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Calcitonin

Verfasst von: M. Bidlingmaier
Calcitonin
Synonym(e)
Kalzitonin; Thyreocalcitonin
Englischer Begriff
calcitonin; thyrocalcitonin
Definition
Peptidhormon aus den C-Zellen der Schilddrüse. Calcitonin senkt die Calcium-Konzentration im Blut und steigert die renale Phosphat-Ausscheidung.
Struktur
Protein aus 32 Aminosäuren mit einer intramolekularen Disulfidbindung am Aminoterminus. Verschiedene zirkulierende Fragmente ohne die Disulfidbrücke binden zwar auch den Rezeptor, wirkend jedoch als Antagonisten.
Molmasse
3421 Da.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Die Synthese von Calcitonin erfolgt bei Säugern in den C-Zellen (parafollikulären Zellen) der Schilddrüse über ein 141 Aminosäuren langes Prohormon (Procalcitonin). Stimuliert wird die Freisetzung physiologisch durch hohe Calciumkonzentrationen im Blut. Außerdem stimuliert Gastrin die Freisetzung von Calcitonin, was man sich diagnostisch im Pentagastrintest (Calcitonin-Stimulationstest) zunutze macht. Die Senkung der Blutcalciumkonzentration erfolgt über 3 Mechanismen: Calcitonin hemmt die Osteoklastenaktivität und damit die Freisetzung von Calcium aus dem Knochen, es reduziert die Calciumresorption im Darm und stimuliert die Calciumausscheidung über die Niere. Damit ist es ein Antagonist vom Parathormon im Calciumstoffwechsel. Calcitonin hat eine kurze Halbwertszeit und wird überwiegend renal eliminiert.
Halbwertszeit
Wenige Minuten.
Pathophysiologie
Die klinische Bedeutung von Calcitonin im Calciumstoffwechsel ist geringer als die von Vitamin D und Parathormon. Therapeutisch wird (Lachs-)Calcitonin bei akuter und chronischer Hyperkalzämie sowie bei Erkrankungen mit erhöhtem Knochenumsatz eingesetzt.
Calcitonin ist ein sensitiver Marker der C-Zellhyperplasie und des C-Zell-Karzinoms (medulläres Schilddrüsenkarzinom). Zudem ist die Bildung bei anderen – insbesondere neuroendokrinen – Tumoren beschrieben.
Basal können sich erhöhte Calcitoninkonzentrationen auch bei Erkrankungen mit erhöhter Gastrinkonzentration (perniziöse Anämie), chronischer Niereninsuffizienz, Sepsis und Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse finden. Auch im dritten Trimenon der Schwangerschaft und unter oraler Kontrazeption können die Werte erhöht sein.
Calciumzufuhr steigert die Calcitoninfreisetzung. Dies macht man sich diagnostisch beim Calciumstimulationstest zu nutze. Es muss aber auch bei der Beurteilung von Calcitoninwerten unter Infusionstherapie (Calciumgabe) beachtet werden.
Untersuchungsmaterial
Serum, Plasma – Versand gefroren!
Probenstabilität
Calcitonin ist extrem instabil, Peptidasen beschleunigen den Abbau. Der Zusatz von Proteaseinhibitoren kann die Stabilität erhöhen.
Präanalytik
Blutproben müssen innerhalb von 30 Minuten verarbeitet und eingefroren werden.
Analytik
Immunoassays. Verschiedene Assays unterscheiden sich stark hinsichtlich der Spezifität und somit im Grad der Miterkennung von Präkursoren und Fragmenten. Bei extremen Calcitoninkonzentrationen kann es bei manchen Assays durch einen High-Dose-Hook-Effekt zu falsch niedrigen Messergebnissen kommen. Auch sind Probleme mit heterophilen Antikörpern (Antikörper, heterophile) bei Calcitoninassays überproportional oft beschrieben.
Konventionelle Einheit
pg/mL.
Internationale Einheit
pmol/L.
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit
1 pg/mL = 0,28 pmol/L.
Referenzbereich
Die Referenzbereiche sind vom verwendeten Assay abhängig. Typischerweise werden Angaben in folgender Größenordnung gemacht:
  • <10 pg/mL: Normalbefund
  • 10–100 pg/mL: Graubereich
  • >100 pg/mL: Verdacht auf medulläres Schilddrüsenkarzinom
Indikation
  • Verdacht auf medulläres Schilddrüsenkarzinom (basal und nach Stimulation).
  • Verdacht auf ektope Calcitoninproduktion.
  • Nachdem das medulläre Schilddrüsenkarzinom im Rahmen der multiplen endokrinen Neoplasie (MEN) vorkommt, 10–30 % der MEN-Patienten zudem therapierefraktäre Durchfälle haben, ist die Bestimmung von Calcitonin auch in der Differenzialdiagnostik des therapierefraktären Durchfalls ggf. sinnvoll.
Interpretation
S. Pathophysiologie und Referenzbereiche.
Diagnostische Wertigkeit
Die Wertigkeit der Bestimmung der basalen Calcitoninkonzentration bei Patienten mit Schilddrüsenknoten im Sinne eines Screenings ist sehr umstritten. Bei niedrigem positiven prädiktiven Wert ergeben sich viele falsch positive Befunde, denen keine nachgewiesenen Reduktion der Mortalität entgegensteht. Insbesondere basale Werte im Graubereich zwischen 10 und 100 pg/mL sind praktisch bedeutungslos. Verbessert wird die Aussagekraft durch einen Stimulationstest (Pentagastrin oder Calcium).
Größte prognostische und therapeutische Relevanz hat die Messung von Calcitonin hingegen präoperativ und postoperativ sowie langfristig in der Nachsorge bei Tumorpatienten mit initial erhöhten Calcitoninkonzentrationen.
Literatur
Costante G, Durante C, Francis Z, Schlumberger M, Filetti S (2009) Determination of calcitonin levels in C-cell disease: clinical interest and potential pitfalls. Nat Clin Pract Endocrinol Metab 5(1):35–44CrossRef