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Harnsäure

Verfasst von: H. -D. Haubeck
Harnsäure
Synonym(e)
Urat
Englischer Begriff
uric acid
Definition
Harnsäure ist das Endabbauprodukt des Purinstoffwechsels.
Molmasse
168,11 g.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Harnsäure ist das Endprodukt des Purinstoffwechsels, in dem die Purinnukleotide ATP und GTP über Hypoxanthin und Xanthin zu Harnsäure abgebaut werden. Exogen mit der Nahrung zugeführte Purine werden ebenfalls teilweise in den Purinstoffwechsel eingeschleust bzw. zu Harnsäure abgebaut. Harnsäure bzw. Urat wird renal eliminiert, hierbei wird Urat zunächst zu 100 % glomerulär filtriert und danach tubulär reabsorbiert und erneut sezerniert. Im Ergebnis erfolgt eine Ausscheidung von ca. 8–10 % des glomerulär filtrierten Urats.
Funktion – Pathophysiologie
Bei einem pH = 7,4 liegt Harnsäure im Serum überwiegend als Urat vor. Eine gesättigte Lösung von Mononatriumurat im Serum entspricht ca. 420 μmol/L (7 mg/dL). Die klinischen Symptome der Gicht ergeben sich aus der Auskristallisation von Mononatriumurat bzw. Harnsäure aufgrund ihrer schlechten Wasserlöslichkeit. Dies führt in den Gelenken zur Bildung von Mononatriumuratkristallen, die von neutrophilen Granulozyten und Monozyten/Makrophagen phagozytiert werden und die akute Entzündungsreaktion, d. h. den akuten Gichtanfall, auslösen (Arthritis urica). Langfristig führt die Arthritis urica zur Gelenkzerstörung. In der Niere kommt es zur Ausbildung von Steinen (Uratnephrolithiasis) und im Interstitium zu Uratablagerungen. Diese führen zur interstitiellen Nephritis und häufig zur progredienten Niereninsuffizienz (Gichtniere, Uratnephropathie). In zahlreichen weiteren Geweben kommt es ebenfalls zur Ablagerung von Uratkristallen mit Ausbildung von Tophi. Ursache der primären Hyperurikämie können neben einer verminderten renalen Harnsäureausscheidung (ca. 70–80 %) eine verminderte Aktivität der Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyl-Transferase oder, seltener, anderer Enzyme des Purinstoffwechsels sein.
Die Therapie der Gicht bzw. der Hyperurikämie kann mit urikosurischen Medikamenten (z. B. Benzbromaron), die zu einer gesteigerten renalen Harnsäureausscheidung führen, oder mit Urikostatika (z. B. Allopurinol), die als kompetitive Inhibitoren der Xanthinoxidase (Xanthin) die Bildung von Harnsäure aus Xanthin und Hypoxanthin hemmen, erfolgen.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Serum, Plasma (nicht EDTA, Citrat); Harnsäureausscheidung: 24-Stunden-Sammelurin.
Probenstabilität
Lichteinwirkung führt zum Abfall der Harnsäurekonzentration. Proben, insbesondere 24-Stunden-Sammelurin, sollten bei Raumtemperatur unter Lichtabschluss aufbewahrt werden. Im Kühlschrank kommt es zur Präzipitation von Uratkristallen. Bei Hyperurikämie kann es auch bei Raumtemperatur zu Präzipitaten kommen.
Präanalytik
Mindestens 3 Tage vor der Untersuchung purin- und proteinarme Ernährung.
Analytik
Die Bestimmung erfolgt mit der Uricase-Methode, bei der in der ersten Reaktion die Harnsäure zu Allantoin und Wasserstoffperoxid umgesetzt wird. Entstehendes Wasserstoffperoxid ist das Substrat verschiedener Indikatorreaktionen:
  • Katalase-Methode
  • Peroxidase-katalysierte oxidative Kopplung von Phenol und 4-Aminophenazon (Trinder-Methode)
  • Aldehyd-Dehydrogenase-Methode
Bei der Katalase-Methode (Kageyama-Reaktion) wird Methanol in Gegenwart von H2O2 zu Formaldehyd umgesetzt. Dieser reagiert in einer weiteren Reaktion mit Acetylaceton zu 3,5-Diacetyl-1,4-Dihydrolutidin, einem gelben Farbstoff, dessen Absorption bei 410 nm gemessen werden kann.
Konventionelle Einheit
mg/dL; Urin: g/24 h.
Internationale Einheit
μmol/L; Urin: mmol/d.
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit
mg/dL × 59,5 = μmol/L.
Referenzbereich – Frauen
2,4–5,7 mg/dL (nach der Menopause entspricht der Referenzbereich dem der Männer).
Referenzbereich – Männer
3,4–7,0 mg/dL; Urin: 1,2–6 mmol/d (0,2–1 g/24 h).
Referenzbereich – Kinder
Alter (Jahre)
Harnsäurekonzentration (mg/dL)
0–6
1,7–5,8
7–11
2,2–6,6
12–19 (w)
2,7–5,7
12–19 (m)
3,0–7,7
Indikation
Verdacht auf Störungen des Harnsäurestoffwechsels mit Hyperurikämie: z. B. Gicht, Nierensteinanamnese, Steinmetaphylaxe. Eine sekundäre Hyperurikämie findet sich u. a. bei Polyzythämie, akuten Leukämien, chronisch-myeloischer Leukämie, perniziösen und hämolytischen Anämien, Tumortherapie (Zytostatika, Bestrahlung), Nephropathien und bei Hunger bzw. Fasten. Hypourikämie bei angeborenen Defekten des Purinstoffwechsels, z. B. Xanthinurie.
Interpretation
Bei einer Harnsäurekonzentration >7,0 mg/dL liegt definitionsgemäß eine Hyperurikämie vor. Dies entspricht der Löslichkeit von Harnsäure im Blut bei 37 °C und einem pH = 7,4. Die Prävalenz der Hyperurikämie ist in industrialisierten Ländern mit bis zu 30 % bei Männern und ca. 3 % bei Frauen sehr hoch. Weniger als 10 % von ihnen entwickeln eine Gicht, d. h. eine Arthritis urica bzw. Gichttophi.
Die meisten Fälle von Hypourikämie sind durch eine erhöhte renale Harnsäureausscheidung bedingt und ohne Krankheitswert.
Diagnostische Wertigkeit
Harnsäure ist der wichtigste Parameter zur Erfassung von Störungen des Purinstoffwechsels.
Literatur
Grobner W, Zöllner N (2004) Gicht. Z Rheumatol 63:2–9CrossRefPubMed
Kageyama K (1971) A direct colorimetric determination of uric acid in serum and urine with uricase-catalase system. Clin Chim Acta 31:421–426CrossRefPubMed