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Gerinnungsfaktor VIII

Verfasst von: T. Stief
Gerinnungsfaktor VIII
Synonym(e)
Antihämophiles Globulin A; FVIII; FVIII:C; Factor VIII-clotting-activity; F8
Englischer Begriff
factor VIII; F8
Definition
Das Glykoprotein Faktor VIII (F8) ist Kofaktor der Serinprotease Faktor IXa (F9a), der das Enzym in der intrinsischen Tenase ist, d. h. der intrinsische Aktivator von Gerinnungsfaktor X (F10).
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Das sekretierte Glykoprotein hat 2332 Aminosäuren, die sich in 3 verschiedenen Typen von Domänen anordnen: 3 homologe A-(A1,2,3)Domänen, 2 homologe C-(C1,2)Domänen und eine große, stark N- und O-glykosylierte zentrale B-Domäne (NH2-A1-A2-B-A3-C1-C2-COOH). Die A-Domänen zeigen Homologien zum Kupferionen-bindenden Coeruloplasmin und zum F5. Nach intrazellulärer Prozessierung der B-Domäne wird F8 als Heterodimer sekretiert (schwere Kette: NH2-A1-A2; leichte Kette A3-C1-C2-COOH).
Das F8-kodierende Gen (Molmasse von F8: ca. 280 kDa) wurde auf dem langen Arm von Chromosom X (Xq28) lokalisiert. Das Gen besitzt 26 Exons und umfasst mindestens 186 kb. Primär wird Faktor VIII im Endothel (z. B. in den sinusoidalen Endothelzellen der Leber) synthetisiert. Bindung an ER-(endoplasmatische Retikulum)Chaperone (Bip, Calnexin, Calreticulin) und Freisetzung aus der Bindung bestimmen die Sekretionseffizienz von Faktor VIII.
In der Zirkulation schützt die Bindung von Faktor VIII (leichte Kette) an den Von-Willebrand-Faktor (VWF) vor vorzeitigem Abbau. Circa 95 % des Faktor VIII ist an VWF gebunden. Diese Bindung stabilisiert Faktor VIII: Patienten mit einem Typ 3 der Von-Willebrand-Erkrankung haben nur eine Faktor-VIII-Restaktivität von 1–4 % im Plasma. Infusionen von Faktor-VIII-Konzentraten ergaben Halbwertszeiten von 10–20 h. Nach spezifischer Prozessierung durch Thrombin entsteht der aktivierte heterotrimere Kofaktor Faktor VIIIa, (F8a), der Kofaktor für F9a. Die Inaktivierung von Faktor VIIIa erfolgt durch spezifische Spaltung in den Domänen A1 und A2 durch das aktivierte Protein C (PCa).
Funktion – Pathophysiologie
Im aktivierten Kofaktor Faktor VIIIa sind die A-Domänen nur noch über nicht kovalente Interaktionen verbunden, die durch bivalente Metallionen stabilisiert werden. Die im aktivierten Faktor noch verbleibende VWF-Bindungsstelle in der C2-Domäne kann durch eine hochaffine Bindungsseite für Phospholipide kompetitiert werden. Die A-Domäne erlaubt dann eine spezifische Interaktion mit dem ebenfalls an die Phospholipidoberfläche gebundenen Faktor IXa. An einer Lipidoberfläche verstärkt der aktivierte Faktor VIIIa die Katalyse von Faktor X durch den Faktor IXa um das 100.000-Fache.
PCa inaktiviert F8a durch Spaltung der Peptidbindungen Arg336-Meth und Arg562-Gly.
Daneben können auch andere Trypsin-ähnliche Proteasen (Plasmin, Neutrophilenelastase) oder reaktive Sauerstoffspecies (ROS) z. B. vom Typ Singlet Oxygen Faktor VIIIa zerstören. Der (X-linked) angeborene Faktor-VIII-Mangel (Hämophilie A) ist mit 1:5000 die häufigste hereditäre Gerinnungserkrankung. Ein angeborener Mangel kann auch vorliegen, wenn die Bindungsstelle von Faktor VIII an den VWF mutiert ist (VWF Typ N) oder das VWF:Ag vermindert ist. Hemmkörperhämophilien führen zu einem erworbenen Faktor-VIII-Mangel. Die Inhibitoren sind im Allgemeinen temperaturabhängig und vom Typ IgG. Diese Inhibitoren können durch FEIBA (factor eight inhibitor bypassing activity) umgangen werden, zu monitoren ist FEIBA durch ultraspezifische Thrombin-Generierungsteste (INCA, RECA).
