Skip to main content

Borrelia burgdorferi

Verfasst von: W. Stöcker und W. Schlumberger
Borrelia burgdorferi
Englischer Begriff
Borrelia burgdorferi
Beschreibung des Erregers
Borrelia burgdorferi sensu lato ist ein Sammelbegriff für die humanpathogenen Genospezies Borrelia afzelii, Borrelia burgdorferi sensu stricto, Borrelia garinii und Borrelia spielmanii. Die Bakterien wurden nach dem Schweizer Bakteriologen Willy Burgdorfer benannt.
Taxonomie: Borrelia burgdorferi sensu lato gehören zur Familie Spirochaetaceae, Gattung Borrelia.
Morphologie: Borrelien sind korkenzieherartig gewundene, 20–30 μm lange und 0,2–0,3 μm dünne, sehr bewegliche Bakterien. Flagellen im periplasmatischen Raum befähigen sie zu einer Rotationsbewegung, die ihnen das Eindringen in das Umgebungsgewebe ermöglicht.
Erkrankungen
Borrelia burgdorferi sensu stricto, Borrelia afzelii, Borrelia garinii und Borrelia spielmanii sind die Erreger der zeckenübertragenen Lyme-Borreliose (in den USA kommt praktisch nur Borrelia burgdorferi sensu stricto vor). Vektoren sind überwiegend Schildzecken (Ixodidae) jeder Entwicklungsstufe (Larven, Nymphen, Adulte), die man am Waldrand findet oder in hohem Gras, und die von vorbeiziehenden Menschen oder Tieren abgestreift werden. Nach dem Zeckenstich übertragen die Spinnentiere im Laufe der Blutmahlzeit die Borrelien. Natürliches Erregerreservoir sind kleine Säugetiere und Vögel; für die explosionsartige Ausbreitung in den letzten Jahren ist jedoch hierzulande maßgeblich das Rotwild verantwortlich: Ein prächtiger Sechzehnender mit seinem im Vergleich zur Feldmaus viel größeren Aktionsradius kann von hunderten Zecken befallen sein, der ideale Multiplikator für eine schwungvolle Expansion der Borrelien.
Neuansteckungen treten saisonal gehäuft im 3. und 4. Quartal eines Jahres auf, sie sind in einigen Bundesländern meldepflichtig: Bayern, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die höchste Inzidenz wird bei Kindern und älteren Erwachsenen registriert (6–16 pro 100.000 Einwohner/Jahr).
Die Borreliose kann sich mit dermatologischer, neurologischer, ophthalmologischer, rheumatologischer und internistischer Symptomatik manifestieren:
  • Stadium I: Die typische pathognomonische, aber nicht obligatorische Primärmanifestation ist das Erythema migrans, eine Hautrötung, die Tage bis Wochen nach dem Zeckenstich um die Einstichstelle herum auftritt und sich ringförmig zentrifugal ausbreitet. Das Erythem kann begleitet werden von einer grippeähnlichen Allgemeinsymptomatik. In wenigen Fällen kommt es zu einer Lymphadenosis cutis benigna.
  • Stadium II: Mehrere Wochen bis einige Monate nach dem Zeckenbiss können verschiedenartige Symptome auftreten. Im Vordergrund stehen neurologische Manifestationen (Neuroborreliose): Meningitis, Enzephalitis, asymmetrische Polyneuritis, Hirnnervenparesen, lymphozytäre Meningoradikulitis Bannwarth (Garin-Bujadoux-Bannwarth-Syndrom). Großflächige juckende Dermatosen sowie Arthritiden, insbesondere der Kniegelenke, und Knochen-, Gelenk- und Muskelschmerzen werden ebenfalls häufig beobachtet. Auch kardiologische Manifestationen, wie Myokarditis oder Perikarditis, sind beschrieben.
  • Stadium III: Typische Spätmanifestationen sind chronisch rezidivierende erosive Arthritiden, Acrodermatitis chronica atrophicans sowie progressive Enzephalomyelitis, die ähnlich einer multiplen Sklerose verlaufen kann.
Therapie und Prophylaxe
Für die Therapie wird eine Antibiotikagabe, u. a. Tetrazykline, empfohlen. Präventiv ist lediglich die Vermeidung von Zeckenbefall.
Analytik Kultur: Borrelien können in speziellen Medien angezüchtet werden, jedoch ist die Kultur aufgrund der langen Generationszeit (7–20 Stunden) langwierig und nur selten erfolgreich.
Direktnachweis: In der Dunkelfeldmikroskopie sind Borrelien nur ausnahmsweise identifizierbar. Die PCR (Polymerase-Kettenreaktion) aus Vollblut oder Serum zeigt eine nur geringe Sensitivität, aus Biopsiematerial (Haut) und Synovialflüssigkeit liefert sie dagegen höhere Detektionsraten (70 %). Standardisierte Verfahren zur Probenvorbereitung und Durchführung der Borrelien-PCR sind noch nicht gefunden.
