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Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik
Info
Verfasst von:
W. Stöcker
Publiziert am: 29.12.2017

Bakterien

Bakterien
Englischer Begriff
Bacteria
Definition
Bakterien sind einzellige Mikroorganismen mit einem für Prokaryonten typischen Zellaufbau.
Beschreibung
Bakterienzellen sind mit einer Größe von ca. 0,5–5 μm mikroskopisch sichtbar und haben die Gestalt von Kokken, Stäbchen oder Schrauben. Sie besitzen keinen membranumhüllten Zellkern. Vielmehr liegt das bakterielle Genom, ein zirkuläres, histonfreies DNA-Molekül, frei im Zytoplasma vor und wird als Bakterienchromosom oder Kernäquivalent (Nukleotid) bezeichnet. Zusätzlich können extrachromosomale, zirkulär-doppelsträngige DNA-Moleküle (Plasmide) für Resistenz- und Virulenzgene kodieren und den Bakterien Selektionsvorteile verschaffen. Die Proteinsynthese findet im Zytoplasma an 70S-Ribosomen statt. Membranbegrenzte Organellen, die typischerweise in eukaryontischen Zellen vorkommen (z. B. Mitochondrien, endoplasmatisches Retikulum, Golgi-Apparat, Lysosomen, Peroxisomen), sind in Bakterienzellen nicht vorhanden. Die Zytoplasmamembran besteht aus einer Phospholipiddoppelschicht, deren innere Oberfläche durch komplexe Einfaltungen (Mesosomen) stark vergrößert ist. In ihr sind neben Transport- und Sensorproteinen auch die Enzyme (s. Enzym) der Atmungskette, der Lipid- und Zellwandsynthese sowie der DNA-Replikation verankert. Mit Ausnahme von Mykoplasmen sind alle Bakterien von einer Zellwand umgeben, nach deren Aufbau zwischen grampositiven und gramnegativen Bakterien unterschieden wird. Die Wand grampositiver Bakterien besteht aus zahlreichen quervernetzten Lagen Peptidoglykan (Murein) und kovalent gebundenen Teichon- oder Teichuronsäuren. Sie enthält außerdem Lipoteichonsäuren, die eine Rolle bei der Adhärenz an Wirtszelloberflächen spielen, und ist häufig Träger spezifischer Oberflächenproteine mit Virulenzfunktion. Bei gramnegativen Bakterien ist die Zytoplasmamembran vom periplasmatischen Raum umgeben, der neben Enzymen und Transportproteinen eine nur 2–3 Lagen dünne Peptidoglykanschicht enthält. Dem Periplasma ist eine zweite Membran aufgelagert, deren innere Lamelle aus Phospholipiden besteht, während die äußere Lamelle Lipopolysaccharide (LPS) beinhaltet. LPS setzen sich aus 3 Komponenten zusammen: Das O-Antigen bestimmt die Oberflächeneigenschaften eines Bakteriums und bewirkt im Wirtsorganismus die Bildung spezifischer Antikörper; das Kernpolysaccharid enthält ebenfalls wichtige Antigen-Determinanten; das Lipid A ist toxisch wirksam (Endotoxin). In die äußere Membran gramnegativer Bakterien sind zahlreiche Proteine („outer membrane proteins“, OMP) eingelagert, die der Stabilisierung dienen oder Funktionen als Poren, Rezeptoren bzw. Transporter erfüllen. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Zellwandstruktur differieren gramnegative und grampositive Bakterien nicht nur in ihrem Gram-Färbeverhalten, sondern auch hinsichtlich Pathogenität und Antibiotikaempfindlichkeit. Bei einigen Bakterienarten (z. B. Pneumokokken, Bordetella pertussis [ Bordetella pertussis und parapertussis ], Haemophilus influenzae ) ist die Zellhülle von einer Kapsel umgeben, die immunogen wirksam ist und einen Schutz vor Phagozytose bietet. Zur aktiven Fortbewegung tragen viele Bakterien eine oder mehrere Geißeln. Zusätzlich können aus der Zellhülle röhrenförmige Pili (Fimbrien) herausragen, die als Adhäsine eine Verankerung der Bakterien an Wirtszellmembranen ermöglichen oder als F-Pili beim DNA-Austausch zwischen Bakterien (Bakterienkonjugation) den Zellkontakt herstellen. Häufig enthält das Zytoplasma Granula zur Speicherung von Kohlenhydraten, Lipiden (Polyhydroxybuttersäure) oder Polyphosphaten. Bestimmte Gattungen (z. B. Bacillus und Clostridium) sind in der Lage, Endosporen zu bilden, die extreme Bedingungen (Hitze, Trockenheit, Desinfektionsmittel) jahrzehntelang überdauern können.
