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Komplementsystem, alternative Aktivierung

Verfasst von: H. Renz und B. Gierten
Komplementsystem, alternative Aktivierung
Englischer Begriff
complement system, alternative pathway
Durchführung
Einzelfaktorbestimmungen: Durch Einsatz spezifischer monoklonaler Antikörper sind immunchemische Bestimmungen der Konzentrationen einzelner Komplementkomponenten möglich. Aktivitätsbestimmungen einzelner Komplementkomponenten sind durch Zusatz von Mangelplasmen zum Patientenserum möglich. Funktionelle Tests: Komplementsystem, Globalteste.
Struktur
Das Komplementsystem besteht aus verschiedenen (Serin-)Proteasen und zellständigen Rezeptoren, die kaskadenartig aktiviert werden und mittels Bildung eines terminalen lytischen Komplexes Zellmembranen durchtunneln. Sie lösen damit die osmotische Lyse der Zielzelle aus. Die Initiation des alternativen Wegs ist in den folgenden Abbildung dargestellt:
Molmasse
C3 185 kDa, Faktor B 95 kDa, Faktor D 24 kDa. Bestandteile des Membran-Attack-Komplexes: C5 190 kDa, C6 120 kDa, C7 110 kDa, C8 155 kDa, C9 79 kDa.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Die am alternativen Aktivierungsweg des Komplementsystems beteiligten Komponenten C3 (C3-Komplement), Faktor B, Faktor D und C5–9 werden in Hepatozyten konstitutiv synthetisiert. Im Rahmen einer Akute-Phase-Reaktion steigen die Syntheseraten signifikant an. Der Abbau der Faktoren erfolgt über Zerfall und/oder raschen proteolytischen Abbau.
Funktion – Pathophysiologie
Der alternative Weg des Komplementsystems wird in erster Linie durch eine Vielzahl von Proteinen aktiviert, zu denen auch Oberflächenmoleküle auf Bakterien gehören. Weitere untergeordnete Aktivatoren sind aggregierte Immunglobuline, Pilze, Viren u. a. Auch Selbstinitiierung ist möglich, da im Plasma dauernd geringe Mengen C3b entstehen und wieder abgebaut werden.
Zur Aktivierung des alternativen Weges sind keine präformierten spezifischen Antikörper nötig, daher stellt er einen Teil der angeborenen Immunität dar.
Erster Schritt ist die Spaltung kleiner Mengen von C3 im Plasma zu C3b. Dieses bindet Faktor B und D. Entstehende Bruchstücke, die sich aneinanderlagern bilden eine Verstärkerkonvertase. Andere Bruchstücke bilden die Oberflächenkonvertase, die durch Properdin stabilisiert wird. Liegen genügende Mengen der Oberflächenkonvertase in der Umgebung von C3b vor, so ändert sich deren Konformation so, dass sie C5 aktivieren kann. C5 lagert sich mit C6 und C7 zum terminalen lytischen Komplex zusammen. Hydrophobe Komponenten an C7 erleichtern die Anlagerung an die Zellwand der Zielzelle und Bindung von C8 und C9. Der Komplex aus C5–9 durchtunnelt die Zellmembran und führt so zur osmotischen Zelllyse.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Blutproben sollten unter strenger Vermeidung einer Komplementaktivierung entnommen werden. Dazu eignen sich am besten (Glas-)Röhrchen ohne Gel oder andere Gerinnungsaktivatoren. EDTA-Plasma für AH50 und weitere funktionelle Tests. Serum für immunchemische Einzelfaktorbestimmung.
Präanalytik
Da die Komplementkomponenten sehr instabil sind, sollten Serum und Plasma bis zur Gerinnung und Zentrifugation bei 4 °C gelagert werden. Nach der Zentrifugation sollte der Überstand zügig entnommen und bei −70 °C bis zur Analyse gelagert werden. Wiederholtes Auftauen und Einfrieren der Proben sollte vermieden werden.
Analytik
Funktionelle Tests: Komplementsystem, Globalteste. Immunchemische Tests: s. Durchführung.
Konventionelle Einheit
mg/dL.
Referenzbereich – Erwachsene
C3 < 1300 mg/dL, Faktor B <20 mg/dL, Faktor D <1 mg/dL. Bestandteile des Membran-Attack-Komplexes: C5 < 160 mg/dL, C6 < 65 mg/dL, C7 < 55 mg/dL, C8 < 55 mg/dL, C9 < 200 mg/dL.
Referenzbereich – Kinder
s. Erwachsene.
Indikation
Rezidivierende Infektionen mit Eitererregern durch Mangelzustände im Komplementsystem. Nachweis der Aktivierung des alternativen Weges z. B. bei
Interpretation
Bei den funktionellen Tests (bes. AH50/AH100) muss bedacht werden, dass die hämolytische Aktivität erst bei Erniedrigung eines Einzelfaktors unter 70 % pathologisch ausfällt. Die Tests sind also relativ unempfindlich, stellen jedoch bei guten präanalytischen Bedingungen ein gutes Screeningverfahren dar.
Immunchemische Bestimmungen von Einzelfaktoren bringen erst dann pathologische Ergebnisse, wenn die Zerfallsrate die Syntheserate der Faktoren übersteigt. Im Falle der Akute-Phase-Reaktion wird jedoch die Syntheserate der Komplementkomponenten stark gesteigert.
Erniedrigte Konzentrationen an Faktor B, dem C3-Aktivator, werden nur bei Aktivierung des alternativen Komplementweges gefunden. Sie zeigen die Aktivierung dieses Weges an.
Diagnostische Wertigkeit
Patienten mit Mangelzuständen an C3 oder Teilen des lytischen Komplexes erkranken häufig an Eitererregern oder intrazellulären Erregern, wie Neisserien. Erniedrige C3-Spiegel können bei SLE oder bestimmten Formen der membranoproliferativen Glomerulonephritis nachgewiesen werden.
Literatur
Klein J, Horejsi V (1997) Immunology, 2. Aufl. Blackwell Sciences, Oxford
Thomas L (Hrsg) (2007) Labor und Diagnose. Indikation und Bewertung von Laborbefunden für die medizinische Diagnostik, 7. Aufl. TH-Books, Frankfurt am Main