Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik
Info
Verfasst von:
W. Stöcker und C. Krüger
Publiziert am: 13.12.2017

Autoantikörper gegen TSH-Rezeptoren

Autoantikörper gegen TSH-Rezeptoren
Synonym(e)
TSH-Rezeptor-Antikörper; TRAk
Englischer Begriff
TSH receptor autoantibodies (TRAb)
Definition
Autoantikörper gegen die Rezeptoren für das Thyreoidea-stimulierende Hormon (TSH) (Thyreotropin).
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Der TSH-Rezeptor ist ein Mitglied der Unterfamilie der G-Protein-gekoppelten Glykoproteinhormonrezeptoren. Jeder Thyreozyt weist jeweils 103–104 TSH-Rezeptoren auf. Ein Rezeptor besteht aus einer extrazellulären α-Untereinheit mit einem Molekulargewicht von 53 kDa und einer transmembranen β-Untereinheit mit einem Molekulargewicht von 38 kDa. Die TSH-Rezeptoren von Schwein, Ratte und Mensch weisen eine Homologie von 85–90 % auf. Im Bereich der Bindungsstelle für das TSH beträgt die Homologie nahezu 100 %. Anti-TSH-Rezeptor-Antikörper binden sich an die extrazelluläre Domäne des Rezeptors.
Funktion – Pathophysiologie
TSH-Rezeptor-Autoantikörper (TRAk) sind heterogen bezüglich ihrer biologischen Wirkungsweise und stimulieren (TSAb, „thyroid stimulating antibody“) oder blockieren (TBAb, „thyroid blocking antibody“) den TSH-Rezeptor. Diejenigen TRAk, die unmittelbar gegen die Bindungsstelle des TSH gerichtet sind und die Bindung von TSH an den Rezeptor inhibieren, werden auch TBII (TSH „binding inhibitor immunoglobulin“) genannt. TRAk sind zu über 90 % mit einem Morbus Basedow assoziiert. Bei Morbus Basedow ist die Wirkung stimulierend, d. h. die TRAk wirken als TSH-Agonisten. Infolge der Antikörperbindung kommt es zu einer Stimulation der cAMP-Kaskade, einer erhöhten Bildung und Sekretion der Schilddrüsenhormone, Überfunktion und Proliferation der Schilddrüse.
Untersuchungsmaterial
Probenstabilität
Autoantikörper sind bei +4 °C bis zu 2 Wochen lang beständig, bei −20 °C über Monate und Jahre hinweg.
Analytik
Bei den heute überholten Testmethoden der ersten Generation handelt es sich um Radiorezeptorassays (RRA), die auf einer Verdrängung radioaktiv markierter TSH-Moleküle von solubilisierten Thyreozytenmembranen durch die TRAk des Patientenserums basieren. Das Patientenserum und das markierte TSH werden gemeinsam in einem Schritt mit den solubilisierten Membranen (Rezeptoren) inkubiert. Das markierte TSH bindet sich an die nicht von TRAk besetzten Rezeptoren. Zur Abtrennung der nicht gebundenen Bestandteile des Reaktionsansatzes wird mit einem Fällungsreagenz sedimentiert und abzentrifugiert. Die Menge der im Sediment enthaltenen Radioaktivität ist umgekehrt proportional zur TRAk-Konzentration in der Probe.
Bei den als Testmethoden der zweiten Generation verwendeten Enzyme-linked Immunosorbentassay, Radiorezeptorassay (RRA) und Elektrochemilumineszenz-Immunoassay sind porcine oder humane TSH-Rezeptoren an der Wand eines Reaktionsgefäßes immobilisiert, an die sich TRAk positiver Proben binden. Überschüssige Probenbestandteile werden durch Waschen des Reaktionsgefäßes entfernt. Die gebundenen TRAk inhibieren die Bindung von markiertem TSH, das in einem zweiten Inkubationsschritt hinzugegeben wird. Die Menge des an der Festphase durch Fotometrie, Messung der Radioaktivität oder Lumineszenz nachgewiesenen markierten TSH ist umgekehrt proportional zur TRAk-Konzentration in der Probe. Die Testsysteme der zweiten Generation weisen untereinander nahezu identische analytische Charakteristika auf, unabhängig von der verwendeten Rezeptorspezies (human oder porcin: Im Rezeptorbereich herrscht weitgehende Übereinstimmung). Bei den ELISA der dritten Generation inhibieren die gebundenen TRAk positiver Proben die Bindung markierter, schilddrüsenstimulierender, monoklonaler Antikörper (M22). Die gemessene Extinktion ist ebenfalls umgekehrt proportional zur TRAk-Konzentration in der Probe. ELISA der dritten Generation sind sensitiver als Tests der zweiten Generation bei gleicher Spezifität. Der ELISA kann im Unterschied zu allen anderen Methoden am leichtesten automatisiert werden, ihm wird heute im Vergleich zum Radioimmunoassay meistens der Vorzug gegeben.
Internationale Einheit
Der erste internationale Standard für schilddrüsenstimulierende Antikörper (WHO, 1995, Standard 90/672, National Institute for Biological Standards and Control, Hertfordshire, England) enthält laut Definition 0,1 IU pro Ampulle.
Referenzbereich – Erwachsene
Negativ bis grenzwertig: <2 IU/L (Tests der zweiten Generation).
Referenzbereich – Kinder
Negativ bis grenzwertig: <2 IU/L (Tests der zweiten Generation).
Indikation
Nachweis oder Ausschluss des Morbus Basedow sowie Therapiekontrolle.
Interpretation
Für die Diagnose eines Morbus Basedow gelten TRAk als serologische Marker, da sie bei über 90 % der unbehandelten Patienten nachweisbar sind. Darüber hinaus erlaubt die Kontrolle der TRAk-Konzentration im Krankheitsverlauf des Morbus Basedow eine prognostische Aussage und bietet eine wichtige Entscheidungshilfe zur Therapiesteuerung. Hohe TRAk-Konzentrationen nach einer langen Thyreostatikatherapie sind Anzeichen für ein erhöhtes Rückfallrisiko. Selten werden TRAk bei Hashimoto-Thyreoiditis und primärem Myxödem (möglicherweise funktionsinhibierende Antikörper) gefunden. Weiterhin können TRAk im Serum schwangerer Frauen, die an Morbus Basedow leiden, eine Hyperthyreose beim Fötus auslösen.
Literatur
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Saravanan P, Dayan CM (2001) Thyroid autoantibodies. Endocrinol Metab Clin N Am 30:315–337CrossRef