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Choriongonadotropin, humanes

Verfasst von: S. Holdenrieder und P. Stieber
Choriongonadotropin, humanes
Synonym(e)
hCG; hCGβ
Englischer Begriff
human chorionic gonadotropin; human choriogonadotropin
Definition
Das humane Choriongonadotropin ist ein gonadotropes, in der Plazenta produziertes Glykoprotein mit einem Kohlenhydratanteil von ca. 30 % und besitzt Hormoneigenschaften.
Struktur
Das humane Choriongonadotropin besteht aus 237 Aminosäuren und ist aus einer α- und einer β-Kette zusammengesetzt, die nicht kovalent miteinander verbunden sind. Die 92 Aminosäurereste umfassende α-Kette ist nahezu identisch ist mit der von Follitropin (Follikelstimulierendes Hormon), Lutropin (Luteinisierendes Hormon) und Thyreotropin. Die 139 Aminosäure lange β-Kette, auch als hCGβ bezeichnete Untereinheit, hingegen ist spezifisch für hCG.
Molmasse
38 kDa.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Physiologisch wird das humane Choriongonadotropin in Synzytiotrophoblasten der Plazenta gebildet. Bei Keimzelltumoren geht seine Bildung von trophoblastären Strukturen oder auch von synzytiotrophoblastären Riesenzellen (den Seminomen) aus. Die Ausscheidung erfolgt überwiegend renal; desialinisierte Varianten werden vornehmlich hepatisch über die Bindung an den Asialoglykoproteinhormon-Rezeptor der Leber eliminiert. Beeinträchtigungen der Nierenfunktion können zu erhöhten hCG-Werten führen.
hCG wird schon früh nach Konzeption in der sich entwickelnden Plazenta in den Synzytiotrophoblasten synthetisiert und steigt zu Beginn der Schwangerschaft rasch im Serum und Urin der Mutter an. Die beiden Ketten werden zunächst getrennt voneinander synthetisiert. Während die α-Kette von einem einzigen Gen kodiert wird, existieren 6 Gene für die β-Untereinheit. Die Sekretion erfolgt erst nach Dimerisierung und Glykosilierung. Die Ausscheidung erfolgt renal; desialinisierte Varianten werden überwiegend hepatisch über eine Bindung an den Asialoglykoprotein-Rezeptor der Leber eliminiert.
Halbwertszeit
Die Halbwertszeit konnte in Patienten nach vollständiger Entfernung eines hCG-bildenden Tumors ermittelt werden. Danach fällt die Serumkonzentration mit einer angenäherten Halbwertszeit von 1–3 Tagen ab.
Funktion – Pathophysiologie
Im Vergleich zum Schwangerschaftshormon hCG treten bei Patienten mit Trophoblastentumoren verschiedene definierte molekulare Varianten von hCG auf: Diese Mikroheterogenität des Hormons betrifft u. a.:
  • Variationen in der Peptidstruktur und ihrer Verbindungen („nicked hCG“)
  • Veränderungen im terminalen Sialinsäuregehalt („Asialo-hCG“)
  • Fragmentierung des hCG-Moleküls
Veränderungen im Kohlenhydratanteil des hCG beeinflussen den hepatischen Metabolismus und somit die physiologische Halbwertszeit. Außerdem ist die biologische Wirkung des Hormons vom Glykosilierungsgrad abhängig. Trotz der hCG-Varianten ist die Spezifität (Spezifität, diagnostische) von hCG als Tumormarker nicht eingeschränkt.
Der Nachweis erheblicher Mengen von hCG im Blut oder Urin einer Frau ist ein sehr starker Indikator für eine Schwangerschaft. Physiologisch verhindert dieses Hormon die Monatsblutung nach Einnistung des Embryos in die Gebärmutterschleimhaut. In vielen malignen Tumoren lassen sich erhöhte Werte von hCG oder hCGβ nachweisen.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Serum/Plasma oder Urin (Schwangerschaft); Serum/Plasma, Aszites, Pleurapunktat (maligne Tumoren).
Präanalytik
Keine besonderen Vorkehrungen erforderlich.
