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Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik
Info
Verfasst von:
K. Kleesiek, C. Götting, J. Diekmann, J. Dreier und M. Schmidt
Publiziert am: 07.04.2018

Isoagglutinine

Isoagglutinine
Englischer Begriff
iso-agglutinins
Definition
Ubiquitär vorkommende Antikörper gegen fremde, nicht auf der Oberfläche der eigenen Erythrozyten vorhandene Blutgruppenstrukturen.
Beschreibung
Isoagglutinine sind eine Gruppe von Alloantikörpern, die gegen fremde, nicht auf der Oberfläche der eigenen Erythrozyten vorhandenen Blutgruppenstrukturen gerichtet sind und bei jedem erwachsenen Individuum vorkommen. Aufgrund ihrer ubiquitären Verbreitung bezeichnet man sie auch als „natürliche Antikörper“ im Gegensatz zu den nichtnatürlichen oder irregulären Alloantikörpern (Irreguläre Antikörper), die nicht bei allen erwachsenen Personen zu finden sind. In der Regel handelt es sich bei den Isoagglutininen um eine Mischung von IgM, IgG und IgA, wobei der IgM-Anteil deutlich überwiegt und in Gegenwart von Komplement Hämolysen auslösen kann.
Klassische Isoagglutinine sind die Antikörper Anti-A und Anti-B im AB0-Blutgruppensystem. So weisen Menschen der Blutgruppe A das Isoagglutinin Anti-B auf, während bei Personen mit der Blutgruppe B Anti-A-Isoagglutinine nachweisbar sind. Personen der Blutgruppe 0 besitzen im Serum sowohl Anti-A als auch Anti-B, während bei Personen mit der Blutgruppe AB keine Isoagglutinine nachzuweisen sind.
Die Isoagglutinine sind nicht von Geburt an vorhanden, sondern werden erst in den ersten Lebensmonaten gebildet. Hintergrund ist, dass Isoagglutinine wie alle anderen Antikörper als Leistung des Immunsystems nach Kontakt mit fremden Antigenen entstehen und nicht genetisch präformiert sind. Das ubiquitäre Vorkommen der Isoagglutinine ist durch die weite Verbreitung von AB0-ähnlichen Substanzen bei unterschiedlichen Lebewesen bedingt. Die Glykoproteine des AB0-Systems, gegen die die Isoagglutinine gerichtet sind, finden sich nicht nur auf humanen Erythrozyten, sondern beispielsweise auch in großer Anzahl auf der Oberfläche verschiedener Bakterien. Eine Antikörperbildung gegen nicht körpereigene A- und B-Kohlenhydratstrukturen erfolgt nach Kontakt zu diesen Strukturen, z. B. während der bakteriellen Besiedlung des Darms in den ersten Lebensmonaten. So sind bei mehr als 90 % der Kinder im Alter von 6 Monaten die korrespondierenden Isoagglutinine nachweisbar. Die Titer der Isoagglutinine erreichen ihr Maximum in der Regel im Alter von 5–7 Jahren und nehmen mit zunehmendem Alter kontinuierlich ab.
Wegen der ubiquitären Verbreitung von Isoagglutininen gegen fremde A- und B-Zuckerstrukturen müssen bei Transfusionen zur Vermeidung von tödlichen Transfusionszwischenfällen immer die Isoagglutinine berücksichtigt werden. Auch bei der Blutgruppenbestimmung ist der Nachweis der AB0-Antigene und der antigenkonträren Isoagglutinine erforderlich (Serumgegenprobe). Die Titer, also die Antikörperkonzentration, der Isoagglutinine unterliegt großen interindividuellen Schwankungen, wobei bei Anti-A-Isoagglutininen im Allgemeinen höhere Titer nachweisbar sind als bei Anti-B-Isoagglutininen. Mit Ausnahme von Personen mit der Blutgruppe AB ist die Abwesenheit von Anti-A- und Anti-B-Isoagglutininen ein extrem seltenes Ereignis. Bei Patienten mit Hypogammaglobulinämie sind Anti-A- und Anti-B-Isoagglutinine häufig nur in sehr geringen Konzentrationen nachweisbar, während sie bei beim X-chromosomal vererbten Wiskott-Aldrich-Syndrom ganz fehlen. Ursächlich hierfür ist ein Defekt in der Immunantwort bei diesen Patienten, die nicht in der Lage sind, Antikörper gegen Polysaccharidantigene zu bilden, während die Immunreaktion auf Proteinantigene häufig nicht betroffen ist. Folglich bilden diese Patienten auch keine Isoagglutinine gegen AB0-Glykostrukturen. Niedrige Isoagglutinintiter werden manchmal auch bei immunsupprimierten Personen nachgewiesen.
Literatur
Eckstein R (2005) Immunhämatologie und Transfusionsmedizin. Urban & Fischer, München
Metaxas-Bühler M (1993) Blutgruppen und Transfusionsmedizin. Verlag Hans Huber, Bern/Göttingen/Toronto/Seatle
Mollison PL, Engelfriet CP (1993) Blood transfusion in clinical medicine. Blackwell Scientific, London