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Legionellen

Verfasst von: W. Stöcker
Legionellen
Englischer Begriff
Legionella
Klassifikation
Familie: Legionellaceae; Gattung: Legionella (L.); Spezies: L. micdadei, L. pneumophila (L. pneumophila pneumophila, L. pneumophila fraseri, L. pneumophila pascullei), L. longbeachae, L. jordanis, L. gormanii, L. dumoffii, L. bozemani u. a.
Beschreibung des Erregers
Legionellen gehören zur Familie der Legionellaceae mit nur einer Gattung Legionella, die derzeit etwa 57 Spezies und 79 Serogruppen (SG) umfasst. Potenziell sind alle Legionellen humanpathogen, die Mehrzahl der Erkrankungen geht aber auf L. pneumophila (90 %) zurück, von der die SG 1 am häufigsten in Umwelt- und Patientenproben nachgewiesen wird. Weitere bekannte Legionellen-Spezies (L. non-pneumophila) sind L. micdadei, L. longbeachae, L. jordanis, L. gormanii, L. dumoffii und L. bozemani.
Legionellen sind gramnegative (in der Giemsa-Bandenfärbung stellen sie sich deutlicher dar), in Süßwasser vorkommende, aerob wachsende, kapnophile Stäbchenbakterien, die weder Kapseln noch Sporen bilden. Die meisten sind durch eine oder mehrere polare oder subpolare Flagellen (temperaturabhängig) beweglich. Typisch für die Gattung Legionella ist ihr Unvermögen, Kohlenhydrate zu verwerten, sie sind Katalase-, einige Oxidase-positiv und benötigen zum Wachstum Cystein. Legionellen werden bereits durch physiologische NaCl-Konzentrationen im Wachstum gehemmt. Wassertemperaturen von 25–45 °C sind Voraussetzung für ihre Vermehrung, die überwiegend intrazellulär in Amöben und anderen phagozytierenden Protozoen bzw. – nach Infektion – vornehmlich in Makrophagen stattfindet. Temperaturen ≥50 °C verzögern ihre Entwicklung, Temperaturen >60 °C inaktivieren Legionellen, was für Hygienemaßnahmen von Bedeutung ist.
Erkrankungen
In ihrem natürlichen Habitat stellen Legionellen kaum eine gesundheitliche Bedrohung für den Menschen dar. Erst die Verbreitung technischer Errungenschaften wie Klima- und Warmwasseranlagen, in denen sich die Bakterien gut vermehren können, führten zu ihrer heutigen humanpathogenen Bedeutung. Legionellen werden überwiegend durch Inhalieren von Aerosolen bakterienhaltigen Wassers übertragen (Dusche), eine Infektion durch Aspiration ist ebenfalls möglich. Als Infektionsquellen sind vor allem ältere und weitverzweigte Warm- und Kaltwassersysteme, Kühltürme, Befeuchter von Klimaanlagen, Sprudelbäder sowie Beatmungs- und Inhalationsapparate beschrieben. Bei der Legionellose dominieren 2 Erkrankungsformen:
  • Selbstlimitierendes Pontiacfieber, das einem Influenza-Infekt ähnelt und hauptsächlich durch Fieber, Husten und Muskelschmerzen charakterisiert ist
  • Legionärskrankheit, meist schwerer verlaufend, bei der eine multifokale nekrotisierende Pneumonie im Vordergrund steht, mit zusätzlichen Symptomen wie Verwirrtheit, Benommenheit, Durchfall oder Erbrechen
Nach dem Ursprung der Infektion wird zwischen nosokomialen und ambulant erworbenen Legionellosen unterschieden. Sonderformen ambulanter Legionellosen sind reiseassoziierte Infektionen.
Zu den Personen mit erhöhtem Risiko gehören vor allem ältere Menschen, chronisch Kranke, Menschen mit kardiopulmonalen Grunderkrankungen, Defekten im zellulären Abwehrsystem, Immunsupprimierte nach Transplantation, zytostatischer Behandlung oder Kortikoiddauereinnahme. Alkoholmissbrauch und Rauchen gelten ebenfalls als Risikofaktoren. Männer erkranken häufiger als Frauen. Nur etwa 1 % der exponierten Personen erkrankt an einer Legionellose. Für die Manifestation der Infektion sind die Infektionsdosis, die Virulenz des Legionellen-Stammes und die Stärke des individuellen Abwehrsystems entscheidend. Im Jahr 2015 wurden in Deutschland 880 Fälle von Legionellose beim Robert-Koch-Institut registriert. Besonders die Verkeimung warmwasserführender, aerosolbildender Systeme stellt ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar, das durch gezielte Maßnahmen (Temperaturen >60 °C, Desinfektion, bauliche Sanierung) verringert werden kann. In Einrichtungen wie Krankenhäusern ist die mikrobiologische Überwachung von Wasser- und Klimaanlagen sinnvoll, in besonders sensiblen Bereichen (Intensivstationen) sind Filter einzubauen.
Es gibt keinen Anhalt für ein Trägerstadium, bei dem von inapparent infizierten Personen eine Ansteckung ausginge, oder generell für eine Übertragung von Mensch zu Mensch. Die Therapie basiert auf der Gabe von intrazellulär wirksamen Antibiotika, wie Makrolidantibiotika (z. B. Azithromycin) und Chinolone (z. B. Levofloxacin, Ciprofloxacin, Moxifloxacin).
