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Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik
Info
Verfasst von:
W. Stöcker
Publiziert am: 15.12.2017

Masern-Viren

Masern-Viren
Englischer Begriff
measles virus
Beschreibung des Erregers
Morbilli-Virus aus der Familie der Paramyxoviridae. Die Viruspartikel sind von pleomorpher Gestalt und haben eine Größe von 110–250 nm. Sie enthalten ein unsegmentiertes, einzelsträngiges RNA-Genom negativer Polarität. Zusammen mit Nukleokapsidprotein, Phosphoprotein und Polymerase bildet die RNA einen helikalen Ribonukleoproteinkomplex, der von einer Lipidhülle umgeben ist. Diese wird an der Innenseite von einem Matrixprotein ausgekleidet, während außen Spikes aus Hämagglutinin und Fusionsprotein erscheinen. Im Gegensatz zu anderen Paramyxo-Viren enthält das Masern-Virus keine Neuraminidase. Es existiert nur ein einziger Serotyp, der eine hohe Antigenstabilität besitzt. Das Virus ist sehr empfindlich gegenüber Hitze, Licht, UV-Strahlung, Detergenzien und Desinfektionsmitteln.
Erkrankungen
Die Masern sind eine weltweit verbreitete, hoch fieberhafte und schwere Infektionskrankheit, die überwiegend im Kindesalter auftritt. Morbidität und Mortalität sind vor allem in Entwicklungsländern sehr hoch. Nach Angaben der WHO starben im Jahr 2015 weltweit 14.400 Personen an Masern. In Europa ist die Zahl der Masernfälle seit Einführung der Schutzimpfung stark zurückgegangen, von 850.000 (1980) auf nur noch etwa 3000 (2015), davon 6 % gemeldete Fälle in Deutschland. Jedoch treten immer wieder lokale Epidemien auf. Das einzige natürliche Reservoir des Masern-Virus ist der Mensch. Die Übertragung des hochkontagiösen Erregers erfolgt durch Tröpfcheninfektion sowie durch Kontakt mit Nasopharyngealsekret. Akute Masern beginnen nach einer Inkubationszeit von ca. 10 Tagen mit einem katarrhalischen Prodromalstadium (Fieber, Rhinitis, Pharyngitis, Husten, Konjunktivitis). Pathognomonisch sind die Koplik-Flecken der Wangenschleimhaut. Am 14.–15. Inkubationstag tritt unter erneutem Fieberanstieg das charakteristische makulopapulöse Masernexanthem auf. Es erscheint zunächst hinter den Ohren und im Gesicht, breitet sich rasch auf den gesamten Körper aus und klingt nach 5–7 Tagen wieder ab. Häufig liegt eine generalisierte Lymphadenopathie vor. Zudem führen Masern zu einer transienten Schwächung des Immunsystems und damit zu einer Prädisposition für bakterielle Sekundärinfektionen mit Otitis media, Bronchitis, Pneumonie, Myokarditis und Diarrhoe. Nur bei 0,1 % der Erkrankungen kommt es zu einer Meningoenzephalitis, diese verläuft jedoch in einem Fünftel der Fälle tödlich, bei weiteren 30 % bleiben dauerhafte Schädigungen des Gehirns zurück.
Zu den folgenschwersten Komplikationen zählen die akute postinfektiöse Enzephalitis (Inzidenz: 1:1000 Masernfälle) und die stets tödlich verlaufende subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE; Latenz: 7–10 Jahre; Inzidenz: 7–11 pro 100.000 Masernfälle). Eine Maserninfektion während der Schwangerschaft kann zu Abort, Früh- oder Totgeburt führen.
Die Therapie erfolgt symptomatisch. Zur Prävention wird eine aktive Immunisierung mit attenuiertem Lebendimpfstoff empfohlen, in der Regel als Kombinationsimpfung: Masern, Mumps, Röteln und Varizellen (MMRV-Vakzine). Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod an Masern sowie der direkte oder indirekte Nachweis des Erregers sind meldepflichtig.
