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Luteinisierendes Hormon

Verfasst von: M. Bidlingmaier
Luteinisierendes Hormon
Synonym(e)
LH; Lutropin
Englischer Begriff
LH; luteinizing hormone; lutropin; historisch bei Männern auch: interstitial cell-stimulating hormone (ICSH)
Definition
Eines der vom Hypophysenvorderlappen sezernierten Gonadotropine, reguliert zusammen mit dem follikelstimulierenden Hormon (FSH, s. Follikelstimulierendes Hormon) die Follikelreifung (Ovulation, Gelbkörperbildung) bzw. die Testosteronproduktion der Leydig-Zellen.
Struktur
Aus 2 nichtkovalent verbundenen Untereinheiten (Polypeptidketten) bestehendes Glykoprotein. Die α-Untereinheit mit 92 Aminosäuren kommt auch in anderen Hormonen vor (Choriongonadotropin, Follikelstimulierendes Hormon, Thyreotropin), nur die aus 121 Aminosäuren bestehende β-Untereinheit ist spezifisch für das LH. Die Gonadotropine weisen wegen unterschiedlich starker Glykosilierung eine große molekulare Heterogenität auf.
Molmasse
Ca. 30 kDa (α- und β-Untereinheit zusammen).
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Die pulsatile Gonadotropin-Releasing-Hormon-Sekretion des Hypothalamus stimuliert am Hypophysenvorderlappen die Synthese und Sekretion von LH (und FSH). Da LH eine deutlich kürzere Halbwertszeit besitzt als FSH, reflektieren die LH-Konzentrationen im Serum auch deutlicher die Pulsatilität der hypothalamischen GnRH-Sekretion. LH wird zum Teil proteolytisch degradiert, die Elimination erfolgt renal.
Halbwertszeit
Ca. 20 Minuten.
Pathophysiologie
Wie beim FSH sind auch beim LH die zirkulierenden Konzentrationen bei Kindern physiologischerweise niedrig. Erst mit dem Einsetzen der pulsatilen GnRH-Sekretion in der Pubertät steigen die Konzentrationen an, bei Mädchen entwickelt sich der charakteristisch zyklussynchrone Konzentrationsverlauf. Ein kurzer, 24–46 Stunden andauernder steiler Anstieg der LH-Konzentrationen triggert die Ovulation. LH stimuliert bei der Frau über seinen spezifischen Rezeptor an den ovariellen Thekazellen die Produktion von Androgenen, die dann zu Estrogenen (s. Estrogene) metabolisiert werden. Kommt es nicht zu einer Schwangerschaft, erhält LH in der Lutealphase des Zyklus die Funktion des Gelbkörpers. Bei Eintritt einer Schwangerschaft übernimmt das in der Plazenta gebildete hCG (humanes Choriongonadotropin) diese Funktion. Beim Mann stimuliert LH die Leydig-Zellen des Hodens und reguliert so die Androgensynthese, insbesondere die Testosteronproduktion.
Die Gonadotropine LH und FSH wirken koordiniert als zentrale Regulatoren der reproduktiven Funktionen. Störungen der physiologischen Sekretion oder der Bindung und Wirkung der Gonadotropine führen daher zu Fertilitätsproblemen. Dabei bewegen sich LH und FSH in der Regel parallel. Bei der primären Insuffizienz der Keimdrüsen sind die Konzentrationen dauerhaft hoch, niedrige Gonadotropinkonzentrationen finden sich bei den sekundären bzw. tertiären Störungen (Hypophyse bzw. Hypothalamus).
Ähnlich wie beim FSH ist auch die therapeutische Verwendung. Aus Urin aufgereinigtes oder rekombinant hergestelltes LH kommt bei unerfülltem Kinderwunsch bzw. bei der Vorbereitung der In-vitro-Fertilisation (IVF) zum Einsatz.
Untersuchungsmaterial
Probenstabilität
24 Stunden bei Raumtemperatur, mehrere Tage bei 4 °C, mehrere Monate bei −20 °C.
Präanalytik
Bei der Blutentnahme sind der Zyklustag bzw. die Einnahme von Ovulationshemmern zu erfragen. Außerdem ist – stärker als beim FSH – die Pulsatilität der Sekretion zu berücksichtigen.
Analytik
Immunoassays. Nach wie vor besteht keine Harmonisierung der verschiedenen LH-Assays, Unterschiede bestehen wie beim FSH vor allem in der Spezifität der Antikörper sowie der verwendeten Standardpräparation. Es bestehen teilweise Kreuzreaktionen mit hCG, insbesondere wenn dieses in hoher Konzentration vorliegt. Bei LH sind zudem genetische Varianten häufig, diese werden von unterschiedlichen Assays unterschiedlich erkannt.
Konventionelle Einheit
IU/L (die International Units beziehen sich auf die jeweilige Standardpräparation).
Referenzbereich – Erwachsene
Aufgrund der Unterschiede der Assays sind jeweils methodenspezifische Referenzbereiche zu verwenden. Orientierend folgende Angaben:
Männer: 1–8 IU/L
Frauen:
  • Follikelphase: 3–15 IU/L
  • Periovulatorisch: 20–200 IU/L
  • Lutealphase: 5–10 IU/L
  • Postmenopausal: >20 IU/L
Referenzbereich – Kinder
Aufgrund der Unterschiede der Assays sind jeweils methodenspezifische Referenzbereiche zu verwenden. Orientierend folgende Angaben:
  • Präpubertär: <0,8 IU/L
  • 12–13 Jahre: <0,1–5,4 IU/L
  • 14–18 Jahre: 0,5–12,9 IU/L
Nach der Menarche ist bei Mädchen die Zyklusabhängigkeit zu beachten.
Indikation
  • Beurteilung von Zyklusstörungen bei der Frau
  • Fertilitätsdiagnostik bei Mann und Frau
  • Differenzialdiagnostik des Hypogonadismus bei Mann und Frau
  • Hypophysenerkrankungen
  • Störung der Pubertätsentwicklung
Interpretation
Erhöhte LH-Konzentrationen sprechen für einen primären, erniedrigte für einen sekundären oder tertiären Hypogonadismus.
Diagnostische Wertigkeit
Der hohe LH-Peak um die Ovulation könnte eine Ovarialinsuffizienz vortäuschen. Zur Interpretation ist daher die klinische Information unabdinglich. Die parallele Bestimmung von Estradiol bzw. Progesteron hilft labordiagnostisch bei der Einordnung.
In der Sterilitätsbehandlung werden engmaschige LH-Bestimmungen zur Vorhersage des Ovulationszeitpunktes eingesetzt.
Literatur
Stamatiades GA, Kaiser UB (2017) Gonadotropin regulation by pulsatile GnRH: signaling and gene expression. Mol Cell Endocrinol pii: S0303-7207(17)30552-X
Sturgeon CM, Ellis AR (2007) Standardization of FSH, LH and hCG--current position and future prospects. Mol Cell Endocrinol 260–262:301–309CrossRefPubMed
Themmen APN, Huhtaniemi IT (2000) Mutations of gonadotropins and gonadotropin receptors: elucidating the physiology and pathophysiology of pituitary-gonadal function. Endocr Rev 21(5):551–583CrossRefPubMed