Skip to main content
Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik
Info
Verfasst von:
W. Stöcker und W. Schlumberger
Publiziert am: 11.12.2017

Autoantikörper gegen SS-A

Autoantikörper gegen SS-A
Synonym(e)
Ro/SS-A-Antikörper; Anti-SS-A; Anti-Ro; Anti-Ro60; Anti-SS-A-Antikörper; Anti-Ro-Antikörper; Anti-Ro60-Antikörper; Anti-Sjögren-Syndrom-Antigen A
Englischer Begriff
anti-SS-A autoantibodies
Definition
Anti-Ro/SS-A-Antikörper sind gegen Epitope der Proteinkomponente des Ro/SS-A-Ribonukleoprotein-Komplexes gerichtet. Dieser Komplex besteht aus je einem RNA-Molekül (Y1-, Y2-, Y3-, Y4- oder Y5-RNA) und einem Protein mit einem Molekulargewicht von 60 kDa (Ro60). Die biologische Funktion des Ro60 ist unklar. Zytoplasmatisches Ro60 scheint an der Regulation der Translation, nukleäres Ro60 an der Herstellung korrekter 5S-rRNS beteiligt zu sein. Es ist vorwiegend im Zellkern lokalisiert, kommt aber auch im Zytoplasma vor. Angaben, dass ein weiteres Protein mit einem Molekulargewicht von 52 kDa ebenfalls integraler Bestandteil des Ro/SS-A-Antigens sei, haben sich als falsch erwiesen. Antikörper gegen das 52-kDa-Protein (Ro-52, TRIM21) sind nicht krankheitsspezifisch und unabhängig von den als Anti-Ro/SS-A bezeichneten Antikörpern zu betrachten.
Untersuchungsmaterial
Probenstabilität
Autoantikörper sind bei +4 °C bis zu 2 Wochen lang beständig, bei −20 °C über Monate und Jahre hinweg.
Analytik
Autoantikörper gegen Ro/SS-A ergeben im indirekten Immunfluoreszenztest (IIFT, Immunfluoreszenz, indirekte) mit HEp-2-Zellen in der Interphase eine feingranuläre Fluoreszenz der Zellkerne. Die Nukleoli erscheinen ebenfalls positiv, sind aber vom Karyoplasma etwas abgesetzt, bei einem Teil der Proben sind sie ausgespart. Mitotische Zellen weisen ebenfalls eine granuläre Fluoreszenz auf, unter Freilassung der Chromosomen. Auf Primatenleber fehlt die entsprechende granuläre Reaktion der Hepatozytenkerne, dagegen zeigen sich dort bei höheren Antikörpertitern glatt fluoreszierende Nukleoli (s. Abbildungen).
Autoantikörper gegen SS-A, indirekte Immunfluoreszenz mit Substrat HEp-2-Zellen:
Autoantikörper gegen SS-A, indirekte Immunfluoreszenz mit Substrat Primatenleber:
Im Gegensatz dazu erzeugen die differenzialdiagnostisch wichtigen Autoantikörper gegen U1-nRNP und Autoantikörper gegen Sm bei den Hepatozyten eine gleich starke granuläre Kernfluoreszenz wie bei den HEp-2-Zellen. Vereinzelte Zellen in den Sinusoiden der Leber (Lymphozyten, Monozyten) ergeben auch mit Anti-SS-A-Antikörpern eine starke Reaktion.
Bei einem positiven Resultat im IIFT kann zur genauen Identifizierung der Antikörper ein monospezifischer Enzymimmunoassay (Enzyme-linked Immunosorbent Assay, Chemilumineszenz-Immunoassay) oder ein Immunblot mit nativ aufgereinigtem oder rekombinantem SS-A-Antigen (60-kDa-Protein) oder ein Western blot mit nativen Zellkernantigenen eingesetzt werden.
Im Immunblot- und im Western-Blot-Verfahren kann man des Weiteren Antikörper identifizieren, die mit Ro-52 reagieren, parallel zu den Antikörpern gegen Ro60.
Referenzbereich – Erwachsene
Negativ.
Diagnostische Wertigkeit
Anti-Ro/SS-A-Antikörper sind charakteristische serologische Marker des Sjögren-Syndroms, bei dem sie meist zusammen mit Anti-La/SS-B-Antikörpern (Autoantikörper gegen SS-B) auftreten, die Prävalenz beträgt 40–95 %. Darüber hinaus können Anti-SS-A auch bei primär biliärer Cholangitis (früher: primär biliäre Zirrhose) vorkommen. Vorwiegend ohne SS-B-Reaktivität lassen sich Antikörper gegen SS-A außerdem bei systemischem Lupus erythematodes (SLE) (20–60 %) und bei Lupus neonatorum (neonatales Lupus-Syndrom mit kongenitalem Herzblock, verursacht durch diaplazentar übertragenes Anti-SS-A; 100 %) nachweisen.
Antikörper gegen Ro-52 wurden ursprünglich bei Patienten mit Sjögren-Syndrom oder SLE (38 %) beschrieben, danach aber auch bei Polymyositis (31 %), progressiver Systemsklerose (28 %), Autoimmunhepatitis (35 %), PBC (27 %), Hepatitis B (10 %) und Hepatitis C (22 %). Sie geben zwar einen Hinweis auf das Vorliegen einer Autoimmunkrankheit, haben aber keine Bedeutung für die Differenzialdiagnostik. Eine besondere Bedeutung der Antikörper gegen Ro-52 wurde früher in der Pathogenese und Diagnostik des kongenitalen Herzblocks bei Säuglingen gesehen. Bei isoliertem Anti-Ro-52 ist die Wahrscheinlichkeit eines kongenitalen Herzblocks niedrig, doch sie steigt stark an, wenn Autoantikörper gegen SS-A und SS-B hinzukommen. Bei Schwangeren mit SLE sollten daher immer alle 3 Spezifitäten mehrmals im Verlauf der Schwangerschaft untersucht werden.
Literatur
Agmon-Levin A, Shapira Y, Selmi C, Barzilai O, Ram M, Szyper-Kravitz M, Sella S, Katz BP, Youinou P, Renaudineau Y, Larida B (2010) A comprehensive evaluation of serum autoantibodies in primary biliary cirrhosis. J Autoimmun 34(1):55–58CrossRefPubMed
Boire G, Gendron M, Monast N, Bastin B, Ménard HA (1995) Purification of antigenically intact Ro ribonucleoproteins; biochemical and immunological evidence that the 52-kDa protein is not a Ro protein. Clin Exp Immunol 100:489–498CrossRefPubMedPubMedCentral
Gordon P, Khamashta MA, Rosenthal E, Simpson JM, Sharland G, Brucato A, Franceschini F, De Bosschere K, Meheus L, Meroni PL, Hughes GR, Buyon J (2004) Anti-52 kDa Ro, anti-60 kDa Ro, and anti-La antibody profiles in neonatal lupus. J Rheumatol 31:2480–2487PubMed
Meyer W, Scheper T, Siegemund M, Takeuchi K, Schlumberger W, Stöcker W (2004) The SS-A/Ro60 kDa protein is sufficient for the detection of autoantibodies against SS-A. In: Conrad K et al (Hrsg) From animal models to human genetics: Research on the induction and pathogenicity of autoantibodies, Bd 4. Pabst Science Publishers, Lengerich, S 525–526
Tan EM, Chan EKL, Sullivan KF, Rubin RL (1988) Antinuclear antibodies (ANAs): diagnostically specific immune markers and clues toward the understanding of systemic autoimmunity. Clin Immunol Immunopathol 47:121–141CrossRefPubMed