Da Faktor VIII zu den Akute-Phase-Proteinen gehört, finden sich deutlich erhöhte Faktor-VIII-Aktivitäten bei fast allen schweren Erkrankungen. Es bestehen klare Evidenzen für eine Korrelation zwischen einem erhöhten Faktor-VIII-Spiegel und einem erhöhten Thromboserisiko.
Untersuchungsmaterial
Citratplasma.
Präanalytik
Faktor VIII sollte innerhalb von 4 h nach Blutentnahme gemessen werden. Ist eine Messung nicht möglich, sollte plättchenarmes Plasma präpariert und sofort bei −70 °C eingefroren werden. −70 °C Einfrieren/Raumtemperatur Auftauen führt zu einer Aktivitätsminderung von ca. 10 %.
Hohe Aktivitäten werden nach erschwerter Blutentnahme (iatrogene Hämostaseaktivierung) fälschlich gemessen.
Analytik
Aktivitätsbestimmung als Varianten der aPTT. Der Einstufentest erfasst einige Missense-Mutationen des Faktor-VIII-Gens, die zu einer milden Hämophilie A führen, nicht korrekt. In Anwesenheit von Heparin und Lupus-Antikoagulans werden zu niedrige Aktivitätswerte gemessen.
Chromogener Test: Messung mittels eines Faktor-Xa-spezifischen Substrats. Bildung von Faktor Xa korreliert in einem Testansatz, dem Phospholipide, Calicium-Ionen, Thrombin, Faktoren IXa und X als Substrat zugesetzt sind, mit der Plasma-Faktor-VIII-Aktivität. Die chromogene Testmethode ist zur Testung von Faktor-VIII-Konzentraten vorgeschrieben. Nach Therapien mit rekombinanten Faktorenkonzentraten divergieren die Ergebnisse mit denen, die mit Einstufentests ermittelt wurden.
Immunologische Bestimmung des Faktor-VIII-Antigens (FVIII:Ag) mit monoklonalen Antikörpern mittels Enzyme-linked Immunosorbentassay (ELISA).
Referenzbereich – Erwachsene
Citratplasma: Faktor-VIII-Aktivität: 50–150 % (0,5–1,5 IE/ml), mit erheblichen intraindividuellen Schwankungen, Anstieg mit zunehmendem Alter, Anstieg in der Schwangerschaft oder bei Thrombophilie.
Referenzbereich – Kinder
S. Erwachsene
Indikation
  • Diagnose eines angeborenen (Hämophilie A, Von-Willebrand-Syndrom) Faktor-VIII-Mangels
  • Nachweis eines Hemmkörpers
  • Erhöhte Faktor-VIII-Aktivitäten im Rahmen einer Thrombophilieabklärung
  • Überwachung einer Substitutionstherapie mit Faktor-VIII-Konzentraten
  • Qualitätskontrolle von Faktor-VIII-Konzentraten
Interpretation
Patienten mit einer Faktor-VIII-Restaktivität von weniger als 1 % haben eine schwere Hämophilie A, die mit Spontanblutungen einhergehen. Faktor-VIII-Aktivitäten von mehr als 5 % werden als milde Formen der Hämophilie A betrachtet. Aktivitäten zwischen 25 und 50 % werden als Subhämophilie bezeichnet und benötigen eine Faktorensubstitution nur bei größeren operativen Eingriffen.
Diagnostische Wertigkeit
Da die Methoden zur Aktivitätsmessung des Faktors VIII nur bedingt vergleichbare Ergebnisse ergeben, ist der Einsatz von Standardplasmen unterschiedlicher Aktivität erforderlich. F8-Tests können durch F10a gestört werden.
Literatur
Barrowcliffe TW, Raut S, Sands D, Hubbard AR (2002) Coagulation and chromogenic assays of factor VIII activity: general aspects, standardization, and recommendations. Semin Thromb Hemost 28:247–255CrossRefPubMed
Barthels M, von Depka M (2003) Das Gerinnungskompendium. Georg Thieme Verlag, Stuttgart/New YorkCrossRef
Stief TW (2008) FEIBA triggers thrombin generation. Hemost Lab 1:201–208
Thompson AR (2003) Structure and function of the factor VIII gene and protein. Semin Thromb Hemost 29:11–22CrossRefPubMed