Zur Prognosebeurteilung von Patienten mit minimaler hepatischer Enzephalopathie geeigneter Belastungstest, bei dem vor und 60 Minuten nach oraler Applikation einer definierten Menge von L-Glutamin die Ammoniumkonzentration im peripheren Blut gemessen wird.
Durchführung
Vor sowie 30, 60 und 90 Minuten (oder einmalig nach 60 Minuten) nach oraler Aufnahme von 10 g L-Glutamin gelöst in 100 mL Wasser wird im arteriellen oder venösen Blutplasma die Konzentration von Ammonium gemessen (s. Abbildung).
Die folgende Abbildung zeigt, dass zum Abnahmezeitpunkt nach 60 Minuten bei Gesunden kein signifikanter Anstieg der Ammoniumkonzentration erfolgt:
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Funktion – Pathophysiologie
Enteral verabreichtes Glutamin wird im Dünndarm resorbiert und durch Glutaminase zu Ammonium und Glutamat in der Mukosa metabolisiert. Gebildetes Ammonium wird über den Portalkreislauf der Leber als Ort der definitiven Entgiftungsreaktion von Ammonium durch Harnstoffsynthese im Harnstoff- oder Krebs-Henseleit-Zyklus zugeführt. Normalerweise ist dieser Stoffwechselweg nur zu 25 % ausgelastet, sodass eine Glutaminbelastung nur bei signifikanter Einschränkung der Reservekapazität der hepatischen Ammoniumelimination zu einem Anstieg der peripheren Ammoniumkonzentration führt. Sie kann bedingt sein durch Verminderung des funktionellen Leberparenchyms und/oder Leberzellinsuffizienz sowie durch portosystemischen Kollateralkreislauf („shunt“).
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Plasma aus arteriell oder venös entnommenem EDTA-Vollblut, eisgekühlt.
Probenstabilität
Aufbewahrung des Plasmas maximal 2 Stunden bei 4 °C, stärkere Hämolyse (Hämolyse, in vivo und in vitro) und Gerinnung erzeugen höhere Konzentrationen (Serum > Plasma).
Analytik
Enzymatisch-optischer Test zur Bestimmung von Ammonium.
Referenzbereich ‐ Erwachsene
<75 μmol/L bei Abnahmezeitpunkt 60 Minuten. Kein signifikanter Konzentrationsanstieg von Ammonium bei Gesunden (s. Abbildung).
Risikobeurteilung für die Entwicklung einer manifesten hepatischen Enzephalopathie bei Patienten im Stadium der minimalen hepatischen Enzephalopathie
Interpretation
Ein pathologischer Glutaminbelastungstest bei Patienten mit minimaler hepatischer Enzephalopathie ist mit einem erhöhten Risiko der Entwicklung einer manifesten Enzephalopathie verbunden und somit prognostisch ungünstig.
Diagnostische Wertigkeit
Bei Patienten mit minimaler hepatischer Enzephalopathie hat der Funktionstest einen negativen prädiktiven Wert von 91,6 %, einen positiven prädiktiven Wert von 60 %, eine Spezifität von 93,2 % und eine Sensitivität von 54,5 % für die Vorhersage einer manifesten Enzephalopathie. Der Test war nützlich für die Abschätzung der Überlebensrate und für die Auswahl der Patienten für Lebertransplantation, ist jedoch heute durch MELD- oder Child-Turcotte-Pugh-Score ersetzt.
Literatur
Romero-Gómez M, Grande L, Camacho I et al (2002) Altered response to oral glutamine challenge as prognostic factor for overt episodes in patients with minimal hepatic encephalopathy. J Hepatol 37:781–787CrossRefPubMed