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Azoospermiefaktor-Mutation

Verfasst von: M. Bidlingmaier
Azoospermiefaktor-Mutation
Englischer Begriff
azoospermia factor (AZF) deletion; Y chromosome microdeletion
Definition
Bezeichnung für verschiedene Mikrodeletionen in für die Spermatogenese relevanten Genen, die in dem als Azoospermiefaktor-Region bezeichneten Abschnitt auf dem langen Arm des Y-Chromosoms liegen. Diese Mikrodeletionen werden häufig bei der nicht obstruktive Azoospermie gefunden.
Beschreibung
1976 wurde auf dem langen Arm des Y-Chromosoms (Yq) ein als Azoospermiefaktor-Region bezeichneter Abschnitt mit einer Häufung von für die normale Spermatogenese wichtigen Genen beschrieben. Mittlerweile wurden in diesem Abschnitt 3 distinkte Regionen identifiziert: AZFa (Yq11.21) sowie AZFb und AZFc (Yq11.23). Mikrodeletionen in diesen Bereichen führen zum Verlust eines Abschnitts von 0,8–7,7 Megabasen und sind der häufigste, heutzutage identifizierbare genetische Grund von Störungen der Spermatogenese. Sie werden bei 5–20 % der Männer mit Azoospermie detektiert. Bei schwerer Oligospermie (<5 Mio./mL) sind sie seltener, werden jedoch immer noch mit einer Häufigkeit von 4 % gefunden. Bei AZF-c-Deletionen – der häufigsten Form der Mikrodeletionen auf Yq – finden sich in der Regel sehr niedrige Spermienzahlen in Ejakulat oder Hodenbiopsie, während Betroffene mit AZFa- oder AZFb-Deletionen meist keine Spermien produzieren. Die Mutationen entstehen spontan, können bei erhaltener Zeugungsfähigkeit jedoch auch weitergegeben werden.
Die Detektion der Mikrodeletionen ist mit molekularbiologischen Techniken möglich. Unterschiede in den Angaben zur Prävalenz gehen auch auf Unterschiede in der Qualität der PCR-Untersuchungen zurück, Labors müssen nach publizierten Leitlinien mit entsprechender Qualitätssicherung arbeiten.
Bedeutung hat die Untersuchung auf die Mutationen insbesondere bei der differenzialdiagnostischen Aufarbeitung von nicht obstruktiven Fertilitätsproblemen bei Männern mit Azoospermie, Kryptozoospermie oder Oligo-Astheno-Teratozoospermie (OAT-Syndrom) sowie in der Vorbereitung der assistierten Reproduktion bei Einsatz der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) oder der testikulären Spermienextraktion (TESE). Nachdem die Mutation bei männlichen Nachkommen gegebenenfalls auch Fertilitätsprobleme nach sich zieht, ist eine entsprechende Beratung der Patienten angezeigt.
Literatur
Krausz C, Casamonti E (2017) Spermatogenic failure and the Y chromosome. Hum Genet 136(5):637–655CrossRefPubMed
McLachlan RI, O’Bryan MK (2010) Clinical review: state of the art for genetic testing of infertile men. J Clin Endocrinol Metab 95(3):1013–1024CrossRefPubMed
Tiepolo L, Zuffardi O (1976) Localization of factors controlling spermatogenesis in the nonfluorescent portion of the human Y chromosome long arm. Hum Genet 34:119–124CrossRefPubMed