Analytik
Für den direkten Erregernachweis kommen verschiedene Methoden zum Einsatz: Der direkte Immunfluoreszenztest mit respiratorischem Probenmaterial basiert auf monoklonalen Fluoreszenzfarbstoff-markierten Antikörpern. Mit der PCR (Polymerase-Kettenreaktion) wird Erreger-DNA in Urin und Serum nachgewiesen. Mit einem ELISA-Antigentest (s. Enzyme-linked Immunosorbent Assay) und einem immunchromatografischen Schnelltest wird hauptsächlich L. pneumophila der SG 1 im Urin identifiziert.
Für den kulturellen Nachweis (Goldstandard) müssen Legionellen auf Spezialnährböden (BCYE, auch supplementiert, BMPA) angezüchtet werden. Die Anzucht gelingt allerdings häufig nicht, und ein positives Ergebnis liegt frühestens nach 3–5 Tagen vor. Spezifische Serumantikörper werden durch indirekte Immunfluoreszenz (Immunfluoreszenz, indirekte) (IIFT) nachgewiesen (s. Abbildung), Enzyme-linked Immunosorbent Assay (ELISA) und Mikroagglutination sind weitere Verfahren.
Indirekte Immunfluoreszenz: Antikörper gegen Legionella pneumophila:
In der Regel werden Antikörper gegen L. pneumophila der SG 1–14 und weitere 6 L.-non-pneumophila-Spezies parallel in einem Testansatz untersucht, beispielsweise mit Biochip-Mosaiken mit je einer Spezies pro Baustein. Immunfluoreszenztests mit Antigengemischen eigenen sich zum Screening.
Untersuchungsmaterial – Probenstabilität
Direktnachweis und Kultur: untersucht werden Bronchiallavageflüssigkeit, Lungengewebe, Trachealsekret, Pleuraexsudat, Sputum, Urin (besonders bei Patienten, die nicht ausreichend repräsentatives Sputum produzieren), Serum. Der Aufnahmepuffer darf kein Natriumchlorid enthalten. Das Material sollte bis zur Weiterverarbeitung bei +4 bis +8 °C aufbewahrt werden. Direktnachweise sind innerhalb von 24 Stunden durchzuführen, Kulturen innerhalb von 6 Stunden anzulegen. Bei längerer Transportzeit ist das Material einzufrieren.
Serologie: Serum oder Plasma für den Nachweis der Antikörper sind bei +4 °C bis zu 2 Wochen lang beständig, bei −20 °C über Monate und Jahre hinweg. Zur Tiefkühlkonservierung des IgM kann man den Proben 80 % gepuffertes Glyzerin beifügen.
Diagnostische Wertigkeit
Die Diagnose einer Legionellose (Legionärskrankheit) basiert auf dem klinischen und röntgenologischen Bild einer Pneumonie und dem labordiagnostischen Erregernachweis. Weil Legionellen nicht zur normalen menschlichen Bakterienflora gehören, ist ein positiver Befund beweisend für eine Infektion.
Der direkte Immunfluoreszenztest ist angesichts unbefriedigender Sensitivität und möglicher Spezifitätsprobleme bei der mikroskopischen Auswertung als alleiniger Test nicht ausreichend. Der Nachweis von Legionellen-DNA mittels PCR ist eine schnelle und sensitive Methode, mit der auch schwierig zu kultivierende Legionellen-Spezies diagnostiziert werden können. Der DNA-Nachweis gelingt auch in Urin und Serum.
Dominierend ist mit einem Anteil von mehr als 60 % der Urinantigentest mittels ELISA, der jedoch auf die SG 1 beschränkt ist. Diagnostischer Goldstandard ist nach wie vor die Legionellen-Kultur. Trotz mangelnder Sensitivität sollte sie zumindest bei Risikopatienten angestrebt werden. PCR und Kultur bilden eine ideale Basis für Stammtypisierungen und epidemiologische Studien.
Standardtest zum Antikörpernachweis ist der IIFT. Titer >1:100 gelten als diagnostisch relevant. Ein Anstieg der Konzentration spezifischer Antikörper um den Faktor 10 nach 2–3 Wochen ist serologisch beweisend für eine Legionellen-Infektion. Da die Antikörperbildung teilweise verzögert abläuft, sollte ggf. nach 6–8 Wochen eine weitere Probe untersucht werden. Ein einmalig gemessener hoher Titer ist kein Beweis für eine Legionellen-Infektion, das findet man gelegentlich auch in der gesunden Bevölkerung. Kreuzreaktivitäten zwischen den einzelnen Spezies können vorkommen. Ein negativer Antikörpernachweis schließt eine Legionellen-Infektion nicht aus. Die Serologie ist auch epidemiologisch von Bedeutung. In Deutschland besteht Meldepflicht nach § 7 Abs. 1 Nr. 26 Infektionsschutzgesetz.
Literatur
Fiore AE, Butler JC, Emori TG, Gaynes RP (1999) A survey of methods used to detect nosocomial legionellosis among participants in the National Nosocomial Infection Surveillance System. Infect Control Epidemiol 20:412–416CrossRef
Lück C (2009) Legionella ssp. In: Neumeister B, Geiss HK, Braun RW, Kimmig P (Hrsg) Mikrobiologische Diagnostik, 2. Aufl. Thieme, Stuttgart/New York, S 511–518
Robert Koch Institut (Hrsg) (2016) Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2015, Berlin, S. 138–144. https://​www.​rki.​de/​DE/​Content/​Infekt/​Jahrbuch/​Jahrbuch_​2015.​pdf?​_​_​blob=​publicationFile. Zugegriffen am 22.03.2017
Robert-Koch-Institut Berlin (2012) Epidemiologisches Bulletin 50:500–510.