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Neuronenspezifische Enolase im Blut

Verfasst von: S. Holdenrieder und P. Stieber
Neuronenspezifische Enolase im Blut
Synonym(e)
NSE; γ-Enolase
Englischer Begriff
neuron-specific enolase
Definition
Die neuronenspezifische Enolase ist ein 100 kDa schweres glykolytisches Enzym, das vorwiegend in Nervenzellen und neuroendokrinen Zellen vorkommt.
Struktur
Die neuronenspezifische Enolase ist ein Dimer, das sich aus den nicht speziesspezifischen Polypeptidketten α/γ oder γ/γ (Molmasse je Untereinheit ca. 39 kDa) zusammensetzt.
Molmasse
100 kDa.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Die γ-Untereinheit der Enolase kommt in Neuronen des Gehirns und des peripheren Nervensystems und im neuroendokrinen Gewebe, besonders in den sogenannten APUD-Zellen, im Darm, in der Lunge und in endokrinen Organen wie Schilddrüse, Pankreas und Hypophyse vor.
Halbwertszeit
1–2 Tage.
Funktion – Pathophysiologie
Die klinische Bedeutung der NSE-Bestimmung liegt im Therapiemonitoring und der Rezidiverkennung von neuroendokrinen Tumoren, vor allem dem kleinzelligen Lungenkarzinom und von Neuroblastomen.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Serum, Liquor, Aszites, Pleuraflüssigkeit.
Analytik
Enzymimmunoassay (EIA), Radioimmunoassay (RIA), Immunradiometrischer Assay (IRMA), Elektrochemilumineszenz-Immunoassay (ECLIA), insbesondere unter Verwendung monoklonaler Antikörper.
Konventionelle Einheit
ng/mL (μg/L).
Referenzbereich – Erwachsene
Serum: Median 6,9 μg/L; 95 %-Perzentile 10,0 μg/L (methodenabhängig).
Indikation
Interpretation
Die meisten NSE-Assays sind nur für die Anwendung im Serum evaluiert. Darüber hinaus kann NSE auch in anderen Körperflüssigkeiten wie Liquor cerebrospinalis bestimmt werden.
NSE ist weder tumor- noch organspezifisch. Es wird in hohen Wertlagen (>100 μg/L) jedoch vornehmlich beim kleinzelligen Lungenkarzinom sowie bei neuroendokrinen Tumoren anderer Lokalisation und beim hepatozellulären Karzinom ins Serum freigesetzt. Zur Differenzialdiagnose, Therapiekontrolle und Nachsorge des kleinzelligen Lungenkarzinoms empfiehlt sich die kombinierte Bestimmung mit ProGRP, da beide Marker eine deutliche additive Sensitivität aufweisen. In niedrig pathologischen Mengen kann NSE auch bei anderen gynäkologischen und gastrointestinalen Karzinomen, bei ZNS-Tumoren, Lymphomen sowie beim Seminom vorkommen. Bei Kindern finden sich erhöhte NSE-Werte vor allem beim Neuroblastom oder bei Wilms-Tumoren.
Differenzialdiagnostisch sind gutartige Lungenerkrankungen, Urämie und zerebrale Erkrankungen, insbesondere neurodestruktive Prozesse mit gestörter Blut-Liquor-Schranken-Funktion wie Traumata, entzündliche Hirnerkrankungen, zerebrale Ischämien, Blutungen etc. zu berücksichtigen. Als Neurodestruktionsmarker kann NSE bei den genannten zerebralen Erkrankungen die Schwere des Krankheitsgeschehens anzeigen. Dabei ist eine Kombination mit der Bestimmung des S100-Proteins sinnvoll (Liquor-Neuronenspezifische Enolase (NSE)). Bei Schwangeren ist das Vorliegen eines fetalen Neuralrohrdefekts zu bedenken.
Bei der NSE-Bestimmung ist auf eine einwandfreie präanalytische Handhabung des Probenmaterials zu achten. Hämolytische Seren können wegen Freisetzung größerer Mengen NSE aus Erythrozyten höhere Werte verursachen; ebenso nicht sachgemäß zentrifugiertes Blutplasma wegen einer möglichen Freisetzung von NSE aus Thrombozyten.
Diagnostische Wertigkeit
Literatur
Korse CM et al (2012) Choice of tumour markers in patients with neuroendocrine tumours is dependent on the histological grade. A marker study of chromogranin A, neuron specific enolase, progastrin-releasing peptide and cytokeratin fragments. Eur J Cancer 48:662–671CrossRefPubMed
Lamerz R (2012) NSE. In: Thomas L (Hrsg) Labor und Diagnose. Indikation und Bewertung von Laborbefunden für die medizinische Diagnostik, 8. Aufl. TH-Books, Frankfurt am Main, S 1677–1681
Molina R et al (2016) Assessment of a combined panel of six serum tumor markers for lung cancer. Am J Respir Crit Care Med 193:427–437CrossRefPubMed