Bei der Longitudinalbeurteilung wird das aktuelle Analysenergebnis x1 mit den diesbezüglichen früheren Ergebnissen (x2–xn) desselben Patienten verglichen, die während einer längeren Beobachtungszeit gewonnen worden sind. Die Streuung der Analysenergebnisse einer Messgröße von demselben Individuum ist wesentlich geringer als die Streuung der Ergebnisse eines alters- und geschlechtsentsprechenden Referenzintervalls (Referenzintervall), was zur Definition individueller Referenzwerte (Referenzwert) geführt hat. In diesem Falle ist der Patient ein eigenes Referenzindividuum. Die Longitudinalbeurteilung ermöglicht die Erkennung sich langsam entwickelnder Veränderungen des Stoffwechsels früher als die Transversalbeurteilung. Voraussetzungen der Longitudinalbeurteilung sind:
Das analytische System muss während der ganzen Beurteilungszeitspanne unverändert sein.
Kontinuierliche Maßnahmen der Qualitätssicherung zur Erkennung systematischer Fehler und Trends müssen durchgeführt werden.
Mögliche Einflussgrößen müssen ausgeschlossen oder zumindest standardisiert sein, z. B. standardisierte Blutentnahmebedingungen.
Bedingungen der Präanalytik müssen normiert sein.
Die der Longitudinalbeurteilung unterworfenen Ergebnisse sollten aus demselben Laboratorium stammen, da die Streuung der Ergebnisse aus verschiedenen Laboratorien auch bei kontrollierter gleicher Analysenmethodik etwa doppelt so groß ist, wie die Streuung von Tag zu Tag in einem Laboratorium.
Für die Longitudinalbeurteilung von 2 Analysenergebnissen (x1, x2) ist die kritische Differenz (Differenz, kritische) oder das Konfidenzintervall zu berücksichtigen: Zwei Analysenergebnisse x1 und x2 sind unter analytischen Gesichtspunkten signifikant verschieden, wenn der Absolutbetrag ihrer Differenz größer ist als die kritische Differenz. Die Ergebnisse x1 und x2 sind unter analytischen Gesichtspunkten signifikant verschieden, wenn sich deren Vertrauensbereiche nicht überdecken.
Eine eingeschränkte Form der generellen Longitudinalbeurteilung ist der Delta-Check, bei dem ein Vergleich eines aktuellen Messwertes(-ergebnisses) mit den Vorwerten der gleichen Messgröße, erstellt mit der gleichen analytischen Methode, vorgenommen wird.
Literatur
Stamm D, Büttner J (1995) Beurteilung Klinisch-Chemischer Analysenergebnisse. In: Greiling H, Gressner AM (Hrsg) Lehrbuch der Klinischen Chemie und Pathobiochemie, 3. Aufl. Schattauer Verlag, Stuttgart