Calcium (chemisches Symbol: Ca) ist als Kation (Ca2+) wichtig für Knochenstoffwechsel und neuromuskuläre Erregungsvorgänge.
Molmasse
Relative Atommasse: 40,08.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Tägliche Calciumaufnahme 10–25 mmol (0,4–1,0 g), vorwiegend aus Milch und Milchprodukten, Getreideprodukten und Leitungswasser. Ein Drittel davon wird im Jejunum absorbiert, der Rest wird mit den Fäzes ausgeschieden.
Bestand
Bei 70 kg Körpergewicht etwa 25.000 mmol (1 kg), davon rasch austauschbar 100 mmol.
Verteilung
Knochen (extrazellulär als kristalliner Hydroxylapatit) 99 %, EZR und IZR 1 %. Calciumkonzentration im IZR 0,1–1,0 μmol/L
Elimination
Mit den Fäzes 10–20 mmol/Tag , mit dem Urin etwa 5 mmol/Tag.
Calciumfraktionen im Plasma
Gesamtcalcium (Catot) mit einer Konzentration von 2,50 mmol/L besteht aus folgenden Fraktionen:
An Proteine (vorwiegend Albumin) gebunden (Caprot): 40 %
Komplex an Phosphat, Citrat, Laktat und HCO3− gebunden (Cacomp): 10 %
Die Bindung des Calciums an Protein ist pH-abhängig. Alkalose begünstigt die Bindung und führt zur Abnahme von Ca2+, Azidose hemmt sie und führt zur Zunahme von Ca2+. Bei einer pH-Verschiebung um 0,1 ändert sich Ca2+ invers um 0,07±0,03 (s. a. Abbildung).
Die absolute Konzentration von Caprot und damit auch diejenige von Catot wird stark von der Albumin- bzw. Gesamteiweißkonzentration im Plasma beeinflusst. Pro g/L Albuminänderung ändert sich Catot gleichsinnig um etwa 0,025 mmol/L (Pseudohypokalziämie bei Hypalbuminämie!). Zur Orientierung kann bei stark abweichenden Albuminwerten mit der Formel nach Payne (1979) auf Albumin = 40 g/L umgerechnet werden:
Im Gegensatz zum Gesamtcalcium wird das ionisierte Calcium (Ca2+) nicht durch Proteineinflüsse verfälscht. Ca2+ ist die biologisch aktive Fraktion. Sie wird von den Calciumhormonen reguliert, und sie beeinflusst die neuromuskuläre Erregbarkeit.
Funktion – Pathophysiologie
Ca2+ und Cacomp, zusammen auch als ultrafiltrierbares Calcium bezeichnet, werden aus dem Primärharn zu 90 % im proximalen Tubulus und in der Henleschen Schleife reabsorbiert. Etwa 9 % werden im distalen Tubulus reabsorbiert.
Die Calciumkonzentration im Plasma wird durch folgende Substanzen reguliert:
1.
Calcitriol (1,25-[OH]2-VitD): Es entsteht aus der Vorstufe Calciol (Vitamin D) über die Zwischenstufe Calcidiol durch Hydroxylierung in der Niere und fördert die Aufnahme von Calcium im Jejunum durch Bildung eines calciumbindenden Proteins. Die Calcitriolbildung in der Niere wird durch PTH stimuliert, bei Niereninsuffizienz ist sie beeinträchtigt.
2.
Parathormon (Parathyrin, PTH) steigert das Plasmacalcium hauptsächlich durch 3 Wirkungen:
Steigerung der Reabsorption von Ca2+ im distalen Tubulus
Mobilisierung von Calcium aus den Knochen
Stimulierung der renalen Calcitriolbildung
Die PTH-Sekretion wird vermittelt über einen calciumsensitiven Rezeptor an den Hauptzellen der Parathyreoidea, der auf die extrazelluläre Konzentration des ionisierten Calciums anspricht.
3.