Die Vermehrung von Bakterien erfolgt durch einfache Querteilung. Das Wachstum einer Bakterienpopulation gliedert sich in die anfängliche Latenzphase (lag-Phase), gefolgt von der exponentiellen Phase (log-Phase), der stationären Phase und der Phase des Absterbens. Die zur Verdopplung der Bakterienzahl benötigte Zeit wird als Generationszeit bezeichnet. Sie ist sowohl von der Spezies (Speziationsanalyse) als auch von den Kulturbedingungen abhängig (Escherichia coli: 20 Minuten, Mycobacterium tuberculosis: 18 Stunden). Alle medizinisch relevanten Bakterien sind chemoorganoheterotroph, d. h., sie benötigen zum Wachstum energiereiche organische Verbindungen. Entsprechend ihrem Verhalten gegenüber Luftsauerstoff werden obligat aerobe, fakultativ anaerobe und obligat anaerobe Bakterien unterschieden. Die Energiegewinnung erfolgt durch aerobe/anaerobe Atmung oder durch Gärung.
Bakterien können Bestandteil der physiologischen Körperflora des Menschen sein, aber auch als opportunistische, fakultativ pathogene oder obligat pathogene Erreger eine Vielzahl von Infektionskrankheiten hervorrufen. Diese können mit Antibiotika behandelt werden, deren Wirkung häufig auf einer Hemmung der bakteriellen Zellwand-, Protein- oder Nukleinsäuresynthese beruht.
Für medizinisch-diagnostische Fragestellungen erfolgt die Differenzierung von Bakterien u. a. nach folgenden Kriterien:
  • Eigenschaften der Bakterienkolonien (z. B. Farbe, Form, Profil, Konsistenz, Geruch)
  • Zellmorphologie: Kokken, Stäbchen, Schrauben
  • Zelllagerung: isoliert, Paare, Tetraden, Pakete, Haufen, Ketten
  • Zellgröße
  • Begeißelung: monotrich, peritrich, lophotrich, amphitrich
  • Endosporenbildung: zentral/terminal, mit/ohne Zellauftreibung
  • Kapseltypen/-antigene
  • Vorkommen von Granula (z. B. Volutingranula)
  • Toxinbildung
  • Zellwandaufbau/Färbeverhalten: grampositiv, gramnegativ, Säurefestigkeit
  • Antibiotikaempfindlichkeit
  • Antigene Eigenschaften, Serotypen
  • Genetische Marker
  • Stoffwechseleigenschaften: aerob/anaerob, Atmung/Gärung
  • Enzymnachweis (z. B. Katalase, Oxidase)
  • Infektion: intrazellulär/extrazellulär, lokal/generalisiert
  • Organotropismus: Haut-/Schleimhaut-, Atemwegs-, Harnwegs-, Genital-, Gastrointestinal-, ZNS-Infektion u. a.
