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Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik
Info
Verfasst von:
H.-D. Haubeck
Publiziert am: 18.12.2017

Avidität

Avidität
Englischer Begriff
avidity (functional affinity)
Definition
Als Avidität eines Antikörpers wird die Stärke der Bindung zwischen einem polyvalenten Antigen und dem polyvalenten Antikörper bezeichnet.
Beschreibung
Als Affinität (intrinsische Affinität) wird die Stärke der Bindung eines monovalenten Antigens (Antigen) bzw. Haptens durch einen Antikörper bezeichnet. Hierbei ist die Stärke der Interaktion des Antigens mit einer Antigenbindungsstelle des Antikörpers davon abhängig, wie gut das Antigen in die Antigenbindungsstelle des Antikörpers, die aus der hypervariablen Region jeweils einer Schwer- und Leicht-Kette des Antikörpers besteht, passt (Schlüssel-Schloss-Prinzip). Die nichtkovalente Bindung des Antigens über Wasserstoffbrücken, van der Waals-Kräfte, elektrostatische und hydrophobe Interaktionen ist reversibel und unterliegt dem Massenwirkungsgesetz:
$$ \mathrm{Affinit}\ddot{\mathrm{a}}\mathrm{tskonstante}=\frac{\left[\mathrm{Antigen}-\mathrm{Antik}\ddot{\mathrm{o}}\mathrm{rper}\right]}{\left[\mathrm{Antigen}\right]\times \left[\mathrm{Antik}\ddot{\mathrm{o}}\mathrm{rper}\right]} $$
Allerdings besitzen intakte Immunglobulinmoleküle (Antikörper) mindestens 2 (IgG, IgD, IgE), 4 (IgA) bzw. 10 (IgM) Antigenbindungsstellen, und auch viele Antigene, z. B. Viren oder Bakterien, exprimieren zahlreiche identische Antigendeterminanten auf ihrer Oberfläche. Die Stärke der Interaktion von multivalenten Antikörpern mit multivalenten Antigenen wird als Avidität bezeichnet (funktionelle Affinität). Bindet z. B. ein divalenter Antikörper mit beiden Bindungsstellen an ein solches polyvalentes Antigen (divalente Bindung), müssen zur Auflösung des Antigen-Antikörper-Komplexes beide Bindungen gleichzeitig gelöst werden. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist erheblich geringer als für die Lösung einer Einzelbindung. Die Stärke der Bindung (Avidität) ist dadurch beträchtlich größer als die Summe der Stärken der beiden Einzelbindungen. Die Avidität polyvalenter Bindungen ist dementsprechend 103–107-fach stärker als die entsprechende Affinität. Die Avidität und Affinität eines Antikörpers sind darüber hinaus von der Temperatur, dem pH-Wert und der Ionen- bzw. Salzkonzentration abhängig. Die Bestimmung der Affinität bzw. der Avidität erfolgt mit Hilfe sog. Scatchard Blots.
Während einer Immunreaktion, d. h. der Auseinandersetzung des Immunsystems des Organismus mit einem Fremdantigen, vor allem aber bei wiederholter Antigenexposition bzw. Immunisierung, erhöht sich häufig die Affinität der gebildeten Antikörper. Dieser Prozess wird als Affinitätsreifung bezeichnet und ist für eine effiziente Immunabwehr von großer Bedeutung. Der Affinitätsreifung liegen gehäufte Punktmutationen (Erhöhung der Mutationsfrequenz um den Faktor 106) im Gen für die hypervariable (VDJ-) Region der Antigenbindungsstelle während der B-Zell-Reifung und -Proliferation in den Keimzentren der lymphatischen Gewebe zugrunde. B-Lymphozyten, deren Oberflächenimmunglobulin (Antigenrezeptor) dadurch eine erhöhte Affinität für das Antigen erhalten, werden dadurch bei erneutem Antigenkontakt verstärkt aktiviert, proliferieren und bilden als Plasmazellen Antikörper mit der entsprechend höheren Affinität, während B-Lymphozyten, bei denen die Affinität durch die Mutationen abgenommen hat, durch Apoptose eliminiert werden.
Zum Nachweis von Antikörpern oder Antigenen werden bevorzugt hochaffine/hochavide Antikörper eingesetzt. Sie ermöglichen aufgrund der großen Stabilität des Antigen-Antikörper-Komplexes eine bessere Reproduzierbarkeit des Immunoassays (Immunoassay). Bei einer Reihe von Immunoassays wird auch die Avidität der Antikörper erfasst, um zwischen hoch- und niedrig-aviden Antikörpern zu unterscheiden. Dies kann z. B. durch die Bestimmung eines Aviditätsindex erfolgen, bei dem das Verhältnis der Signalintensität der Proben vor und nach Waschen mit einer Harnstofflösung, durch die niedrig-affine/avide Antigen-Antikörper-Bindungen gelöst werden, ermittelt wird.
Literatur
Berzowsky JA, Epstein SL, Berkower IJ (1989) Antigen-antibody interactions and monoclonal antibodies. In: Paul WE (Hrsg) Fundamental immunology, 2. Aufl. Raven Press, New York, S 315–356
Klein J (1990) Antigen-antibody interactions. In: Klein J, Horejsi V (Hrsg) Immunology. Blackwell, Cambridge, MA, S 294–310