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Infrarot-Spektrometrie

Verfasst von: T. Arndt
Infrarot-Spektrometrie
Synonym(e)
Infrarot-Spektroskopie; IR-Spektrometrie; IR-Spektroskopie; Infrarot-Absorptionsspektrometrie/-spektroskopie; IR-Absorptionsspektrometrie/-spektroskopie
Englischer Begriff
infrared spectrometry; infrared spectroscopy; IR spectrometry; IR spectroscopy; infrared absorption spectrometry; infrared absorption spectroscopy; IR absorption spectrometry; IR absorption spectroscopy
Definition
Eine Form der Absorptionsspektrometrie, die Absorptionserscheinungen im Infrarot-Wellenlängenbereich zur Strukturaufklärung von Molekülen sowie zur qualitativen und quantitativen Analyse nutzt.
Physikalisch-chemisches Prinzip
In einem Molekül schwingen die Atome um ihre Ruhelage. Die Kombination der einzelnen Atomschwingungen führt zu Molekülschwingungen, deren Frequenz u. a. von der Atommasse, der Bindungsstärke zwischen den Atomen und deren Anordnung im Molekül abhängt. Schwingungen im Grundzustand bezeichnet man als Grundschwingungen, jene im angeregten Zustand als Oberschwingungen. Es gibt Deformationsschwingungen (Änderung der Bindungswinkel, nicht aber der Atomabstände) und Valenzschwingungen (Änderung der Atomabstände, deshalb auch Streckschwingungen genannt) und Rotationsschwingungen.
Ändert sich das Dipolmoment der Bindung während der Eigenschwingung (sog. IR-aktive Schwingungen) kann diese zusätzlich durch infrarotes Licht angeregt werden. Sind die Frequenzen der Eigenschwingung und jene des eingestrahlten infraroten Lichtes gleich (in Resonanz), kann der Dipol Energie aufnehmen (absorbieren), was zu einer Schwächung des IR-Lichts (Absorption) führt.
Bestimmte Molekülgruppen absorbieren in charakteristischen IR-Wellenlängenbereichen (Gruppenfrequenzen). Zeichnet man die IR-Absorption einer Probe in Abhängigkeit von der Wellenlänge des eingestrahlten IR-Lichts auf, erhält man ein IR-Spektrum. In der folgenden Abbildung ist das IR-Spektrum von 2-Propanol, (CH3)2CHOH, dargestellt (aus: Latscha et al. 2004).
https://media.springernature.com/b30/springer-static/image/chp%3A10.1007%2F978-3-662-49054-9_1576-1/MediaObjects/77759_0_De_1576-1_Figa_HTML.gif?as=jpg&s=1
Das Vorliegen von charakteristischen Gruppenfrequenzen und deren Intensität lässt Rückschlüsse auf das Vorhandensein bestimmter Molekülgruppen und deren Anteil am Molekül zu. Dabei sind Absorptionsspektren im Frequenzbereich von 1250–600 cm−1 für organische Moleküle so charakteristisch, dass dieser Bereich für den Identitätsnachweis herangezogen werden kann (sog. Fingerprint-Gebiet). Kombiniert man die qualitativen (Gruppenfrequenzen) und quantitativen (Absorptionsintensität) Informationen des IR-Spektrums und/oder vergleicht man das Proben-IR-Spektrum mit IR-Spektren von Referenzsubstanzen (Spektrenbibliothek), lässt sich die Identität der Analyte und unter Hinzuziehung geeigneter Kalibrationsfunktionen deren Konzentration in der Probe bestimmen (Details s. Lehrbücher der Physik und Chemie).
Einsatzgebiet
Die IR-Spektrometrie wird im klinisch-chemischen Labor für Spezialuntersuchungen wie die Harn-, Nieren- und Gallensteinanalyse, den 13C-Atemtest zum Nachweis einer Helicobacter-pylori-Besiedlung des Magens und zur Bestimmung der Fettausscheidung im Stuhl mit NIR-Spektrometrie (NIR = nahes Infrarotlicht) eingesetzt. In der Kriminaltechnik/Toxikologie wird die IR ggf. in Kopplung mit Gaschromatographie zur Strukturaufklärung und Identifizierung von (il)legalen Drogen und Betäubungsmitteln eingesetzt.