Analytik
Die Patientenprobe oder aus ihnen isolierte und in Reinkultur gezüchtete Erreger können lichtmikroskopisch untersucht werden. Dazu werden Ausstrichpräparate hergestellt und zur Keimidentifizierung angefärbt, z. B. durch Einfachfärbung mit Löfflers Reagenz (Methylenblau), Differenzialfärbung nach Gram oder Ziehl-Neelsen, Sporenfärbung nach Rakette/Wirtz, Geißelfärbung nach Hinterberger/Leifson/Peppler oder Acridinorange-Fluoreszenzfärbung (s. Fluoreszenzfärbung). Zur Beurteilung ungefärbter Bakterien wird die Phasenkontrastmikroskopie angewandt. Bakterienspezifische DNA kann mittels PCR (Polymerase-Kettenreaktion), Restriktionsanalysen, Sondenhybridisierung und Sequenzierung identifiziert werden. Zum Nachweis bakterieller Proteine eignen sich direkte Immunfluoreszenz, Antigen-ELISA (Enzyme-linked Immunosorbentassay), Objektträgeragglutination (Gruber-Reaktion; s. u. Agglutination), Präzipitation, Limulus-Test, Kapselquellungsreaktion und Enzymbestimmungen. Die Anzucht von Bakterien ist in Flüssigkulturen und auf festen Nährböden möglich, unter Berücksichtigung der speziesabhängigen Ansprüche hinsichtlich optimaler Wachstumsbedingungen und Komplexität der Nährmedien. Bestimmte Erreger sind aufgrund sehr anspruchsvoller Stoffwechselbedürfnisse außerhalb lebender Zellen schwer oder nicht anzüchtbar (z. B. Chlamydien und Treponemen). Für den indirekten Nachweis bakterieller Infektionen werden im Patientenmaterial erregerspezifische Antikörper bestimmt, z. B. mittels indirekter Immunfluoreszenz, ELISA, Immunblot, (Western blot, Linienblot), Agglutinationstest (Widal-Reaktion), Präzipitation (Ausfällen), Komplementbindungsreaktion oder Radioimmunoassay.
Diagnostische Wertigkeit
Durch den direkten Nachweis und die kulturelle Anzucht von Erregern können bakterielle Infektionen bereits in frühen Krankheitsstadien diagnostiziert und Therapieverläufe kontrolliert werden. Da Kulturverfahren und Mikroskopie oft nur eine geringe Sensitivität zeigen, werden sie vielfach durch sensitivere und hochspezifische Verfahren zum Antigen- und DNA-Nachweis ergänzt oder ersetzt. Als Hinweis auf eine akute Primärinfektion gelten der Nachweis erregerspezifischer Antikörper der Klasse IgM, ein signifikanter Anstieg im IgG, niedrige IgG-Avidität und Serokonversion. Bei chronischen Krankheitsverläufen ist die Serologie Methode der Wahl. Auch Rezidive und Reinfektionen lassen sich oft serologisch erkennen, da sie infolge eines Booster-Effekts zu einem Anstieg im IgG führen. Die Bestimmung von Antikörpern der Klasse IgA kann insbesondere für den Nachweis von Infektionen mit schleimhautassoziierten Erregern (z. B. Chlamydia, Helicobacter) nützlich sein.
Indirekte Immunfluoreszenz und Enzymimmuntests (Enzymimmunoassay) stellen aufgrund ihrer hohen Sensitivität, einfachen Handhabung und Automatisierbarkeit wichtige Standardverfahren in der Infektionsserologie dar und ermöglichen quantitative Antikörperbestimmungen. Western Blots haben wegen ihrer hohen Spezifität einen besonderen Stellenwert als Bestätigungstests. Bei einer bakteriellen Infektion des ZNS kann der Erreger häufig direkt im Liquor nachgewiesen werden, oder es lässt sich eine intrathekale Synthese erregerspezifischer Antikörper feststellen.
Literatur
Hahn H, Falke D, Kaufmann SHE, Ullmann U (Hrsg) (2005) Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie, 5. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg/New York, S 169–446
Köhler W, Eggers HJ, Fleischer B, Marre R, Pfister H, Pulverer G (Hrsg) (2001) Medizinische Mikrobiologie, 8. Aufl. Urban & Fischer, München/Jena, S 73–246