels oder verminderter Insulinwirkung ergeben das Krankheitsbild des Diabetes mellitus Typ I und II. Eine von vielen Ursachen des Insulinmangels ist die gegen Pankreasinseln und deren Bestandteile gerichtete Autoimmunität. Liegen Autoantikörper gegen Insulin vor, ergibt sich ein erhöhter Insulinbedarf. Von diesen Antikörpern sind die seltenen Autoantikörper gegen Insulinrezeptoren zu unterscheiden, die sowohl mit einer Hyperglykämie als auch mit einer Hypoglykämie assoziiert sein können.
Obwohl das Immunsystem schon vor der Geburt mit dem Insulin als unentbehrlichem Proteohormon Kontakt hat, kommt es bei Zerstörung der Insulin-produzierenden Inselzellen sekundär auch zur Bildung von Autoantikörpern gegen Insulin, die wahrscheinlich durch die Insulinvorstufen, das Prä-Proinsulin und das Proinsulin, ausgelöst wird. Einer oder mehrere dieser Autoantikörper sind bei fast allen Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose des Typ-I-Diabetes nachweisbar. Des Weiteren entwickeln manche Patienten im Laufe einer Therapie mit Insulin Antikörper gegen den Wirkstoff, weshalb man besonders vor der Ära des Humaninsulins bei einem gesteigerten Insulinbedarf häufig die Insulinspezies zu wechseln genötigt war (hier handelt es sich allerdings nicht um Autoantikörper).
Die Prävalenz der Autoantikörper gegen Insulin ist stark mit dem Lebensalter der Patienten korreliert. Bei Kindern mit einer Neumanifestation des Typ-1-Diabetes vor dem fünften Lebensjahr werden sie in der Hälfte der Fälle gefunden, während sie bei neu erkrankten Erwachsenen nur selten nachweisbar sind. Sie reagieren nicht nur mit humanem Insulin, sondern zeigen auch eine Kreuzreaktivität mit Insulin anderer Spezies.
Analytik
Autoantikörper gegen Insulin lassen sich durch Radioimmunoassay und Enzyme-linked Immunosorbent Assay bestimmen, wobei sich die ELISA-Methoden bisher nicht bewährt haben. Die mittels Radioimmuntest (Flüssigphasen-125I-Insulin-Bindungsassay) bestimmten IAA haben eine höhere Diabetesrelevanz als die im ELISA gemessenen: Beim Flüssigphasen-Radioimmuntest sind alle Epitope des Insulinmoleküls für die IAA zugänglich, außerdem wird das Insulin in geringerer Konzentration als im ELISA eingesetzt. Beim ELISA ist das Insulin an die Festphase gebunden, wodurch einige Epitope verdeckt sein können.
Autoantikörper sind bei +4 °C bis zu 2 Wochen lang beständig, bei −20 °C über Monate und Jahre hinweg.
Diagnostische Wertigkeit
Kinder im Alter von unter 5 Jahren mit Diabetes mellitus weisen Autoantikörper gegen Insulin in über 90 % aller untersuchten Fälle auf, während die Prävalenz bei Diabetikern >12 Jahren nur noch bei etwa 40 % liegt, bei Erwachsenen noch niedriger. Eine hohe Konzentration der Antikörper ist mit einem höheren Erkrankungsrisiko assoziiert. Um ein mögliches Diabetesrisiko im individuellen Fall gut abschätzen zu können, sollte eine Kombination aller Diabetes-mellitus-relevanten Autoantikörper getestet werden. Sind einer oder mehrere Parameter positiv, kann man versuchen, den drohenden Ausbruch eines Diabetes mellitus durch geeignete Maßnahmen zu verhindern: Immunsuppression oder Diabetikerdiät über mehrere Jahre (unbeschäftigte Pankreasinseln exponieren weniger Autoantigene).
Von den Autoantikörpern gegen Insulin sind die seltenen, aber wichtigen Autoantikörper gegen Insulinrezeptoren abzugrenzen. Sie können sowohl mit einer Hyperglykämie einhergehen (Typ-B-Insulinresistenz) als auch mit Zuständen der Hypoglykämie (hier wirken die Antikörper möglicherweise agonistisch; bei solchen Patienten findet man häufig neben einem Diabetes mellitus: systemischer Lupus erythematodes (SLE), Fettleibigkeit, Überfunktion der Ovarien oder Acanthosis nigricans). Beide Störungen können längerfristig durch eine Behandlung mit Kortison kuriert werden. Insbesondere bei SLE und rekurrierender idiopathischer Hypoglykämie, aber ebenso bei Diabetikern mit sehr hohem Insulinbedarf sollte man daran denken, auch Autoantikörper gegen Insulinrezeptoren zu untersuchen (s. a. Autoantikörper gegen Pankreasinseln).
Literatur
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