Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik
Info
Verfasst von:
T. Arndt
Publiziert am: 20.09.2017

Isoprostane

Isoprostane
Synonym(e)
F2-IsoP; iP; isoP
Englischer Begriff
isoprostanes
Definition
Isoprostane sind Isomere der Prostaglandine, die in vivo in den Lipidmembranen aus mehrfach ungesättigten Fettsäuren, hauptsächlich Arachidonsäure, durch eine nicht enzymatische, d. h. Cyclooxygenase-unabhängige, Reaktion mit freien Radikalen und Sauerstoff entstehen, durch Phospholipasen in die Zirkulation freigesetzt werden und in Plasma und Urin derzeit als Kenngröße für oxidativen Stress (Stress, oxidativer) gelten.
Die nicht enzymatische Bildung von 5-series-F2-Isoprostan aus Arachidonsäure, Radikalen (•) und Sauerstoff (nach einer Zeichnung in Milne et al. 2014; Ausschnitt) ist nachfolgend dargestellt:
Struktur
Isoprostane sind eine große Gruppe strukturell ähnlicher Verbindungen, die sich bezüglich der am Cyclopentanring gebundenen Fettsäuren und/oder bezüglich der funktionellen Gruppen am Cyclopentanring unterscheiden. Allein für Prostaglandin F2 (F: zwei Hydroxylgruppen am Cyclopentanring, 2: zwei Doppelbindungen) sind derzeit 64 Isoprostane bekannt (F2-IsoP), die sich aus 4 Regioisomerengruppen mit jeweils 8 Diastereomerenpaaren ergeben. Ähnliches gilt z. B. für die zu Prostaglandin D2 und Prostaglandin E2 gehörenden isomeren D2- und E2-Isoprostane, wobei sich Prostaglandin D2 und E2 voneinander durch die Stellung der Keto- und Hydroxylgruppe (keine zweite Hydroxylgruppe wie bei F) am Cyclopentanring unterscheiden. Bezieht man die über einen zweiten Oxidationsweg gebildeten Isofurane ein, liegen insgesamt 8 Regioisomerengruppen mit 16 racemischen Diastereomeren (32 Substanzen), also insgesamt 256 verschiedene und strukturell ähnliche Verbindungen vor. Die Verwendung von 3 unterschiedlichen Nomenklaturen zur Bezeichnung der Isoprostane erleichtert nicht unbedingt Arbeit und Studium mit dieser Analytgruppe.
Abgrenzung zu Prostaglandinen
Ein wesentlicher Unterschied zwischen isomeren Prostaglandin-/Isoprostan-Molekülen ist die Stellung der beiden Seitenketten (Fettsäuren) im Molekül. Sie stehen im Prostaglandinmolekül gewöhnlich in trans-Stellung (entgegengesetzt) und im isomeren Isoprostanmolekül in cis-Stellung (gleichgerichtet) zueinander.
Aus diagnostischer Sicht
Derzeit wird den F2-Isoprostanen (F2-IsoP) und hier den 5- und 15-series-Regioisomeren (Seitenketten-Hydroxylgruppe am 5. C-Atom im Molekül bzw. 15. C-Atom lokalisiert) besondere Aufmerksamkeit geschenkt, weil sie im Vergleich zu den 8- und 12-series-Regioisomeren in größerer Menge gebildet und zudem nicht weiter oxidiert werden, sondern stabil sind.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
S. Definition. Isoprostane finden sich in allen biologischen Flüssigkeiten und Geweben. Zirkulierende Isoprostane werden entweder direkt glomerulär filtriert oder in der Leber komplex metabolisiert, u. a. glucuronidiert und anschließend über den Urin ausgeschieden.
Halbwertszeit
Unbekannt.
Funktion – Pathophysiologie
Ob Isoprostane nur Ausdruck von oxidativem Stress sind oder gleichzeitig eine physiologische und/oder pathologische Wirkung haben, ist derzeit noch nicht abschließend geklärt. So wurden z. B. vasokonstriktorische, die Thrombozytenaktivität modulierende sowie die Monozyten- und Neutrophilenadhäsion an Endothelzellen stimulierende und damit Atherosklerose befördernde Effekte beschrieben.
Untersuchungsmaterial
EDTA-Plasma (mit Antioxidantienzusatz) und Urin, ggf. auch Liquor oder Gewebe.
Probenaufbewahrung
80 °C (Ex-vivo-Bildung von F2-IsoP aus freier Arachidonsäure auch bei −20 °C).
Analytik
Hauptsächlich GC-MS und LC-MS/MS, auch Immunoassay; die Abtrennung der isomeren Prostaglandine ist jeweils wichtig.
Konventionelle und internationale Einheit
pmol/L.
Referenzbereich – Erwachsene und Kinder
Allgemein akzeptierte (altersabhängige) Referenzbereiche liegen offenbar noch nicht vor. Zur Orientierung sollen Daten aus Czerska et al. (2016) dienen (jeweils Raucher n = 16 vs. Nichtraucher n = 8): freie F2-isoP im Plasma: 166 ± 52 vs. 90 ± 52 pmol/L; lipidgebundene F2-IsoP im Plasma: 497 ± 276 vs. 290 ± 90 pmol/L; F2-isoP Metabolite im Urin: 870 ± 509 vs. 415 ± 155 pmol/mmol/Kreatinin. Für die verschiedenen Indikationen siehe die umfangreiche Originalliteratur.
Indikation
Zustände mit bewiesen oder vermutet erhöhtem oxidativen Stress, z. B. Strahlentherapie, Belastung mit Oxidantien, Rauchen, Medikamenteneinnahme. S. a. Diagnostische Wertigkeit.
Interpretation
Höchste Aussagekraft soll die parallele Bestimmung der Gesamt-F2-IsoP nach basischer Hydrolyse der Plasmalipide im Plasma und der freien und metabolisierten F2-IsoP im Urin haben. Erhöhte Werte werden als Ausdruck eines erhöhten oxidativen Stresses, d. h. einer Disbalance zwischen dem Anfall reaktiver oxidativer Spezies (Atome oder Moleküle) und der körpereigenen Fähigkeit, diese zu entschärfen, interpretiert.
Diagnostische Wertigkeit
Isoprostane befinden sich derzeit noch im Forschungsstadium. Aktuelle Fragen sind (Patho)Mechanismus, Verteilung und Elimination, Referenzbereiche in Blut und Urin und vor allem die Rolle der Isoprostane in der Pathogenese von u. a. Asthma, Atherosklerose, Ernährung, genetischen Erkrankungen, „Lifestyle“, Ischämie und Reperfusion, neurologischen Erkrankungen, Obesitas und Tumorerkrankungen.
Literatur
Czerska M, Zieliński M, Gromadzińska J (2016) Isoprostanes – a novel major group of oxidative stress markers. Int J Occup Med Environ Health 29:179–190CrossRefPubMed
Milne GL, Dai Q, Jackson Roberts IIL (2014) The isoprostanes – 25 years later. Biochim Biophys Acta 1851:433–445CrossRefPubMedPubMedCentral