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Cytomegalie-Viren

Verfasst von: W. Stöcker
Cytomegalie-Viren
Englischer Begriff
Cytomegalovirus
Beschreibung des Erregers
Familie: Herpesviridae; humanes Herpes-Virus 5.
Erkrankung
Cytomegalie (Manifestation einer CMV-Infektion) wird horizontal über infektiöse Körperflüssigkeiten (Muttermilch, Speichel, Urin, Genitalsekret), Blut- und Blutprodukte sowie transplantierte Organe übertragen oder vertikal, von der Schwangeren auf das Kind. Die Inkubationszeit beträgt je nach Übertragungsweg 3–12 Wochen. Die Infektion verläuft in der Regel asymptomatisch, gelegentlich ähnlich wie eine infektiöse Mononukleose mit Fieber, Pharyngitis und Lymphadenopathie. Bei immunsupprimierten Patienten (Transplantatempfänger, AIDS) manifestiert sich eine Cytomegalie dagegen häufig als Retinitis, interstitielle Pneumonie und Enteropathie. Reaktivierungen einer latenten Infektion verlaufen bei immunkompetenten Personen asymptomatisch, bei Personen mit geschwächter Immunität dagegen oft unter dem Krankheitsbild der akuten Infektion. In Deutschland liegt die Seroprävalenz in Abhängigkeit von Lebensstandard und Lebensalter im Erwachsenenalter bei 30–40 %.
Cytomegalie-Viren sind die häufigste Ursache konnataler Infektionen mit einer Rate von etwa 1 % aller Neugeborenen. Bei Primärinfektionen in der Schwangerschaft beträgt die Transmissionsrate 30–40 %, bei Reaktivierungen lediglich 1,4 %. Schädigungen des Fetus sind vor allem bei Infektionen in den ersten 20 Wochen der Schwangerschaft zu beobachten: Von den Infizierten kommen 5 % mit Hautblutungen, Hepatosplenomegalie, Ikterus, Mikrozephalus, Chorioretinitis und anderen Schädigungen zur Welt (Letalität 10 %). Die übrigen 95 % der CMV-infizierten Neugeborenen erscheinen klinisch zunächst unauffällig, bei jedem Zehnten von ihnen muss allerdings mit Hörschäden und einer mentalen Retardierung gerechnet werden. Eine Infektion über die Muttermilch ist möglich, bleibt aber für reife Neugeborene in der Regel folgenlos – Frühgeborene können allerdings an einer akuten CMV-Primärinfektion erkranken.
Es ist wichtig, die seronegativen Schwangeren frühzeitig zu identifizieren, um ihnen Expositionsprophylaxe und Hygienemaßnahmen nahezulegen. Die Ermittlung des CMV-Antikörperstatus ist derzeit noch nicht in der infektionsserologischen Vorsorgediagnostik für Schwangere vorgesehen, was von einigen Experten kritisiert wird. Transfusionen für Transplantatempfänger oder andere immunkompromittierte Patienten sollten ausschließlich mit dem Blut CMV-seronegativer Spender durchgeführt werden, wenn solche nicht zur Verfügung stehen, ist es anzuraten, die Leukozyten z. B. vor der Transfusion abzufiltrieren.
Ein geeigneter Impfstoff ist derzeit noch nicht verfügbar. Sowohl im Falle der konnatalen Cytomegalie als auch bei CMV-Erkrankungen immunsupprimierter Patienten werden Virostatika eingesetzt. Innerhalb der Schwangerschaft sind diese Medikamente nicht zugelassen. Hier liegen Studien zur Gabe CMV-spezifischen Hyperimmunglobulins nach Kontakt zu Virusausscheidern vor. In einigen Bundesländern wird CMV-seronegativen schwangeren Kindergärtnerinnen ein Arbeitsverbot erteilt.
