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Bordetella pertussis und parapertussis

Verfasst von: W. Stöcker
Bordetella pertussis und parapertussis
Englischer Begriff
Bordetella pertussis and parapertussis
Definition
Der Begriff Pertussis (lat.: „tussis“ = Husten), im Jahr 1679 von T. Sydenham eingeführt, beschreibt die erstmals im 16. Jh. erwähnte Keuchhustenerkrankung. O. Gengou und J. Bordet, dem zu Ehren der Erreger Bordetella genannt wurde, gelang im Jahr 1906 die Kultivierung der krankheitsauslösenden Bakterien. W.L. Bradford und B. Slavin isolierten 1937 den eng verwandten Keim Bordetella parapertussis.
Beschreibung des Erregers
Die Gattung Bordetella gehört zur Familie Alcaligenaceae. Bordetellen sind anspruchsvolle unbewegliche, aerobe, kokkoide, gramnegative Stäbchenbakterien (0,5–2 μm lang, Durchmesser 0,2–0,5 μm), die von einer fimbrienarmierten Kapsel umgeben sind. Reservoir für Bordetella pertussis und parapertussis sind die zilientragenden Epithelzellen des menschlichen Respirationstrakts. B. parapertussis wurde aber auch bei Schafen nachgewiesen. Die Verbreitung erfolgt über Tröpfcheninfektion. Bordetellen kommen weltweit vor. Eine Reihe von Toxinen (s. Toxin) verschlechtern lokal die Abwehrkräfte und verursachen Gewebeschäden.
Virulenzfaktoren sind:
  • Adhäsine:
    • Filamentöses Hämagglutinin (FHA), ein Oberflächenprotein mit Bindungsmöglichkeit an Glykoproteine
    • Pertactin, äußeres Membranprotein
    • Fimbrien als Haftorganellen
    • Untereinheit B des Pertussistoxins (PT)
  • Exotoxine:
    • Untereinheit A des Pertussistoxins (PT): bewirkt enzymatisch (ADP-Ribosyltransferase) eine Signalreduktion und inhibiert dadurch die Immunzellen des Wirts (Bordetella parapertussis enthält das PT-Gen ebenfalls, es kommt aber aufgrund von Mutationen in der Promotorregion nicht zur Expression)
    • Adenylatzyklasetoxin (ACT): hemmt die Effektorfunktion der Zellen
    • Tracheales Zytotoxin (TCT): nekrotisiert die zilientragenden Epithelzellen, dadurch wahrscheinlich für die krampfartigen Hustenanfälle verantwortlich
    • Dermatonekrotisches Toxin (DNT): hitzelabiles Toxin mit vermutlich nekrotisierender Wirkung
  • Endotoxine:
    • Lipooligosaccharide (LOS): entsprechen den Lipopolysacchariden (LPS) anderer gramnegativer Bakterien
Erkrankungen
Die typische Pertussiserkrankung wird in 3 Stadien unterteilt:
1.
Nach 14-tägiger Inkubationszeit unspezifisches Stadium catarrhale mit leichter Grippe-ähnlicher Symptomatik
 
2.
Charakteristisches Stadium convulsivum mit anfallsweise auftretenden, krampfartigen Hustenstößen (Stakkatohusten) gefolgt von inspiratorischem Ziehen (Keuchen)
 
