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Fibrinogen

Verfasst von: T. Stief und P. Kiefer
Fibrinogen
Synonym(e)
Faktor I
Englischer Begriff
fibrinogen
Definition
Fibrinogen ist ein dimeres wasserlösliches Protein, die Vorstufe für in Plasma schwerlösliches Fibrin (Antithrombin-1). Die folgende schematische Darstellung des Fibrinogenmoleküls zeigt die trinoduläre Struktur des Fibrinogens mit den beiden globulären Domänen D und E, der C-terminalen Extension der α-Ketten, Disulfidbrückenbindungen und den Fibrinopeptiden A und B.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Jede Hälfte des symmetrischen dimeren Proteins besteht aus je 3 über Disulfidbrücken verknüpften Polypeptidketten (Aα, Bβ, γ). A und B beziehen sich auf die N-terminalen 16 bzw. 14 Aminosäurereste (Fibrinopeptide A [FpA] und B [FpB]), die durch Thrombin zunächst von der α-, dann von der β-Kette abgespalten werden. Es entsteht Fibrin-Monomer (bereits nach Abspaltung von FpA) , das dann zu Fibrin-Polymer auspolymerisiert.
Die 3 Polypeptidketten des Fibrinogens werden koordiniert in Hepatozyten und möglicherweise auch in Megakaryozyten synthetisiert. Kodiert werden die 3 Ketten von verschiedenen, aber verwandten Genen, die auf dem langen Arm des Chromosoms 4 lokalisiert sind. Alternatives Spleißen der Transkripte, die für die γ-Kette kodieren, resultiert in Polypetide geringer Längenunterschiede (411 Aminosäuren [AS] bzw. 427 AS). Hepatozyten exprimieren eine 610 AS lange Aα-Kette und eine 461 AS lange Bβ-Kette. Nach Zusammenbau der 3 Polypeptidketten im endoplasmatischen Retikulum und nach Glykosylierung und Phosphorylierung sekretieren die Hepatozyten ein Molekül mit einer Molmasse von ca. 340 kDa in die Zirkulation. Fibrinogen findet sich auch in anderen Zellen und wird in den α-Granula der Plättchen gespeichert. Die Konzentration im Plasma beträgt ca. 8 +- 2 μM (100 % der Norm = ca. 2.8 g/l). Die Konzentrationen in der Lymphe oder in der Interstitialflüssigkeit liegen bei ca. 20–40 % der des Plasmas. Im Plasma hat Fibrinogen eine Halbwertszeit von 3–5 Tagen. Fibrinogen bindet als Adhäsivprotein an Fibronectin, Von-Willebrand-Faktor, Thrombin, Heparin und Calcium-Ionen.
Funktion – Pathophysiologie
Fibrinogen ist ein Akute-Phase-Protein (z. B. bei Entzündungen, Traumen, nach Operationen, Tumoren, Verbrennungen), dessen Konzentration im Plasma unter Einfluss von Tumornekrosefaktor-α (TNF-α), Interleukin-1 und Interleukin-6 um bis zu ca. 100–200 % der Ausgangskonzentrationen ansteigen kann (Hyperfibrinogenämie). Schwere Leberfunktionsstörungen mit Verlust von Parenchymzellen (fortgeschrittene Leberzirrhose, Intoxikationen) gehen mit verminderten Fibrinogenwerten (Hypofibrinogenämie) einher. Fibrinogenmangel findet sich bei einer disseminierten intravasalen Koagulopathie (DIC), wobei die Fibrinogenkonzentration infolge der Akute-Phase-Reaktion auch pseudonormal sein kann. Fibrinogenkonzentrationen sinken durch eine systemische fibrinolytische Therapie, Asparaginase-Therapie oder Therapien mit thrombinähnlichen Enzymen (Ancrod, Defibrase) induziert werden.
Die eher seltenen kongenitalen Dysfibrinogenämien gehen in der Regel mit einer eingeschränkten Funktion und erniedrigten Antigenkonzentrationen einher. Etwas mehr als die Hälfte der angeborenen Dysfibrinogenämien sind klinisch inapparent; ca. ein Viertel geht mit einer milden Blutungsneigung einher, während bei den Übrigen klinisch eine Thrombophilie vorliegt.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Citratplasma.
Präanalytik
Die Plasmagewinnung sollte innerhalb von 2 h nach der Blutentnahme erfolgen. Die Probe ist bei Raumtemperatur ca. 2 h stabil.
Analytik
  • Fibrinogenbestimmung nach Claus: Der Test ist eine Variation der Thrombinzeit, wobei das Probenplasma in den optimalen Messbereich zwischen 0,1–0,4 g/L verdünnt wird und ein Überschuss an Thrombin zugegeben wird. Unter diesen Bedingungen ist die Fibrinogenkonzentration der geschwingkeitsbestimmende Reaktionspartner und die gemessene Gerinnungszeit der Fibrinogenkonzentration proportional. Heparin, Hirudin oder sehr hohe Konzentrationen an Fibrinogenspaltprodukten können die Bestimmung stören.