Analytik
Erregernachweis: gelegentlich noch Virusanzucht in humanen Fibroblasten. In Gebrauch ist der spezifische immunzytologische Nachweis des CMV-Antigens pp65 in Leukozyten (gute Korrelation mit der Krankheitsaktivität). Die PCR-Diagnostik (s. PCR (Polymerase-Kettenreaktion)) erlaubt den Nachweis des viralen Genoms. Sie wird zur Bestimmung der CMV-Viruslast eingesetzt (Therapiemonitoring).
Serologie: Anti-CMV-Antikörper der Klassen IgG und IgM gegen das Vollvirus werden durch indirekte Immunfluoreszenz (Immunfluoreszenz, indirekte) oder mittels Enzymimmunoassay (u. a. Enzyme-linked Immunosorbent Assay, Chemilumineszenz Immunoassays) nachgewiesen. Die Bestimmung von IgM- bzw. IgG-Antikörpern gegen die rekombinant hergestellten CMV-Proteine p52 und Glykoprotein B (gB) sowie Aviditätstests ergänzen die klassische Serologie zur Unterscheidung akuter und konvaleszenter Infektionsphasen oder bei unklaren Befunden. Der Nachweis intrathekal synthetisierter Antikörper im Liquor dient zusammen mit dem Direktnachweis per PCR der Identifikation einer ZNS-Beteiligung.
Untersuchungsmaterial – Probenstabilität
Direktnachweis und Kultur: Untersucht werden Urin, Speichel, bronchoalveoläre Lavageflüssigkeit, Blut, Serum, Liquor, Fruchtwasser und Muttermilch. Das Material sollte bis zur Weiterverarbeitung bei +4 bis +8 °C aufbewahrt werden. Bei längerer Transportzeit ist das Material einzufrieren.
Serologie: Serum oder Plasma für den Nachweis der Antikörper sind bei +4 °C bis zu 2 Wochen lang beständig, bei −20 °C über Monate und Jahre hinweg. Zur Tiefkühlkonservierung des IgM kann man den Proben 80 % gepuffertes Glyzerin beifügen.
Diagnostische Wertigkeit
Klinisch ist eine CMV-Infektion nicht eindeutig zu diagnostizieren. Symptomatische akute Infektionen werden durch eine Kombination von Direktnachweis und Serologie erfasst. Bei IgM-reaktiven Proben, die gleichzeitig niedrig avides IgG evtl. in Kombination mit einem fehlenden Nachweis von IgG-Antikörpern gegen gB aufweisen, ist von einer akuten Infektion auszugehen. Ist die Avidität der IgG hoch bzw. sind IgG gegen gB nachweisbar, liegt wahrscheinlich eine Reaktivierung vor. Ein signifikanter Anstieg des spezifischen Anti-CMV-IgG innerhalb von 1–2 Wochen beweist eine akute Infektion. Findet man Antikörper der Klasse IgG mit hoher Avidität, so besteht bei immunkompetenten Personen Schutz vor einer Sekundärinfektion.
In der Transfusions- und Transplantationsmedizin ist der CMV-Status des Spenders und des Empfängers zu beachten, um primäre Infektionen und Reinfektionen zu vermeiden. Auch bei seropositiven Empfängern kann eine Reinfektion ausgelöst werden, insbesondere wenn die Immunitätslage geschwächt ist.
Bei Verdacht auf eine akute Infektion in der Schwangerschaft kann im fetalen Blut spezifisches IgM oder in der Amnionflüssigkeit (Amniocentese) durch PCR virales Genom bestimmt werden. Parallel dazu wird die Schwangerschaft engmaschig mittels Ultraschalldiagnostik überwacht.
Im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge ist die frühe Untersuchung des mütterlichen Serostatus sinnvoll. Im Falle einer negativen Serologie muss eine umfangreiche Beratung betreffs Expositionsprophylaxe erfolgen. Darüber hinaus stehen initiale Ausgangsbefunde zur Verfügung, die später bei Verdacht auf eine Infektion im Verlaufe der Schwangerschaft zusammen mit einer Folgeprobe eine sichere Diagnostik ermöglichen, weil man einen Anstieg des Antikörperspiegels nachweisen oder ausschließen kann.
Literatur
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