Calcitonin: Das in den C-Zellen der Schilddrüse gebildete Calcitonin senkt, therapeutisch verabreicht, das Plasmacalcium durch folgende Wirkungen:
Hemmung der Osteoklastentätigkeit
Hemmung der tubulären Reabsorption von Calcium
Die physiologische Relevanz der körpereigenen Calcitoninsekretion scheint, mindestens für Erwachsene, gering zu sein, da weder Überproduktion beim medullären Schilddrüsenkarzinom noch fehlende Sekretion nach Thyreoidektomie Auswirkungen auf den Calciumhaushalt erkennen lassen.
Folgen von Hypo- und Hyperkalziämie
Hypokalziämie
Neurologisch: tetanische Krämpfe mit Carpopedalspasmen und perioralen sowie distalen Parästhesien; kardial: EKG-Veränderungen (QT-Verlängerung); Herzglykosidwirkung vermindert
Bei chronischer Einwirkung Störung der Knochenmineralisation, Nägelbrüchigkeit, Katarakt
Verstärkung aller Symptome durch Alkalose, Abschwächung bei Acidose
Ionisiertes Calcium: anaerob behandeltes Heparinblut, bevorzugt in „Blutgasspritze“ oder Kapillare, präpariert mit lyophilisiertem, elektrolytbalancierten Heparin.
24-Stunden-Urin: zur ersten Urinportion 25 mL HCl (6 mol/L) geben und die weiteren Urinportionen hinzumischen.
Probenstabilität
Gesamtcalcium: Plasma bei 25 °C 7 Tage, bei 4–8 °C 21 Tage, bei −20 °C 8 Monate.
Ionisiertes Calcium: Heparinblut bei 25 °C 30 Minuten, bei 4–8 °C 2 Stunden.
24-Stunden-Urin: Bei 25 °C 2 Tage, bei 4–8 °C 4 Tage. Ggf. Präzipitate mit HCl lösen (pH<2).
Präanalytik
Gesamtcalcium im Plasma: Blutabnahme möglichst im Liegen, Venenstauung <2 Minuten.
Ionisiertes Calcium im Vollblut: folgende Fehlerquellen sind zu beachten:
pH-Einfluss: Alkalisierung (Ca2+ ↓) durch Luftzutritt zur Probe oder Azidifizierung (Ca2+ ↑) durch Laktatbildung infolge zu lang anhaltender venöser Stauung, Muskelkontraktionen („Pumpen“) während der Stauung oder zu langer Lagerung bei Raumtemperatur (Glykolyse in Erythrozyten).
Chelatbildung zwischen Ca2+ und Heparin: Diese tritt ein bei gewöhnlichem Na- oder Li-Heparinat und mindert Ca2+ in einer Größenordnung von etwa 0,07 mmol/L pro 50 IU Heparin pro mL Blut, annähernd die Hälfte des Referenzintervalls. Deshalb ist entweder calciumtitriertes Heparin zur Vorbereitung des Probengefäßes notwendig oder das gewöhnliche Heparin ist auf <15 IU pro mL Blut zu begrenzen.
Dilution durch das Volumen der Heparinlösung: zu umgehen durch Verwendung von Spritzen mit lyophilisiertem Heparin.
Analytik
Molare Konzentration des Gesamtcalciums:
Atomabsorptionsspektrometrie (AAS): Grundlage der IFCC-Referenzmethode; in geübter Hand auch für Routineanalytik in kleinen Serien, z. B. für Urincalciumbestimmungen, geeignet; nicht integrierbar in Analysenautomaten.
Photometrische Messung einer Calciumkomplexverbindung mit
o-Kresolphthalein bei 578 nm; weit verbreitetes, automationsfähiges Routineverfahren,
Arsenazo III bei 650 nm in einem System mit trägergebundenen Reagenzien.
Ionenselektive Elektrode (ISE, indirekt) nach Verdünnung der Probe mit einem maleathaltigen Metallionenpuffer; das im Gleichgewicht mit dem Pufferkomplex stehende freie Calcium wird durch die ISE gemessen.
Flammenatomemissionsspektrometrie (FAES), „Flammenphotometrie“ (Flammenatomabsorptionsspektrometrie/-spektroskopie): Dieses nicht in Analysenautomaten zu integrierende Verfahren ist für die Calciumbestimmung weitgehend verlassen.
