Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik
Info
Verfasst von:
T. Stauch
Publiziert am: 02.05.2018

Porphobilinogendesaminase

Porphobilinogendesaminase
Synonym(e)
(4-[2-Carboxyethyl]-3-[carboxymethyl]pyrrol-2-yl)methyl-transferase, Prä-Uroporphyrinogen-I-Synthase; Hydroxymethylbilan-Synthase; HMBS; PBGD
Englischer Begriff
Porphobilinogendeaminase
Definition
EC 2.5.1.61: Enzym, das die Kondensation von 4 Molekülen Porphobilinogen zur linearen Vorstufe des Uroporphyrinogens, dem Hydroxymethylbilan (HMBS), katalysiert. Drittes Enzym in der Biosynthesekette des Häms.
Struktur
Polypeptid aus 361 Aminosäuren. Das humane Enzym setzt sich aus 3 Domänen mit je ca. 120 Aminosäuren zusammen mit einem kovalent gebundenen Dipyrropmethan-Kofaktor im aktiven Zentrum (lokalisiert zwischen Domäne 1 und 2).
Molmasse
Ca. 49,1 kDa.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Es handelt sich um ein zytoplasmatisches Enzym (Michaelis-Konstante KM = 48 μM für Porphobilinogen, Vmax = 1261 nmol/h/mg bei 37 °C) mit hoher Thermostabilität.
Funktion – Pathophysiologie
Tetramerisierung von Porphobilinogen zu Hydroxymethylbilan (Präuroporphyrin). Katalysator eines geschwindigkeitsbestimmenden Schrittes der Hämbiosynthese. Reduktion der Aktivität auf die Hälfte des physiologischen Wertes (heterozygote Mangelzustände) führen bei verstärkter Hämabforderung infolge der Induktion hämabhängiger Enzyme in der Leber oder verstärkter Hämdegradation zur Dysregulation der Hämsynthese aufgrund unzureichender bzw. fehlender Feedback-Hemmung durch das Endprodukt. Durch Anflutung der toxischen Porphyrinvorläufer (5-Aminolävulinsäure und Porphobilinogen) kommt es zur Ausbildung eines akuten hepatischen Porphyriesyndroms.
Im Knochenmark ebenfalls essenzielles Enzym, jedoch dort kaum leistungsbegrenzender Schritt. Bei Minderaktivität ergeben sich hier keine regulatorischen Konsequenzen im Sinne einer Anflutung toxischer Vorstufen oder Zwischenprodukte.
Diagnostisch werden verringerte Aktivitäten der Porphobilinogendesaminase zur Differenzialdiagnose/Diagnosebestätigung einer akuten intermittierenden Porphyrie oder zur Feststellung eines entsprechenden Genträgerstatus (bei asymptomatischen Probanden) genutzt.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen.
Heparinvollblut (unzentrifugiert), Kühlung nicht erforderlich. Lichtschutz ist dann sinnvoll, wenn aus demselben Material Erythrozyten- oder Plasmaporphyrine bestimmt werden sollen oder ein Fluoreszenz-Scan veranlasst wird.
Probenstabilität
Heparinblutproben sind auch ungekühlt mindestens 7 Tage stabil. Bei längerer Asservierung können Blutproben komplett tiefgefroren (−20 °C) werden.
Präanalytik
s. o.
Analytik
Photometrie nach enzymatischer Umsetzung (Endpunktmethode) von Porphobilinogen zu Uroporphyrin I. Hierbei wird der spontane Ringschluss zu Uroporphyrinogen der Isomerenreihe I genutzt und ein Oxidationsschritt zur Bildung von Uroporphyrin nachgeschaltet. Dessen Absorptionsbande wird zwischen 380 und 430 nm aufgezeichnet und ausgewertet. Bezugspunkt ist ein Pool von mindestens 20 Heparinblutproben von Normalprobanden ohne Genträgerstatus, dessen Aktivität 100 % entspricht.
Konventionelle Einheit
μg/L/s bzw. %.
Internationale Einheit
nmol/L/s oder nkat/L.
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit
μg/L/s × 4,420 = nmol/L/s, die Umrechnung in % ist standard- und methodenabhängig.
Referenzbereich – Erwachsene
13,3–24,7 nmol/L/s bzw. 70–130 %.
Referenzbereich – Kinder
Datenlage bisher unzureichend; es findet der Erwachsenen-Referenzbereich Verwendung.
Indikation
Interpretation
Der Genträgerstatus bezüglich einer akuten intermittierenden Porphyrie zeigt sich aufgrund des Ausfalls eines Allels (heterozygoter Defekt) in der Regel anhand einer auf etwa 50 % der Norm reduzierten Enzymaktivität. Am häufigsten werden Werte zwischen 6,7 und 12,4 nmol/L/s gefunden, was etwa 35–65 % entspricht. Es existiert ein erheblicher Überlappungsbereich (ca. 11–14 nmol/L/s, 58–74 %), innerhalb dessen keine eindeutige Aussage möglich ist. In diesen Fällen ist der Test anhand einer frischen Blutprobe zu wiederholen und/oder ggf. auf eine molekulargenetische Analyse auszuweichen.
Erhöhte Werte sind oft mit einer verstärkten Erythropoese/Retikulozytose verbunden oder treten im Rahmen maligner Neoplasien auf. Obwohl im Hinblick auf Porphyrinstoffwechselstörungen nicht relevant, können Anstiege der Porphobilinogendesaminase-Aktivität eine genetische Porphyrieanlage maskieren bzw. die Sensitivität der Analyse signifikant verringern.
Diagnostische Wertigkeit
Die diagnostische Evaluation ergibt eine Sensitivität von 94,16 % (129/137 Patienten mit akuter intermittierender Porphyrie) bei einer mittleren Aktivität von 9,7 nmol/L/s (entspricht 51 % des Normalblutpools) bei AIP-Genträgern.
Träger von sog. non-erythroiden Spleißvarianten weisen aufgrund einer gewebespezifisch aberranten Prozessierung der mRNA nur in der Leber Aktivitätsverminderungen auf und werden aufgrund normaler Enzymproteinsynthese in erythropoetischen (Stamm-)Zellen durch den Bluttest nicht erfasst. Zum Nachweis dieser Veränderungen ist die Sequenzierung des PBGD-Gens obligat.
Literatur
Bustad HJ, Vorland M, Ronneseth E, Sandberg S, Martinez A, Toska K (2013) Conformational stability and activity analysis of two hydroxymethylbilane synthase mutants, K132N and V215E, with different phenotypic association with acute intermittent porphyria. Biosci Rep 33(4):617–626CrossRef
Doss MO, Tiepermann R (1978) Uroporphyrinogen-Synthase in Erythrozyten bei akuter intermittierender Porphyrie. ClinChemClin Biochem 16:111–118