  • Derived Fibrinogen: Wenn die Prothrombinzeit nephelometrisch oder turbidimetrisch durch Endpunktmessung bestimmt wird, dann ist die Gesamtzunahme der Trübung direkt proportional der Konzentration an gerinnbarem Fibrinogen (insbesondere verlässlich im Bereich 3–6 g/L).
  • Kinetische Fibrinogenbestimmung: Der kinetische Assay benutzt Batroxobin, und die Fibrinbildung wird turbidometrisch gemessen. Diese Methode hat einen weiten Messbereich, eine gute Präzision und lässt sich leicht automatisieren.
  • Methode nach Ratnoff-Menzie: Eine Methode, die ähnlich der Methode ist, die derzeit zur Erstellung des internationalen Standards eingesetzt wird. Fibrinogen wird quantitativ in Fibrin durch Thrombin und Calcium-Ionen umgesetzt, und das Fibringerinnsel wird gewaschen und hydrolysiert. Der Proteingehalt des Hydrolysats wird anschließend fotometrisch bestimmt.
  • Immunologische Tests zur Bestimmung von Fibrinogen basieren auf Nephelometrie (Immunnephelometrie) oder ELISA (Enzyme-linked Immunosorbent-Assay). Sie unterscheiden in der Regel nicht zwischen gerinnbarem Fibrinogen oder inaktivem Fibrinogen und erfassen auch Fibrinogenabbauprodukte. Daher kann mit solchen Methoden bei thrombolytischen Therapien oder bei einer Verbrauchskoagulopathie das Potenzial an gerinnbarem Fibrinogen überschätzt werden.
  • Turbidimetrische Bestimmung der Fibrinogenfunktion: Ein neuer Test (FIFTA) inkubiert 1 Teil Plasma mit 2 Teilen 0,3 IE/mL Thrombin, 6 % Humanalbumin, 0,4 mg/L Polybrene (Heparininhibitor). Die Extinktion (z. B. bei 405 nm) wird nach 0 und 2 Minuten (37 °C) gemessen (z. B. am Mikrotiterplattenphotometer). Die entstehende Plasmatrübung ist direkt proportional zur Fibrinogenfunktion.
  • Turbidimetrische Bestimmung der Fibrinogenkonzentration. Ein neuer Test (FIATA) inkubiert Plasma mit 4,4 mM Vancomycin- PBS-Reagenz. Die entstehende Plasmatrübung (z. B. bei 405 nm, meßbar am Mikrotiterplattenphotometer) ist direkt proportional zur Fibrinogenkonzentration.
Referenzbereich – Erwachsene
2,8±0,6 g/L (Mittelwert +- 1 Standardabweichung).
Indikation
  • Verdacht auf kongenitale Hypo- oder Hyperfibrinogenämien oder Dysfibrinogen
  • Verdacht auf erworbene Hypo- oder Hyperfibrinogenämien
Interpretation
Bei akut entzündlichen Erkrankungen sind Fibrinogenwerte bis zu ca.10 g/L möglich. Erhöhte Konzentrationen gelten als Risikofaktor für koronare und zerebrale atherothrombotische Erkrankungen. Extrem niedrige Fibrinogenkonzentrationen (0,1–0,5 g/L) werden selten beobachtet; sie sind zu finden bei Verbrauchskoagulopathien, Hyperfibrinolysen, Leberfunktionsstörungen und systemischen fibrinolytischen Therapien (cave: in vitro Hyperfibrinolyse, da das Citrat der Monovette die Fibrinolyse nicht hemmt). Kongenitale Hypofibrinogenämien führen selten zu spontanen Blutungsneigungen, müssen jedoch vor größeren Eingriffen ausgeglichen werden. Eine Fibrinogenfunktion unter 1 g/L ist ein Risiko für zerebrale Blutung.
Diagnostische Wertigkeit
Routineparameter der Gerinnungstestung.
Literatur
Mackie IJ, Kitchen S, Machin SJ, Lowe GD (2003) Guidelines on Fibrinogen Assay. Brit J Haematol 121:396–404CrossRef
McDonagh (2001) Dysfibrinogenemia and other disorders of fibrinogen structure or function. In: Colman RW, Hirsh J, Marder VJ (Hrsg) Hemostasis and thrombosis. Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, S 855–892
Stief TW (2007) The fibrinogen antigenic turbidimetric assay (FIATA). The χ2x test: the corrected chi-square comparison against the control-mean. Clin Appl Thrombosis/Hemostasis 13:73–100CrossRef
Stief TW (2008) The fibrinogen functional turbidimetric assay. Clin Appl Thromb/Hemost 14:84–96CrossRef