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CYP450 21A2-Mutation

Verfasst von: M. Bidlingmaier
CYP450 21A2-Mutation
Synonym(e)
Steroid-21-Hydroxylase-Genmutation; 21-Hydroxylasemangel; Adrenogenitales Syndrom
Englischer Begriff
P450 21A2 mutation; steroid 21-hydroxylase mutation; steroid 21-monooxygenase mutation; 21α-hydroxylase mutation; 21 hydroxylase deficiency; congenital hyperplasia (CAH)
Definition
Das Enzym Cytochrom P450 21A2 ist die wichtigste Steroid-21-Hydroxylase. Der durch Mutationen im entsprechenden Gen hervorgerufene Enzymmangel ist verantwortlich für ungefähr 95 % aller Fälle des adrenogenitalen Syndroms (AGS) beim Menschen, einer mit Störungen der adrenalen Steroidbiosynthese einhergehenden Erkrankung.
Beschreibung
Cytochrom P450 21A2 ist eine aus 494 Aminosäuren bestehende Oxidoreduktase (Molekulargewicht 55,9 kDa). Das Enzym katalysiert die 21-Hydroxylierung von Progesteron und 17α-Hydroxyprogesteron zu 11-Deoxykortikosteron und 11-Deoxykortisol und stellt damit ein Schlüsselenzym auf dem Weg zur Synthese der adrenalen Steroide Kortisol und Aldosteron dar.
Das Gen ist auf Chromosom 6 innerhalb der HLA-Klasse-III-Region. Mutationen entstehen oft durch Rekombination mit einem ca. 30 kb entfernt gelegenen Pseudogen CYP21A1P. Die Inzidenz des klassischen AGS mit 21-Hydroxylasemangel variiert stark zwischen ethnischen Gruppen, mit durchschnittlich ca. 1 Fall auf 10000 Geburten gehört es jedoch zu den häufigsten monogenetisch vererbten Erkrankungen. Bei autosomal-rezessivem Erbgang beträgt die Heterozygotenfrequenz 1:55.
Aus der reduzierten oder fehlenden Enzymaktivität resultiert ein Mangel an Gluko- und Mineralokortikoiden, welcher auf hypophysärer Ebene wegen des ausbleibenden negativen Feedbacks zu einer vermehrten ACTH-Freisetzung führt. Dies bewirkt die adrenale Hyperplasie sowie eine permanente Stimulation der adrenalen Steroidbiosyntheseschritte vor dem Enzymdefekt. Nachdem einzig die Synthese der Androgene nicht durch den Enzymmangel betroffen ist, werden die angestauten Präkursoren – insbesondere 17α-Hydroxyprogesteron – über alternative Stoffwechselwege hin zu den Androgenen metabolisiert.
Klinisch unterscheidet man beim 21-Hydroxylasedefekt eine schwere, klassische und eine mildere, nicht klassische, früher auch als „late-onset“ bezeichnete Form, bei der ca. 20–30 % der Enzymaktivität erhalten ist. Bei der klassischen Form sind wiederum eine mit schweren adrenalen Krisen des Neugeborenen verbundene Salzverlustform und eine einfach virilisierende Form abzugrenzen. Bei letzterer sind ca. 1–2 % der Enzymaktivität erhalten, was zusammen mit einer minimalen Aldosteronproduktion die Krisen verhindert. Neben der unterschiedlich stark ausgeprägten Nebennierenrindeninsuffizienz steht die Hyperandrogenämie klinisch im Vordergrund, diese führt je nach Geschlecht und Schwere des Enzymdefekts zu unterschiedlich starker Virilisierung. Bei Mädchen kommt es durch die massive pränatale Androgenexposition bei chromosomal weiblichem Geschlecht (46,XX) zum Pseudohermaphroditismus femininus mit männlichem äußeren Genitale. Unbehandelt kommt es bei beiden Geschlechtern zu einer Pseudopubertas praecox mit beschleunigtem Knochenwachstum, aber vorzeitigem Schluss der Epiphysenfugen. Die hohen Androgenspiegel führen zu einer Hemmung der Entwicklung der Gonaden mit Amenorrhoe bzw. Hodenatrophie und Azoospermie. Bei der milden, zunächst oft unbemerkt gebliebenen nicht klassischen Form des AGS können Mädchen in der Pubertät durch unterschiedlich stark ausgeprägte Symptome wie Hirsutismus, Akne, Klitorishypertrophie und prämature Pubarche auffallen, Knaben und Männer sind meist symptomlos.
Im Zentrum der derzeit verfügbaren therapeutischen Strategien steht eine adäquate Substitution von Gluko- und ggf. auch Mineralokortikoiden. Die Patienten brauchen eine angemessene Schulung für die unerlässliche Anpassung der Glukokortikoiddosis in Krisensituationen und einen Notfallausweis. Die Substitutionstherapie hat neben der Verhinderung von potenziell tödlichen Nebennierenkrisen auch zum Ziel, über die Hemmung der ACTH-Sekretion den Androgenexzess zu kontrollieren. Theoretisch möglich ist eine pränatale Therapie der Mutter mit Dexamethason. Die Therapie ist umstritten, da bei heterozygoten Eltern ja nur einer von 8 Feten homozygot weiblich wäre und somit potenziell profitieren würde. Die potenziell nicht unerheblichen Risiken der pränatalen Dexamethasonexposition auch für nicht betroffene Feten müssen hier genauso mit bedacht werden wie die Möglichkeiten und Risiken einer pränatalen Diagnostik (Chorionzottenbiopsie, Amniozentese, zellfreie DNA). Andere Therapieoptionen (Enzyminhibition, ACTH-Antagonisierung, Gentherapie) werden erst untersucht.
Labordiagnostisch steht meist die Messung des charakteristischen Präkursors 17α-Hydroxyprogesteron im Vordergrund. Dieses ist bei schweren Formen bereits basal erhöht. Unter Stimulation mit ACTH fallen jedoch Heterozygote durch einen überschießenden Anstieg auf. Ergänzend wird das adrenale Androgen Androstendion gemessen. Die Bestimmung von 17α-Hydroxyprogesteron ist heutzutage in über 40 Ländern routinemäßiger Bestandteil des Neugeborenenscreenings. Die frühzeitige Diagnose erlaubt eine adäquate Therapie und somit die Verhinderung der gefürchteten neonatalen Nebennierenkrisen, auch wenn das Screening wegen der mäßigen Spezifität nicht unumstritten ist. Bei der molekularbiologischen Analyse des zugrunde liegenden Gendefekts muss die Anwesenheit des Pseudogens berücksichtigt werden.
Literatur
El-Maouche D, Arlt W, Merke DP (2017) Congenital adrenal hyperplasia. Lancet 11;390(10108):2194–2210CrossRef
Pallan PS, Wang C, Lei L, Yoshimoto FK, Auchus RJ, Waterman MR, Guengerich FP, Egli M (2015) Human Cytochrome P450 21A2, the Major Steroid 21-Hydroxylase: structure of the enzyme progesterone substrate complex and rate-limiting C–H bond cleavage. J Biol Chem 290(21):13128–13143CrossRefPubMedPubMedCentral