3.
Stadium decrementi mit langsam verlaufender, sich manchmal über Monate hinziehender Rekonvaleszenz
 
Zu den Komplikationen zählen bakterielle Sekundärinfektionen mit Pneumonien oder Otitis media durch Haemophilus spp. oder Pneumokokken. Bordetella parapertussis verursacht mildere Verlaufsformen des Keuchhustens.
Therapie und Prophylaxe
Für die Therapie wird eine frühzeitige Gabe von Erythromycin oder anderen Makroliden empfohlen. Im Stadium convulsivum haben Antibiotika nur noch geringen Einfluss auf den Krankheitsverlauf. Die Pertussisimpfung, heutzutage als Kombinationsimpfung (u. a. gegen Diphtherie und Tetanus) durchgeführt, wird für Säuglinge und Kleinkinder empfohlen. Der Grundimmunisierung (4 Impfungen) sollten regelmäßige Auffrischimpfungen alle 10 Jahre folgen. Azelluläre Impfstoffe basieren auf definierten Bordetella-Antigenen (FHA, PT, Pertactin, ggf. auch Fimbrienbestandteile) und stehen seit 1995 zur Verfügung.
Analytik
Für die Labordiagnostik sind die Pertussiserregernachweise aus tiefen Nasopharyngealabstrichen am bedeutendsten. Ein Schwerpunkt liegt in der Bakterienanzucht auf Selektivkulturmedien, die im Wesentlichen auf dem von Bordet und Gengou beschriebenen Kartoffelextrakt-Glyzerin-Blut-Agar basieren. Die Zugabe von Selektivsupplement unterdrückt die Begleitflora. Die Anzüchtung von Bordetella pertussis dauert mindestens 3 Tage, Bordetella parapertussis wächst schon in 2 Tagen. Der kulturelle Nachweis ist zu 100 % spezifisch, hat aber eine eingeschränkte Sensitivität und ist zeitaufwendig. Daher werden DNA-Nachweise mittels PCR (Polymerase-Kettenreaktion) zunehmend bevorzugt. Schon wenige Erreger ermöglichen einen positiven Direktnachweis. Zudem werden auch bereits abgestorbene Keime noch erfasst. Der mikroskopische Erregernachweis mittels direkter Immunfluoreszenz kann über FITC oder Rhodamin-markierte monoklonale Antikörper gegen Oberflächenstrukturen, z. B. LOS, geführt werden und erfasst ebenfalls sowohl vermehrungsfähige als auch abgestorbene Bakterien.
Die Serologie ist in frühen Stadien einer Erstinfektion für die Diagnostik ungeeignet, spezifische Antikörper sind frühestens ab dem Stadium convulsivum nachweisbar. Für den Nachweis der Antikörper gegen Bordetella pertussis wird ein Enzyme-linked Immunosorbent Assay (ELISA) auf Basis des Pertussis-Toxins (PT) empfohlen, da sie zum einen den Ausschluss von Parapertussis-Infektionen und zum anderen eine Quantifizierung der Antikörpertiter erlauben. Bei der Verwendung von FHA als Antigen können sensitiv sowohl B.-pertussis- als auch B.-parapertussis-Infektionen nachgewiesen werden. FHA kommt bei allen Bordetella spp. vor, jedoch auch bei anderen Bakterien, wie Mykoplasmen. Die Verwendung einer Antigenmischung (FHA und PT) im ELISA wird nicht empfohlen. Die Konzentrationen der Bordetella-Antikörper sollten in internationalen Einheiten (IE/ml) angegeben werden, es steht ein WHO-Referenzpräparat zur Verfügung.
Für akute Infektionen mit Bordetella pertussis oder parapertussis besteht laut Infektionsschutzgesetz eine allgemeine Meldepflicht.
Untersuchungsmaterial – Probenstabilität
Direktnachweis und Kultur: Untersucht werden Nasopharyngealabstriche; Primärkulturen sollten möglichst sofort angelegt werden.
Serologie: Serum oder Plasma für den Nachweis der Antikörper sind bei +4 °C bis zu 2 Wochen lang beständig, bei −20 °C über Monate und Jahre hinweg. Zur Tiefkühlkonservierung des IgM kann man den Proben 80 % gepuffertes Glyzerin beifügen.
Literatur
Guiso N, Berbers G, Fry NK, He Q, Riffelmann M, Wirsing von König CH, EU Pertstrain group (2010) What to do and what not to do in serological diagnosis of pertussis: recommendations from EU reference laboratories. Eur J Clin Microbiol Infect Dis 30:307–312CrossRefPubMedPubMedCentral
Hofmann F (2009) Pertussis. In: Handbuch der Infektionskrankheiten, Hofmann, VIII-1.37, 32. Erg.Lfg. 8/09
Scholz H, Belohradsky BH, Bialek R, Heininger U, Kreth HW, Roos R (2009) Pertussis. In: Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie e.V. (Hrsg) DGPI-Handbuch. Infektionen bei Kindern und Jugendlichen, 5. Aufl. Stuttgart: Georg Thieme Verlag, S 411–416