Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik
Info
Verfasst von:
T. Stief
Publiziert am: 23.08.2017

Oxidativer Burst-Test im Blut

Oxidativer Burst-Test im Blut
Synonym(e)
blood ROS generation assay; BRGA
Englischer Begriff
Generation of reactive oxygen species (ROS) by blood neutrophils; BRGA
Definition
Die aktivierten polymorphkernigen neutrophilen Granulozyten (PMN) generieren reaktive Sauerstoff-Spezies (ROS). Die ROS-Generierung der aktivierten PMN ist mehr als 10-fach stärker als die der aktivierten Monozyten. Die wichtigsten ROS sind die „Muttersubstanz“ Hydrogenperoxid (H2O2 entsprechend HO•OH) und die beiden „Tochtersubstanzen“ Hydroxyl-Radikal (HO•) und das angeregte Nichtradikal Singulett-Sauerstoff (singlet spin state excited molecular oxygen [1ΔO2*]). H2O2 entsteht über eine aktivierte membranöse NADPH-Oxidase (Nox-2), HO• entsteht durch Spontanzerfall von HO•OH, 1ΔO2* entsteht insbesondere über Myeloperoxidase/Taurin-Chloramin (Abb. 1). Um selektiv Pathogene (und nicht eigenes physiologisches Gewebe) zu zerstören, generieren aktivierte PMN vorzugsweise nichtradikalisches 1ΔO2*. Das Reaktionsprodukt von 1ΔO2* und R–C = C–R (Alken) ist excited Carbonyl (R–C = O*), das ein Photon insbesondere im violetten/ultravioletten Spektralbereich emittiert. PMN erzeugen nicht nur Licht, sie können es auch „sehen“: Sie haben Opsinrezeptoren für Licht im blau/violetten (OPN1SW) und im UV-Bereich (OPN5), und sie nehmen hell/dunkel war (OPN2 = Rhodopsin).
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Citrat-Blut (gegebenenfalls EDTA-Blut). Heparin-Blut ist weniger geeignet, da Heparin selbst PMN stimuliert.
Präanalytik
Proben sollten frisch sein (möglichst <2 h alt, gelagert bei Raumtemperatur).
Analytik
Methode der Wahl ist die funktionelle Bestimmung der individuellen ROS-Generierung im 10- bis 20-fach verdünnten Citrat-Blut, stimuliert mit pathophysiologisch bedeutender Konzentration (ca. 2 μg/mL) an Zymosan β(1,3)D-Glukan von Candida albicans; s.Endotoxin-Reaktivität), gemessen am Mikrotiterplatten-Luminometer (96 Proben gleichzeitig, Messzeit 0,5 s/well). Die Luminol-verstärkte Lumineszenz wird zum Zeitpunkt 0,5 t-maxn (ca. 0,5-fache Zeit, die Normalblut bis zum Lumineszenzmaximum benötigt) bestimmt. Der BRGA kann als Einstufentest oder als Zweistufentest (BRGA-60-) durchgeführt werden. Im BRGA-60- wird das Blut des Patienten zunächst 60 min (37 °C) mit einem Pharmakon inkubiert und dann erst die ROS-Generierung getriggert (Mittestung der individuellen Aktivität zellulärer Enzyme wie Cytochrom P450). Die pathophysiologisch-aktivierte Generierung von reaktiven Sauerstoff-Spezies wird beim BRGA erstmals in (verdünntem) Vollblut gemessen, d. h. ohne artifizielle Aufreinigung und ohne Anwesenheit von Heparin, einem starken Neutrophilenaktivator. Die reinen Materialkosten je BRGA-Test liegen im Cent-Bereich.
Referenzbereich
100 ± 30 % der Norm; gemessen nach 0,5 t-maxn (ca. 30 min bei 37 °C).
Indikation
  • Monitoring der Neutrophilenfunktion
  • Medikamentenwirkung auf Neutrophile (individuelle Dosisanpassung)
  • Erfolgskontrolle einer Therapie (PMN-Suppression bei Autoimmunität, PMN-Stimulation bei Unterfunktion)
Diagnostische Wertigkeit
Viele Patienten haben unerkannterweise einen Neutrophilendefekt oder eine Neutrophilenüberfunkion. Screening großer Patientenkollektive am Mikrotiterplatten-Luminometer ist ohne Probleme möglich. Das minimal benötigte Probenvolumen beträgt ca. 10 μL, sodass auch pädiatrische Patienten problemlos gemessen werden können.
Literatur
Stief T (2013a) Glucose initially inhibits and later stimulates blood ROS generation. J Diabet Mellitus 3:15–21CrossRef
Stief T (2013b) Photonic hemostasis. Physiology of light signals in the neutrophil. Nova Science Publishers, New York
Stief T (2014) Applied biochemistry of the BRGA. Hemost Lab 7:331–341