Untersuchungsmaterial
Gase (Atemluft), Flüssigkeiten (Blut und seine Präparationen), Urin sowie Feststoffe (Stuhl, Pulver).
Instrumentierung
IR-Spektrometrie wird mit einem IR-Spektrometer durchgeführt. Folgendes Schema zeigt ein konventionelles Infrarot-Spektralphotometer (aus: Latscha et al. 2004).
https://media.springernature.com/b30/springer-static/image/chp%3A10.1007%2F978-3-662-49054-9_1576-1/MediaObjects/77759_0_De_1576-1_Figb_HTML.gif?as=jpg&s=1
Die Proben werden in IR-durchlässigen Beuteln (Gase), Küvetten (oft NaCl-Einkristalle mit Schichtdicken von 0,02–2,0 mm, nicht für NaCl-lösende Stoffe geeignet, Lösungsmittel deshalb gewöhnlich Schwefelkohlenstoff oder Tetrachlorkohlenstoff) oder in KCl- oder KBr-Presslingen („KBr-Tabletten“) vermessen. Gewöhnlich werden Zweistrahl-IR-Spektrometer eingesetzt. Als IR-Quelle dient ein Temperaturstrahler (z. B. aus Keramik [Nernst-Stift] oder Silicium-Carbid [Globar]). Der IR-Strahl wird in einen Messstrahl (passiert die Küvette mit Probe) und einen Hilfsstrahl zur Untergrundkompensation (passiert eine Küvette ohne Probe) geteilt. Das Verhältnis der Intensitäten des Messstrahls und des ungeschwächten Kompensationsstrahls wird von einem IR-sensitiven Detektor (z. B. Thermoelement) in Abhängigkeit von der Wellenzahl (1/λ zumeist in cm–1) und damit direkt proportional zur Energie der Schwingung in Form eines IR-Spektrums aufgezeichnet. Die Quantifizierung beruht auf dem Lambert-Beer-Gesetz.
Spezifität
Die Spezifität der Methode ist hoch, weshalb sie u. a. zu forensischen Untersuchungen eingesetzt wird.
Sensitivität
Die Sensitivität ist stark Analyt- und Matrix-abhängig.
Fehlermöglichkeit
Fehler bei der Untersuchung von Feststoffen sind u. a. die inhomogene Verteilung der Probe im KBr-Pressling und/oder ein zu locker geformter Pressling. Verunreinigungen mit Wasser führen zu starken Absorptionen im OH-Valenzschwingbereich (3700–3100 cm–1) und können damit zu Fehlzuordnungen zu OH-Gruppen von Alkoholen, Säuren etc. führen.
Praktikabilität – Automatisierung – Kosten
Die Durchführung und insbesondere Auswertung IR-spektrometrischer Analysen erfordert Erfahrungen. Sie ist deshalb gewöhnlich Speziallaboratorien vorbehalten. Allerdings sind für die in hoher Anzahl anfallenden 13C-Atemtest-Analysen inzwischen weitgehend mechanisierte IR-Spektrometer mit automatischer Analysenberichtserstellung verfügbar.
Bewertung – Methodenhierarchie (allg.)
Die IR-Spektrometrie und ihre Sonderformen wie NIR-Spektrometrie oder Fourier-Transformations-IR-Spektrometrie sind leistungsfähige Methoden der Strukturaufklärung sowie der qualitativen, für Spezialanwendungen auch der quantitativen Analyse. Die o. g. Störungen durch Wasser, als wesentlicher Bestandteil biologischer Proben, sind der größte Hinderungsgrund für einen breiten Einsatz der IR-Spektrometrie im klinisch-chemischen Labor. Sie hat deshalb im klinisch-chemischen und toxikologischen Routinelabor eine untergeordnete Bedeutung.
Literatur
Latscha HP, Linti GW, Klein HA (2004) Analytische Chemie. Chemie – Basiswissen III. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
Westphal F, Girreser U, Holz K, Erkens M (2016) Strukturaufklärung und analytische Daten eines ungewöhnlichen MDMA-Derivats. Toxichem Krimtech 83:82–102