Ionisiertes (freies) Calcium:
Ionenselektive Elektrode (ISE, direkt) im unverdünnten Heparinblut: Die sehr schnelle Messung der biologisch aktiven Calciumfraktion im Vollblut steht in mehreren Blutgas-/Elektrolytgeräten vollmechanisiert zur Verfügung. Für die Ca2+-spezifische Elektrodenmembran werden neutrale Ionencarrier (z. B. ETH 1001) oder Ionenaustauscher (Organophosphate) benutzt. Messtechnisch wird die molale Aktivität der freien Calciumionen erfasst. Durch entsprechende Kalibration wird das Messsignal auf ein Plasma mit normalem Lipid- und Proteingehalt bezogen. Es handelt sich also um eine auf Molarität justierte Aktivitätsmessung. Irrtümer durch Pseudohypo- und Pseudohyperkalziämie werden im Gegensatz zur Gesamtcalciumbestimmung vermieden. Wegen der pH-Abhängigkeit von Ca2+-Ergebnismitteilung mit 3 Angaben:
Ca2+ aktuell
Ca2+ bezogen auf pH 7,4
pH aktuell
Die nomographische Bestimmung von Ca2+ aus Gesamtcalcium, Albuminkonzentration und pH (Siggaard-Andersen et al. 1983) erlaubt eine Abschätzung von Ca2+, berücksichtigt aber nicht den wechselnden Anteil des komplexgebundenen Calciums.
Verminderte Vitamin-D-Wirkung: Vitamin-D-Mangel alimentär oder durch ungenügende Sonnenlichtexposition; unzureichende Bildung von Calcitriol bei Niereninsuffizienz sowie bei Leberzirrhose und Alkoholismus
Tertiärer Hyperparathyreoidismus (aus dem sekundären, meist renal bedingten Hyperparathyreoidismus hervorgegangene Autonomie der PTH-Produktion)
Vermehrte Calciummobilisation aus den Knochen:
Neoplasien, besonders der Mamma, der Bronchien, der Niere und des Pankreas sowie beim multiplen Myelom; hierbei Hyperkalziämie sowohl durch metastatische Osteolyse als auch durch PTH-ähnlich wirkende Substanzen, sog. Parathormon-related Peptides (PTH-rP)
Familiäre hypokalzurische Hyperkalziämie (genetisch bedingter Defekt des calciumsensitiven Rezeptors der Parathyreoidea-Hauptzellen)
Unterscheidung von Stoffwechsel- und Aziditätseinflüssen auf das ionisierte Calcium
Zur Entscheidung, ob ein gemessener Ca2+-Wert eine Störung der Calciumhomöostase anzeigt oder pH-bedingt ist oder ob beides der Fall ist, dient das nachfolgende Nomogramm. Das eingezeichnete Beispiel (Ca2+ = 1,2 mmol/L) lässt erkennen, dass der gleiche Wert abhängig von pH im Hinblick auf die Calciumhomöostase als erniedrigt, normal oder erhöht einzustufen ist.
Nomogramm zur Interpretation des ionisierten Calciums:
Calcium, Fig 1
×
Diagnostische Wertigkeit
Auswirkungen der Hypokalziämie zeigen sich ab Catot <1,75 mmol/L bzw. Ca2+ <0,9 mmol/L.
Auswirkungen der Hyperkalziämie zeigen sich ab Catot >3,3 mmol/L bzw. Ca2+ >1,7 mmol/L.
Ab Catot>3,8 mmol/L bzw. Ca2+>2,0 mmol/L Entwicklung einer hyperkalziämischen Krise mit Somnolenz, Koma, Nierenversagen und der Gefahr der Asystolie. Zur Erkennung drohender Gewebsverkalkungen (Calcium-Phosphat-Produkt).
Literatur
Müller-Plathe O (1993) Improving the acceptance of „ionized calcium“ for routine clinical practice. Scand J Clin Lab Invest 53(Suppl 214):95–98
Siggaard-Andersen O, Thode J, Fogh-Andersen N (1983) Nomograms for calculating the concentration of ionized calcium of human blood from total calcium, total protein and/or albumin, and pH. Scand J Clin Lab Invest 43(Suppl 165):57–63CrossRef