Probenstabilität
Im Serum bei Raumtemperatur bis 2 Tagen, bei 4 °C bis 1 Woche.
Analytik
Enzymimmunoassay (EIA), Radioimmunoassay (RIA), Immunradiometrischer Assay (IRMA), Elektrochemilumineszenz-Immunoassay (ECLIA), insbesondere unter Verwendung monoklonaler Antikörper.
Es existieren 3 verschiedene Immunoassays zur Bestimmung von hCG und/oder seiner β-Untereinheit. Sie erfassen
  • das intakte dimere hCG-Molekül, bestehend aus einer α- und β-Untereinheit (hCG),
  • nur die freie β-Untereinheit (hCGβ),
  • sowohl intaktes hCG als auch die freie β-Untereinheit (hCG + hCGβ).
Für den Einsatz als Tumormarker muss das Testsystem hCG und hCGβ erfassen, da bestimmte Untergruppen von Hodentumoren, v. a. Seminome und selten Chorionkarzinome nur die freie β-Kette und kein intaktes hCG sezernieren können.
Konventionelle Einheit
U/L.
Referenzbereich – Frauen
Empfohlener Referenzbereich im Serum: bis 5 IU/L (Serum, hCG und hCG + hCGβ) vor der Menopause (jedoch nicht bei Schwangeren); bis 10 U/L (Serum, hCG und hCG + hCGβ) nach der Menopause; bis 0,2 IU/L (Serum, freies hCGβ).
In der Schwangerschaft (Wochen nach Empfängnis):
  • 3. Woche bis 50 U/L
  • 4. Woche bis 400 U/L
  • 7. Woche 5000–90.000 IU/L
  • 10. Woche 40.000–230.000 IU/L
  • 13. Woche 40.000–140.000 IU/L
  • 2. Schwangerschaftsdrittel 8000–100.000 IU/L
  • 3. Schwangerschaftsdrittel 5000–65.000 IU/L
Mittels käuflicher Schwangerschaftstests wird lediglich ein qualitativer Nachweis von hCG und hCGβ im Harn geführt.
Referenzbereich – Männer
Bis 5 IU/L (Serum, hCG und hCG + hCGβ); bis 0,2 IU/L (Serum, freies hCGβ).
Referenzbereich – Kinder
S. Männer
Indikation
Vorwiegend dient die Bestimmung von hCG und hCGβ zur frühen Erkennung einer Schwangerschaft. Der Test kann aus dem Serum oder aus dem Urin geführt werden. hCG wird aber auch von einigen seltenen Tumoren der Keimdrüsen produziert und dient daher als Tumormarker, insbesondere bei der Verlaufskontrolle und Therapieüberwachung. Dabei kann zwischen einer absoluten und einer relativen Indikation unterschieden werden.
Absolute Indikation
Relative Indikation
  • Überwachung von Patienten mit erhöhtem Risiko eines Keimzelltumors
    • Gesunder eineiiger Zwillinge eines Patienten mit Hodentumor
    • Patienten in Vollremission nach Therapie eines Hodentumors
  • Andere Tumoren, die hCG sezernieren; insbesondere Prognose
Weitere Indikationen
  • Frühdiagnose der Schwangerschaft
  • Diagnose des Spontanabortes
  • Diagnose chromosomaler Anomalien (Trisomie 21)
Es ist darauf hinzuweisen, dass einige Testhersteller die Diagnose oder Überwachung von Tumorerkrankungen ausdrücklich nicht in die Indikationsliste ihres hCG-Assays aufgenommen haben.
Interpretation
Die meisten hCG-Assays sind für die Anwendung im Serum und Plasma ausgetestet und können auch für die hCG-Bestimmung in anderen Körperflüssigkeiten eingesetzt werden.
