Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik
Info
Verfasst von:
W. Stöcker
Publiziert am: 13.12.2017

Autoantikörper gegen Thrombozyten

Synonym(e)
Antithrombozytäre Antikörper; Anti-HPA; Thrombozyten-Antikörper
Englischer Begriff
thrombocyte antibodies; anti-human platelet antigen
Definition
Als Thrombozytenantikörper (TA) bezeichnet man Antikörper gegen Antigene der Thrombozytenoberfläche (s. a. Antikörper gegen Heparin/PF4).
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Die korrespondierenden Antigene werden kodominant vererbt und zeigen in den meisten Fällen eine biallelische Ausprägung:
Antigen
Ausprägung (%)
Synonym*
Glykoprotein
HPA 1
a (97); b (26)
Zw a/b
IIIa
HPA 2
a (99); b (14)
Ko b/a
Ib
HPA 3
a (90); b (60)
Bak a/b
IIb
HPA 4
a (>99); b (<0,1)
Yuk b/a
IIIa
HPA 5
a (99); b (20)
Br b/a
Ia
HPA, Human Platelet Antigen
*Es existieren noch andere Nomenklaturen
Es sind noch weitere Antigensysteme bekannt. Der klinisch bedeutsamste Antikörper ist Anti-HPA-1a.
Funktion – Pathophysiologie
Ähnlich dem Autoantikörper gegen erythrozytäre Antigene können TA als Auto- und Alloantikörper vorkommen. Viele Autoantikörper zeigen allerdings keine nachweisbare Spezifität gegen bestimmte Antigene, sodass sie in Zusammenhang mit Thrombozytentransfusionen funktionell als Alloantikörper zu betrachten sind. Die Antikörper binden sich an die Oberfläche der Thrombozyten, die das korrespondierende Antigen tragen, also entweder an eigene Thrombozyten (Autoantikörper) oder an transfundierte bzw. fetale Thrombozyten (Alloantikörper). Diese Antikörper-beladenen Thrombozyten werden von Makrophagen des retikuloendothelialen Systems abgebaut. Es kommt typischerweise nicht zu einer intravasalen Reaktion mit Komplementaktivierung. Deshalb werden normalerweise keine schwerwiegenden systemischen Symptome beobachtet, im Gegensatz zu Antikörpern gegen Erythrozytenantigene.
Untersuchungsmaterial
Probenstabilität
Autoantikörper sind bei +4 °C bis zu 2 Wochen lang beständig, bei −20 °C über Monate und Jahre hinweg.
Analytik
Als Suchtests kommen verschiedene Systeme infrage (direkte und indirekte Immunfluoreszenz mit Thrombozytenausstrichen [Immunfluoreszenz, indirekte; s. Abbildung] oder am Flowzytometer, auch Enzyme-linked Immunosorbentassay-ähnliche Verfahren). Ein positives Ergebnis hat allerdings nur dann einen gesicherten diagnostischen Wert, wenn die Spezifität der Antikörper gegen eines oder mehrere der definierten Glykoproteine erwiesen wurde. Hierfür wird der MAIPA („Monoclonal Antibody Immobilisation Platelet Assay“) eingesetzt.
Autoantikörper gegen Thrombozyten, indirekte Immunfluoreszenz mit Substrat humaner Ausstrich:
Referenzbereich – Erwachsene
Negativ.
Referenzbereich – Kinder
Negativ.
Interpretation
Assoziierte Krankheitsbilder:
  • Autoantikörper:
  • Alloantikörper:
    • Posttransfusionspurpura: Durch Thrombozytentransfusionen hervorgerufene Alloantikörper kreuzreagieren mit eigenen Thrombozyten und verursachen ein Krankheitsbild, welches der ITP ähnlich ist.
    • Neonatale Immunthrombopenie: Schwere Thrombopenie des Fetus und des Neugeborenen mit der Gefahr intrakranieller Blutungen, wegen funktioneller Störung der antikörperbeladenen Thrombozyten sind die Komplikationen schwerer als von der Zahl der Thrombozyten zu erwarten.
    • Die Transfusion von Thrombozytenkonzentraten führt nicht zu einem messbaren Anstieg der Thrombozytenzahlen.
Positive Befunde sind nur in Verbindung mit den charakteristischen klinischen Symptomen relevant. Negative Befunde schließen keines der genannten Krankheitsbilder aus.
Literatur
Mueller-Eckhard C (1996) Transfusionsmedizin. Springer, Berlin/Heidelberg/New York