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Hämolyse, transfusionsbedingt intra- und extravasal

Verfasst von: K. Kleesiek, C. Götting, J. Diekmann, J. Dreier und M. Schmidt
Hämolyse, transfusionsbedingt intra- und extravasal
Englischer Begriff
Hemolysis
Definition
Abbau der Erythrozytenmembran mit Freisetzung der zellulären Bestandteile nach inkompatibler Erythrozytentransfusion.
Beschreibung
Hämolytische Transfusionsreaktionen werden durch Alloantikörper des Empfängers, die mit Antigenen auf der Membran der Spendererythrozyten reagieren, ausgelöst. Abhängig von der Spezifität und dem Titer des Antikörpers werden in Ausmaß und zeitlichem Ablauf deutliche Unterschiede beobachtet. So können schon während der Transfusion im Gefäßsystem starke Hämolysen (intravasale Hämolysen) oder zeitlich verzögert nach vorwiegend extravasalem Abbau der Erythrozyten Tage später Anämien auftreten.
Eine intravasale Hämolyse wird von allen Antikörpern ausgelöst, die bei ihrer Bindung an die korrespondierenden Erythrozytenantigene die Komplementkaskade bis C9 aktivieren. Dies sind vor allem die der IgM-Klasse angehörenden Isoagglutinine und die der IgG-Klasse angehörenden Isohämolysine Anti-A und Anti-B, erheblich seltener das Anti-Lea, das auch der IgM-Klasse angehört. Im Rahmen der Komplementaktivierung fallen hier die C5b-9-Komplexe an, die sich an der Erythrozytenmembran anlagern und diese derart schwer schädigen, dass das Membrangefüge zusammenbricht und der Zellinhalt in die Blutbahn austritt.
Der extravasale Abbau antikörperbeladener Erythrozyten und von Zellfragmenten erfolgt nach Gefäßaustritt in den Zellen des Monozyten-Makrophagen-Systems der Leber und/oder der Milz und wird durch Antikörper ausgelöst, die zwar die Komplementkaskade aktivieren, deren Aktivierung aber auf der C3-Stufe verbleibt. Eine andere Gruppe der Antikörper aktiviert kein Komplement. Im komplementvermittelten Abbau werden C3b-beladene Erythrozyten über Makrophagen mit C3b-Rezeptoren vorzugsweise in der Leber (intrahepatisch) abgebaut. In der Milz werden vorwiegend antikörperbeladene Erythrozyten über mononukleäre Zellen, die Fc-Rezeptoren besitzen, aus der Zirkulation entfernt. Dieser Vorgang wird als antikörpervermittelte zelluläre Zytotoxizität bezeichnet.
Die C3b-vermittelte intrahepatische Hämolyse kann durch einen Teil der Anti-Lea- und wahrscheinlich auch durch die Anti-Leb-Antikörper ausgelöst werden (Lewis (Le)-Blutgruppensystem). Außerdem wird sie durch Kälteagglutinine wie Anti-A1, Anti-P1, Anti-H und Anti-I, das als Autoantikörper auch eine intravasale Hämolyse hervorrufen kann, verursacht, sofern diese auch bei 37 °C wirksam sind. Diese Antikörper gehören der IgM-Klasse an. Anti-M und Anti-N (MNS-Blutgruppensystem), ebenfalls Kälteagglutinine der IgM-Klasse, führen bei Wärmewirksamkeit gleichfalls zur intrahepatischen Hämolyse, obwohl sie kein Komplement aktivieren. Dasselbe gilt für die kompletten IgM-Antikörper des Rhesus-Blutgruppensystems, vor allem für das komplette Anti-D, das zwar nicht komplementaktivierend, aber primär wärmewirksam ist. Daneben gibt es noch weitere IgG-Antikörper, die ebenfalls die Komplementkaskade bis zum C3 aktivieren und eine intrahepatische Hämolyse auslösen. Dazu gehören alle Kidd-Antikörper (Anti-Jka, Anti-Jkb) und ein Teil der Anti-S-, Anti-Fya-, Anti-Fyb- und Anti-K-Antikörper.
Eine extravasale Hämolyse in der Milz rufen vorwiegend IgG-Antikörper hervor, die kein Komplement binden. Dazu gehören praktisch alle IgG-Antikörper des Rhesussystems sowie die Anti-s-Antikörper und ein Teil der Anti-S- , Anti-Fya-, Anti-Fyb- und Anti-K-Antikörper.
Da aber Antikörper fast immer ein Gemisch verschiedener Immunglobulinklassen darstellen, kann eine Abgrenzung nicht so scharf gezogen werden, d. h., es kommt zu einer Überlappung des Erythrozytenabbaus in Milz und Leber. Auch intravasale und extravasale Hämolyse finden mit unterschiedlichen Schwerpunkten gleichzeitig statt.
Literatur
Eckstein R, Zimmermann R (2015) Immunhämatologie und klinische Transfusionsmedizin, 7. Aufl. Urban & Fischer/Elsevier Verlag, München
Kiefel V (Hrsg) (2010) Transfusionsmedizin: Grundlagen – Therapie – Methodik, 4. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg/New York