Skip to main content

Leishmania ssp.

Verfasst von: W. Stöcker
Leishmania ssp.
Englischer Begriff
Leishmania ssp.
Klassifikation
Ordnung: Kinetoplastida; Familie: Trypanosomatidae; Gattung: Leishmania (L.); Spezies: L. donovani, L. infantum, L. tropica, L. major, L. aethiopica, L. chagasi, L. peruviana, L. braziliensis, L. panamensis, L. guyanensis, L. mexicana, L. amazonensis und weitere.
Beschreibung des Erregers
Leishmanien gehören zur Familie der Trypanosomatidae, die sich in 9 Gattungen untergliedert, von denen Trypanosoma und Leishmania humanpathogen sind. Neben L. infantum und L. chagasi gehört L. donovani zu den Erregern der viszeralen Leishmaniose.
Leishmanien sind parasitäre Protozoen. Während ihres zweiphasigen Lebenszyklus verändern sie ihre Zellmorphologie drastisch: Im Darm des Insektenvektors (Schmetterlingsmücken) liegen sie als Promastigote vor. Nach Übertragung auf den Säugerwirt differenzieren sie sich in den Makrophagen zu Amastigoten. Promastigote besitzen einen spindelförmigen Zellkörper mit einer Länge von 10–20 μm, an dessen vorderem Ende ein bis zu 20 μm langes Flagellum verankert ist. Bei Amastigoten handelt es sich hingegen um kugelförmige Zellen mit einem Durchmesser von nur 2–4 μm und einem stark verkürzten Flagellum, das in der Flagellartasche verborgen bleibt.
Erkrankungen
Die Leishmaniose manifestiert sich je nach Leishmania-Art in 3 unterschiedlichen Hauptformen. Die kutane oder Hautleishmaniose („cutaneous leishmaniasis“; CL) kommt sowohl in der „alten“ (Afrika, Asien und Europa) als auch in der „neuen“ Welt (Amerika) vor; sie ist mit 75 % die häufigste Krankheitsform. Die Läsionen bleiben auf den Eintrittsort lokalisiert und heilen häufig spontan aus. Die mukokutane oder Schleimhaut-Leishmaniose („mucocutaneous leishmaniasis“, MCL) findet sich ausschließlich in der „neuen“ Welt. Über Lymph- und Blutgefäße gelangt der Parasit zu Mund, Nase und Rachen. Durch Zerstörung der Schleimhäute und umgebender Gewebe kommt es zu einer starken Entstellung des Erkrankten. Unbehandelt kann MCL, meist ausgelöst durch Superinfektionen, zum Tod führen. Die schwerste Manifestation stellt die viszerale Leishmaniose (VL) dar, die auch als Kala-Azar oder Dumdum-Fieber bezeichnet wird. Sie wird durch L. donovani, L. infantum und L. chagasi ausgelöst. Der Parasit befällt das gesamte retikuloendotheliale System mit Milz, Leber und Knochenmark, und es kommt zu Spleno- und Hepatomegalie, Anämie und Gewichtsverlust – ohne Behandlung sterben die Patienten innerhalb von 2 Jahren. 90 % aller weltweit registrierten VL-Fälle treten in Indien, Nepal, Bangladesch, dem Sudan und Brasilien auf.
Bislang gibt es keine Impfung und keine Chemoprophylaxe gegen Leishmaniose. Zu den Präventionsmaßnahmen zählen das Tragen langer Kleidung sowie die Nutzung von Repellentien und imprägnierten Insektennetzen. Als Medikamente kommen pentavalente Antimonverbindungen, Amphotericin B, Miltefosin und Paromomycin zum Einsatz. Die Therapiemöglichkeiten werden häufig durch starke Nebenwirkungen und Resistenzentwicklungen beschränkt.
Die Leishmaniose ist eine Anthropozoonose, bei der häufig Hunde und kleine Nagetiere die Reservoirwirte darstellen. Leishmanien kommen hauptsächlich in ländlichen Gegenden tropischer und subtropischer Gebiete der Erde vor. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich auf alle Kontinente mit Ausnahme von Australien. Unter den 88 betroffenen Ländern sind 72 Entwicklungsländer. Aber auch in 16 europäischen Ländern findet man die Parasiten (L. infantum und L. tropica), darunter in Frankreich, Spanien, Italien und Griechenland. Pro Jahr sind 2 Millionen Leishmania-Neuinfektionen zu verzeichnen, 12 Millionen Menschen sind derzeit erkrankt und 350 Millionen Menschen sind ständig dem Risiko einer Infektion ausgesetzt. In Mitteleuropa ist das Infektionsrisiko gering, da Schmetterlingsmücken der Gattung Phlebotomus, die von Leishmanien in der „alten“ Welt als Vektor genutzt werden, hier bisher nur vereinzelt vorkommen. Risikogruppen sind jedoch Reisende, Migranten oder Flüchtlinge aus Endemiegebieten.