Die hCG-Bestimmung ist nicht als Screeningmethode maligner Tumoren geeignet, kann jedoch für die Überwachung von Risikogruppen (s. Indikation) eingesetzt werden. Ist eine Schwangerschaft ausgeschlossen, sprechen Konzentrationen über 10 U/L mit großer Wahrscheinlichkeit für einen malignen Tumor: Für die Diagnostik von Keimzelltumoren ist die Kombination von hCG und AFP (α1-Fetoprotein) angezeigt. Erhöhte hCG-Konzentrationen finden sich bei insbesondere beim testikulären oder plazentaren Chorionkarzinom und der Blasenmole (jeweils bis zu einigen Millionen U/L), außerdem beim Seminom (definitionsgemäß AFP-negativ) und bei nichtseminomatösen Keimzelltumoren des Hodens mit Ausnahme des hCG-negativen (und AFP-positiven) Dottersacktumors. Dabei ist zu beachten, dass im Verlauf eine Wandlung des Tumortyps erfolgen kann, wodurch sich auch die Markerkonstellation verändern kann.
Auch nichttrophoblastische Tumoren wie das kolorektale Karzinom, Magenkarzinom, Pankreaskarzinom, hepatozelluläre Karzinom, Bronchialkarzinom, Ovarialkarzinom, Mammakarzinom und das Nierenzellkarzinom können hCG und insbesondere die freie β-Kette des hCG sezernieren. Aufgrund der geringeren Freisetzung dient hier das hCG weniger der Unterstützung der Diagnose; allerdings hat es bei einigen Tumoren prognostische Bedeutung.
Ebenso finden sich bei Metastasen nichtseminomatöser Keimzelltumoren im Vergleich zum Primärtumor seltener Erhöhungen des hCG. Eine Normalisierung des hCG-Spiegels nach Orchiektomie kann in diesen Fällen somit eine Tumorentfernung vortäuschen.
Benigne Erkrankungen führen in der Regel nicht zu erhöhten hCG-Konzentrationen im Serum. Ausnahme sind Niereninsuffizienzen, bei denen die Elimination von hCG beeinträchtigt ist. Außerdem ist bei der Bewertung der hCG-Konzentration eine potenziell vorliegende Schwangerschaft zu berücksichtigen, die insbesondere im ersten Trimenon mit deutlich erhöhten Werten einhergeht.
Eine Erhöhung des hCG ist ein natürlicher Indikator einer Schwangerschaft (insbesondere Mehrlingsschwangerschaften).
Diagnostische Wertigkeit
  • Keimzelltumoren (Blasenmole und Chorionkarzinom, Hodentumor): Diagnose, Therapiemonitoring und Rezidiverkennung
  • Extragonadale Keimzelltumoren: Diagnose, Therapiemonitoring und Rezidiverkennung
  • Überwachung von Risikogruppen für die Entwicklung eines Keimzelltumors
  • Nichttrophoblastische Tumoren: Prognose
Die Zuverlässigkeit der Urinschwangerschaftstests ist >95 %. Diese Tests liefern i. d. R. bei bestehender Schwangerschaft etwa 14 Tage nach der Befruchtung (ca. 1 Tag nach Ausbleiben der Regelblutung) ein positives Ergebnis. Im Blut gelingt der Nachweis von hCG etwas früher als im Harn (ca. 9 Tage nach der Empfängnis, also noch vor Ausbleiben der Menstruation). Falsch negative Ergebnisse im Harn finden sich in der Frühschwangerschaft bei starker Diurese und bei Spätovulation. Wenn der Test also negativ ausfällt, ist eine Schwangerschaft nicht sicher ausgeschlossen und sollte bei begründetem Verdacht nach einigen Tagen wiederholt werden. Ein falsch positives Testergebnis kann resultieren, wenn es zur Befruchtung und Einnistung der Eizelle kommt, die zu einem frühen Zeitpunkt aufgrund einer Fehlentwicklung abgestoßen wird.
Literatur
Lamerz R (2012) hCG (humanes Choriongonadotropin. In: Thomas L (Hrsg) Labor und Diagnose, 8. Aufl. TH-Books, Frankfurt am Main, S 1666–1673
Stieber P, Heinemann V (2008) Sinnvoller Einsatz von Tumormarkern. J Lab Med 32:339–360
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Trapé J et al (2011) Increased plasma concentrations of tumour markers in the absence of neoplasia. Clin Chem Lab Med 49:1605–1620CrossRefPubMed