Analytik
Direktnachweis des Masern-Virus mittels RT-PCR (PCR (Polymerase-Kettenreaktion)), direkter Immunfluoreszenz oder Antigen-ELISA (Enzyme-linked Immunosorbent Assay). Zur Virusanzucht werden Kulturen aus Affennierenzellen eingesetzt, im positiven Fall beobachtet man einen zytopathischen Effekt (mit Synzytienbildung).
Serologie: Antikörperbestimmung durch Enzymimmunoassay (Enzyme-linked Immunosorbent Assay, Chemilumineszenz-Immunoassays), indirekte Immunfluoreszenz (Immunfluoreszenz, indirekte) unter Verwendung Masern-Virus-infizierter Kulturzellen, Hämagglutinationshemmtest, Komplementbindungsreaktion oder Neutralisationstest.
Untersuchungsmaterial – Probenstabilität
Direktnachweis und Kultur: Das Virus wird in der Regel nicht direkt nachgewiesen. Zur Differenzialdiagnose werden Nasen-, Rachen-, Bronchialsekret und Konjunktivalflüssigkeit untersucht. Bis zur Weiterverarbeitung muss das Material bei +4 bis +8 °C aufbewahrt werden. Direktnachweise sind innerhalb von 24 Stunden durchzuführen, Kulturen innerhalb von 6 Stunden anzulegen. Bei längerer Transportzeit ist das Material einzufrieren.
Serologie: Serum oder Plasma für den Nachweis der Antikörper sind bei +4 °C bis zu 2 Wochen lang beständig, bei −20 °C über Monate und Jahre hinweg. Zur Tiefkühlkonservierung des IgM kann man den Proben 80 % gepuffertes Glyzerin beifügen.
Diagnostische Wertigkeit
Die Diagnose der Masern kann häufig aufgrund der typischen klinischen Symptomatik gestellt werden, manchmal in Verbindung mit der aktuellen epidemischen Situation. Aufgrund der zunehmenden Seltenheit des Krankheitsbilds gewinnt die Labordiagnostik jedoch an Bedeutung. Mittels RT-PCR kann bereits im frühen Krankheitsstadium (Exanthembeginn) ein schneller Virusnachweis erfolgen. Bei positivem RNA-Nachweis lässt sich auch der Genotyp des Erregers feststellen, wodurch Infektionsquellen und Transmissionswege erkundet und zwischen Wild- und Impfstämmen differenziert werden kann. Die Virusanzucht ist dagegen aufwendig und nicht sehr zuverlässig. Weder beim RNA-Nachweis noch bei der Virusisolierung rechtfertigt ein negatives Ergebnis den Ausschluss einer Masernerkrankung.
Sicherster Marker akuter Masern sind virusspezifische IgM-Antikörper. Sie können bei 50 % der Patienten bereits 3 Tage nach Exanthembeginn nachgewiesen werden, bei mehr als 90 % innerhalb von 10 Tagen. Ein positiver IgM-Nachweis sollte mit einem virusspezifischen IgG-Test bestätigt werden. Eine Serokonversion oder ein signifikanter Titeranstieg des spezifischen IgG gelten als beweisend für eine frische Infektion. In Zweifelsfällen untersucht man die Avidität des spezifischen IgG; ist sie hoch, ist eine akute Maserninfektion unwahrscheinlich. Bei Verdacht auf eine Masern-Enzephalitis werden spezifische, intrathekal synthetisierte IgG-Antikörper im Liquor bestimmt: SSPE-Patienten zeigen extrem hohe IgG-Titer in Serum und Liquor. Die Möglichkeit von Kreuzreaktionen mit anderen Paramyxoviren ist zu berücksichtigen. Als Differenzialdiagnosen sind u. a. Scharlach, Röteln, Kawasaki-Syndrom und Arzneimittelexantheme auszuschließen.
Literatur
Darai G, Handermann M, Sonntag HG, Tidona CA, Zöller L (Hrsg) (2009) Lexikon der Infektionskrankheiten des Menschen, 3. Aufl. Springer-Verlag, Heidelberg/Berlin/New York, S 512–515
Köhler W, Eggers HJ, Fleischer B, Marre R, Pfister H, Pulverer G (Hrsg) (2001) Medizinische Mikrobiologie, 8. Aufl. Urban & Fischer Verlag, München, S 641–644