Analytik
Direkter Antigennachweis: Kultur, Mikroskopie und molekularbiologische Methoden (PCR (Polymerase-Kettenreaktion)).
Serologie: Antikörpernachweis durch indirekte Immunfluoreszenz (Immunfluoreszenz, indirekte), Enzyme-linked Immunosorbent Assay (ELISA) und Immunblot (Western Blot). Für Felduntersuchungen gibt es unter anderem Schnelltests, die auf Partikelagglutination beruhen.
Untersuchungsmaterial – Probenstabilität
Direktnachweis und Kultur: Untersucht werden Knochenmarkpunktat, Biopsiematerial (Lymphknoten, Leber, Milz) und Zitrat- oder EDTA-Blut (Buffy-Coat). Das Material sollte bis zur Weiterverarbeitung bei +4 bis +8 °C aufbewahrt werden. Direktnachweise sind innerhalb von 24 Stunden durchzuführen, Kulturen innerhalb von 6 Stunden anzulegen. Bei längerer Transportzeit ist das Material einzufrieren.
Serologie: Serum oder Plasma für den Nachweis der Antikörper sind bei +4 °C bis zu 2 Wochen lang beständig, Liquor eine Woche, bei −20 °C über Monate und Jahre hinweg. Zur Tiefkühlkonservierung des IgM kann man den Proben 80 % gepuffertes Glyzerin beifügen.
Diagnostische Wertigkeit
Die Diagnose einer viszeralen Leishmaniose wird vorrangig durch den direkten Erreger- bzw. Antigennachweis gestellt. Der mikroskopische Direktnachweis der meist amastigoten Leishmanien-Formen in Giemsa gefärbten Ausstrich- oder Tupfpräparaten ist schwierig. Eine Differenzierung der Leishmanienarten ist generell morphologisch nicht möglich. Die kulturelle Anzucht der Leishmanien gelingt auf speziellen Nährböden (z. B. NNN-Medium) in der Regel recht gut, kann aber je nach Art, Ausgangsgehalt und Teilungsrate bis zu 3 Wochen dauern.
In der Leishmanien-Diagnostik spielen inzwischen molekularbiologische Nachweismethoden die entscheidende Rolle: Die PCR ist sensitiv, spezifisch und schnell, und sie erlaubt eine Differenzierung der Leishmanien.
Die Bestimmung spezifischer Antikörper im Serum ist eine etablierte Nachweismethode und dient als Screeningtest bei Verdacht auf eine Leishmaniose. Vor allem bei immunkompetenten Patienten findet man nach einer viszeralen Leishmanien-Infektion in der Regel hohe Antikörperkonzentrationen, deren diagnostischer Vorhersagewert über 90 % liegt. Ein negativer Befund schließt eine Infektion allerdings nicht aus.
Der indirekte Immunfluoreszenztest ist für die Leishmaniose-Serologie besonders sensitiv und spezifisch, erlaubt aber keine serologische Differenzierung der Leishmanien-Arten. Kreuzreaktionen wurden bei Chagas, Schlafkrankheit, Malaria, Lepra und Tuberkulose beschrieben.
Differenzialdiagnostik: mit Fieber und Splenomegalie einhergehende Erkrankungen, Tuberkulose, Malaria, Brucellose, Typhus, Bilharziose, Miliartuberkulose, Mononukleose, Histoplasmose, Hämoblastosen.
Literatur
Junghanss T (2009) Leishmanien, In: G Darai, M Handermann, HG Sonntag, C Tidona, L Zöller (Hrsg.) Lexikon der Infektionskrankheiten des Menschen, 3. Aufl. Heidelberg, Berlin: Springer Verlag, S. 478–482
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit (DTG) (2010) AWMF-Register-Nr. 042/004
Reiter-Owona I (2009) Leishmania. In: Neumeister B, Geiss HK, Braun RW, Kimmig P (Hrsg) Mikrobiologische Diagnostik, 2. Aufl. Thieme, Stuttgart/New York, S 1065–1070