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Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik
Info
Verfasst von:
H. Fiedler
Publiziert am: 04.04.2018

Modifikation, posttranslationale

Modifikation, posttranslationale
Englischer Begriff
posttranslational modification; PTM
Definition
Die posttranslationale Modifikation (PTM) von Proteinen erfolgt im endoplasmatischen Retikulum (teilweise auch cotranslational) und/oder im Golgi-Komplex sowie später an bestimmten Zellorganellen oder außerhalb der Zellen. Die genetische Information wird dadurch in eine Vielfalt neuer struktureller und physiologischer Eigenschaften der modifizierten Proteine umgewandelt. Die Aminosäuren werden an den Seitenketten oder am N- oder C-terminalen Ende des Proteins an bereits bestehenden oder neu hinzugefügten funktionellen Gruppen modifiziert. Die Prozesse können konstitutiv oft mithilfe von Enzymen ablaufen oder durch Umwelteinflüsse (Stress, oxidativer, Stress, nitrosativer) oder durch andere Proteine beeinflusst werden. Ein Teil der Modifikationen (betreffen besonders Signal- und Regulationsmechanismen) können wieder rückgängig gemacht werden (Dephosphorylierung, Deubiquitinierung). Im menschlichen Proteom sollen ca. 2600 PTM-Stellen vorhanden sein.
Beschreibung
Folgende häufige Posttranslationsprozesse sind bekannt:
  • Abspaltung des Signalpeptids bzw. des N-terminalen Methionylrestes durch die Methionylaminopeptidase.
  • Konvertierung (Prozessierung) von Prohormonen (Proinsulin, Proopiomelanocortin, ProBNP) und Proproteinen (Proalbumin, Amyloidpräkursorprotein, Prokollagen).
  • Glykosylierung an den OH-Gruppen von Serin/Threonin im endoplasmatischen Retikulum oder an der NH2-Gruppe von Asparagin im Golgi-Apparat (Glykoproteine). Glykierung (Glykierung, nichtenzymatisch) ist dagegen die nichtenzymatische kovalente Bindung von Carbonylverbindungen (Kohlenhydrate, Glyoxal u. a.), die zu Carbonylstress bei Diabetes oder Urämie führen.
  • Phosphorylierung von Serin, Threonin oder Tyrosin durch Proteinkinasen (ca. 500 im menschlichen Genom). Phosphorylierungen sind nicht nur an einer, sondern an mehreren Stellen möglich, die auch verschiedene Effekte haben können. Die ATP-abhängige Phosphorylierung und die Dephosphorylierung durch Proteinphosphatasen, zusammengefasst als Interkonvertierung, führt zu Änderungen der katalytischen Eigenschaften von Enzymen, die meist an Schaltstellen des Stoffwechsels lokalisiert sind (Glykogen-Phosphorylase, Phosphorylase-Kinase, Glykogen-Synthase). Auch die Aktivität von Rezeptoren, Ionenkanälen, kontraktilen Muskelproteinen und Zytoskelettproteinen werden durch reversible Phosphorylierungen reguliert. Phosphorylierungen können auch Proteinkonformationen ändern, so bindet die phosphorylierte Tyrosinkinase Src an die SH2-Domäne und wird dadurch inhibiert. Nach Dephosphorylierung wird durch Aufklappen von SH2 die Tyrosinkinase aktiviert.
  • Acylierung an der N-terminalen Aminogruppe (Formyl-, Acetyl-, Myristoyl- und Palmitoyl-Reste) oder an der ε-Aminogruppe des Lysins (Acetyl-, Lipoyl-, Biotinyl-, Ubiquitinyl- und SUMOyl-Reste) sowie an der Hydroxylgruppe des Serins. Im Zitrat- und Harnstoffzyklus sowie im Glykolyse- und Fettsäuremetabolismus ist fast jedes Enzym acetyliert. Massenspektroskopie ermittelte 3600 Lysin-Acetylierungsstellen bei 1750 Proteinen. Lysin-Acetylierung von Histonen reguliert die Genexpression und den Zellzyklus. Acetylierung der N-terminalen Aminosäure vieler Proteine ist ein Signal zum Abbau.
  • Sulfatierungen von Tyrosin und Proteoglykanen. Zufügung von 1, 2 oder 3 Sauerstoffatomen zur SH-Gruppe des Cysteins.
  • Alkylierung mit Methylgruppen am N-Terminus, an der ε-Aminogruppe des Lysins und der Guanidinogruppe des Arginins. (Iso-)Prenylierung mit Isoprenoidresten (Farnesyl- oder Geranylgeranylgruppe) als Membrananker.
  • Lipidanker (Glykosylphosphatidylinositol) dienen der Verankerung des Proteins an zelluläre Membranen.
  • Vitamin-K-abhängige Carboxylierung von Glutamat zu biologisch aktivem γ-Carboxyglutamat (Gerinnungsfaktoren, Osteocalcin).
  • Hydroxylierung (Lysin, Prolin).
  • S-Glutathionierung, Disulfidbildung, S-Nitrosylierung.
  • Citrullinierung (Deiminierung) von Proteinarginin erfolgt durch Peptidylarginin-Deiminasen. Citrulliniertes Vimentin und Fibrinogen induzieren Autoimmunprozesse, wie rheumatoide Arthritis, systemischer Lupus erythematosus und Sjögren-Syndrom (Autoantikörper gegen citrullinierte Peptide). Deiminierung reguliert auch die Genexpession durch Modifizierung von Histonen.
  • Carbamylierung erfolgt durch Isocyansäure, die aus Thiocyanat mittels Myeloperoxidase oder aus Thiocyanat nach Zerfall von Harnstoff bei Niereninsuffizienz entsteht. Die α-Aminogruppe reagiert 100-fach schneller mit Isocyansäure als die ε-Aminogruppe des Lysins. Durch Verlust der positiven Ladung ändert sich die Konformation. Enzymaktivität und Rezeptorbindung werden reduziert und tubuläre Zellschäden verstärkt. Bei diabetischer Nephropathie können veschiedene HbA1c-Teste durch Erhöhung des carbamylierten Valins der β-Kette des Hämoglobins gestört werden. Carbamylierte Plasmaproteine (HPLC-MS/MS) werden als Risikofaktor für Atherosklerose betrachtet.
PTMs lassen sich durch Proteomanalytik, Massenspektrometrie und Eastern bzw. Lectin blotting erfassen.
Literatur
Doll S, Burlingame AL (2015) Mass spectrometry-based detection and assignement of protein posttranslational modifications. ACS Chem Biol 10:63–71CrossRef
Jaisson S, Pietrement C, Gillery P (2011) Carbamylation-derived products: Bioactive compounds and potential biomarkers in chronic renal failure and atherosclerosis. Clin Chem 57:1499–1595CrossRef
Westermann P, Wittmann-Liebold B (2002) Enzym- und Proteinanalytik. In: Ganten D, Ruckpaul K (Hrsg) Grundlagen der Molekularen Medizin, 2. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg/New York, S 455–457