Serologie: In den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) für die Diagnostik der Lyme-Borreliose (MiQ 12/2000) wird eine Stufendiagnostik empfohlen: Im ersten Schritt wird ein Suchtest (Immunfluoreszenz, indirekte oder ELISA [Enzyme-linked Immunosorbent assay]) mit hoher Sensitivität und vertretbarer Spezifität eingesetzt.
Indirekte Immunfluoreszenz: Antikörper gegen Borrelia burgdorferi:
Positive und grenzwertige Ergebnisse werden in einem zweiten Schritt mit einer spezifischeren Technik verifiziert, etwa mit einem Immunblot, der in seinem Antigenspektrum streng Borrelien-korrelierte Antigene neben solchen ohne Borrelien-Exklusivität aufweist.
Umfassende Zusammenstellung diagnostisch relevanter Borrelien-Antigene in nativer oder rekombinanter Form auf einem Linienblot (IgG):
In Ausnahmefällen erweist sich die „Zweistufenstrategie“ aber als Irrweg, da manche spezifische Immunantwort im Stadium des Erythema migrans durch einen differenzierten Immunblot mit separaten definierten Antigenbanden besser erfasst werden kann als etwa mit einem ELISA, bei dem die reaktive Festphase mit einem Antigengemisch beschichtet ist. Aber gerade in der Frühphase einer Borreliose sollte man jeden einzelnen Patienten identifizieren können, da hier die beste Chance besteht, die Borreliose mit Antibiotika „im Keim zu ersticken“.
Nach Beginn der Infektion treten als erstes Antikörper der Klasse IgM gegen das Oberflächenantigen OspC auf. Beim Nachweis der Antikörper der Klasse IgG hat sich das Borrelien-Hauptantigen VlsE als hochsensitives und spezifisches Antigen erwiesen, ein System austauschbarer und variierbarer Kassetten zur Tarnung der Bakterienoberfläche, das nur in vivo exprimiert wird, wo das Immunsystem des Wirtsorganismus im Gegensatz zu einer Bakterienkultur einen hohen Selektionsdruck erzeugt.
Zur Diagnose der Neuroborreliose eignet sich der Nachweis einer intrathekalen Synthese Borrelien-spezifischer Antikörper durch die Bestimmung des spezifischen Liquor/Serum-Quotienten.
Untersuchungsmaterial – Probenstabilität Direktnachweis und Kultur: Untersucht werden Haut oder Synoviabiopsien. Das Material sollte bis zur Weiterverarbeitung bei +4 bis +8 °C in steriler Lösung aufbewahrt werden. Direktnachweise sind innerhalb von 24 Stunden durchzuführen, Kulturen innerhalb von 6 Stunden anzulegen. Bei längerer Transportzeit ist das Material einzufrieren.
Serologie: Serum oder Plasma für den Nachweis der Antikörper sind bei +4 °C bis zu 2 Wochen lang beständig, bei −20 °C über Monate und Jahre hinweg. Zur Tiefkühlkonservierung des IgM kann man den Proben 80 % gepuffertes Glyzerin beifügen.
Diagnostische Wertigkeit
Laut Richtlinien der DGHM ist die Lyme-Borreliose eine klinische Diagnose – nur klinische Kriterien sind entscheidend für die Therapiebedürftigkeit. Vor allem ist eine „reaktive“ Serologie allein kein Grund, Antibiotika einzusetzen, insbesondere wenn beim spezifischen IgG kein Titeranstieg festzustellen ist. Die Seroprävalenz in der Bevölkerung ist regional unterschiedlich und wird darüber hinaus von verschiedenen Faktoren beeinflusst, z. B. von der Borrelien-Durchseuchung der Zecken verschiedener Landstriche. Waldarbeiter zeigen je nach Region Seroprävalenzen um 20 %, städtische Büroangestellte unter 5 %.
Differenzialdiagnostisch relevant sind postinfektiöse reaktive Arthritiden (Auslöser: Salmonellen, Shigellen, Yersinien, Chlamydien, Campylobacter, Mykoplasmen), Autoimmunerkrankungen (Autoimmunität) (rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes) und entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems.
Literatur
Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie (2008) 4., überarb. Aufl. Georg-Thieme-Verlag, Stuttgart, S 654 ff
Wilske B, Zöller L, Brade V, Eiffert H, Göbel UB, Stanek G, Pfister HW (2000) MiQ12 Lyme-Borreliose. In: Qualitätsstandards in der mikrobiologisch infektiologischen Diagnostik. Urban & Fischer Verlag, München/Jena