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Porphyrine

Verfasst von: T. Stauch
Porphyrine
Synonym(e)
Häm-Vorstufen; Häm-Vorläufer
Englischer Begriff
porphyrins
Definition
Cyclische, konjugierte Tetrapyrrole, die als vierzähnige Chelatliganden zweiwertige Kationen (z. B. Eisen, Zink, Cobalt, Magnesium, Nickel) fixieren können. Ihre Bezeichnung verdanken sie der purpurroten Farbe (griech. porphyrá = Pupurfarbstoff).
Durch ihre Kapazität zur Elektronenpufferung sowie ihre strukturelle Eigenschaft eine planar-koordinative Umgebung für Kationen schaffen zu können, ermöglichen sie den vorübergehenden Zugang anderer Bindungspartner, die in dieser Form transportiert und/oder spezifischen Reaktionen unterworfen bzw. diesen zugänglich gemacht werden können. Insofern bilden Sie als Bestandteile prosthetischer Gruppen essenzielle Funktionseinheiten in Transportproteinen und Enzymen.
Diagnostische Relevanz kommt den Porphyrinen als Indikatoren des Hämsynthesestatus zu.
Struktur
Struktur des Grundkörpers:
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Im Stoffwechsel entstehen Porphyrine mit Ausnahme des Protoporphyrins IX als Nebenprodukte durch Oxidation der entsprechenden Porphyrinogene. Diesen Porphyrinen kommt weder eine direkte biochemische Funktion zu, noch werden sie metabolisch weiter genutzt, sodass sie, je nach Löslichkeit, entweder renal oder biliär ausgeschieden werden. Sowohl die absolute Menge als auch das relative Verhältnis reflektiert allerdings als Gesamtabbild den Status der Hämsynthese in allen Körpergeweben. Der Hauptanteil der Hämproduktion entfällt auf das Knochenmark, die Leber und die Nieren, sodass Veränderungen im Exkretionsmuster von Porphyrinen im Wesentlichen auf Beeinflussungen bzw. Beeinträchtigungen der Hämsynthese in diesen Organsystemen zurückzuführen sind. Die Generierung von Porphyrinen in anderen Geweben dürfte im Vergleich dazu vernachlässigbar sein.
Ist die Anflutung von Porphyrinen sehr hoch und/oder die Exkretionskapazität begrenzt, kommt es zur Kumulation von Porphyrinen in unterschiedlichen Geweben, wobei die Löslichkeitseigenschaften und damit der Carboxylierungsgrad hinsichtlich der Verteilung eine entscheidende Rolle spielen. Da Porphyrine Lichtenergie absorbieren und für chemische Folgereaktionen (Radikalbildung o. Ä.) zur Verfügung stellen können, ist die Einlagerung in den Schichten der äußeren Haut aus klinischer Sicht besonders relevant. Hierin liegt die Ursache der lichtabhängigen Symptome bei etlichen Porphyrinstoffwechselstörungen.
Aufgrund der den Porphyrinen eigenen purpurroten Farbe sind deutliche Erhöhungen der gut wasserlöslichen Porphyrine anhand einer entsprechenden Verfärbung des Urins erkennbar und lenken den diagnostischen Blick auf eine mögliche Porphyrie. Da vorwiegend lipophile Porphyrine über den Stuhl ausgeschieden werden, der aufgrund der Gallenfarbstoffe bereits eine intensive Eigenfärbung aufweist, entfällt hier die Möglichkeit, eine entsprechende Farbveränderung festzustellen und diagnostisch nutzbar zu machen.
Funktion – Pathophysiologie
Da die Porphyrine mit Ausnahme des Protoporphyrins keine physiologische Funktion haben, seien an dieser Stelle die korrespondierenden Porphyrinogene besprochen, die die reduzierten Formen der eigentlichen Porphyrine darstellen. Diese sind in ihrer physiologischen Abfolge Zwischenprodukte der Hämbiosynthese und entstehen aus den Porphyrinvorläufern 5-Aminolävulinsäure und Porphobilinogen über ein lineares Tetrapyrrol, das Hydroxymethylbilan (HMB). Aus diesem wird, katalysiert durch das Enzym Uroporphyrinogen-III-Synthase (UROS) das erste Porphyrinogen gebildet, das Octacarboxy- oder Uroporphyrinogen. Es folgen 4 sukzessive Decarboxylierungsschritte, die ausschließlich die Carboxymethylseitenketten betreffen, bis zum Tetracarboxy- oder Koproporphyrinogen. Beteiligt ist hierbei nur ein Enzym, die Uroporphyrinogendecarboxylase (UROD). Danach folgen oxidative Decarboxylierungsschritte, die 2 der insgesamt 4 Carboxyethylseitenketten in Vinylgruppen überführen sowie ein reiner Oxidationsprozess, der zum Protoporphyrin IX (der direkten Häm-Vorstufe) führt, wie in der nachfolgenden Abb. 1 dargestellt (CPX, Koproporphyrinogenoxidase; PPOX, Protoporphyrinogenoxidase; UROD, Uroporphyrinogendecarboxylase; UROS, Uroporphyrinogen-III-(Co)Synthase):
Neben der physiologisch relevanten Bildung der Isomerenreihe III unter Inversion des Pyrrolringes in Position D, die zur Änderung der Abfolge von Carboxymethyl- und Carboxyethylseitenketten führt, entstehen, vor allem spontan, auch entsprechende Porphyrinogene der Isomerenreihe I und in sehr geringem Umfang auch der Isomerenreihe II. Allerdings enden diese Nebenpfade beim Koproporphyrinogen in einer „Sackgasse“, da die Koproporphyrinogenoxidase eine hohe Substratspezifität bezüglich des Isomers III aufweist (s. Abb. 1).
Diagnostisch treten gegenüber den relativen Veränderungen (im Sinne einer Verteilungsmusteranalyse) die absoluten Erhöhungen der Ausscheidungswerte bei den Porphyrinen in den Hintergrund.
Absolutwerte dienen hier zwar zur Einschätzung der klinischen Auswirkungen (z. B. zur Beantwortung der Frage, ob das Auftreten aktueller kutaner Symptome wahrscheinlich ist oder nicht), doch ist der Informationsgehalt bei der Analyse der Porphyrine in den Verschiebungen der einzelnen Metabolit- bzw. Isomeranteile zu suchen. Diese erlauben Rückschlüsse auf den der Störung zugrunde liegenden enzymatischen Defekt bzw. Mangel.
Da die aus den jeweiligen Porphyrinogenen entstehenden Porphyrine in Abhängigkeit von der Anzahl der Carboxylatgruppen unterschiedliches Löslichkeitsverhalten zeigen und eine sekundäre Metabolisierung nicht erfolgt, ist der jeweils vorherrschende Ausscheidungsweg vom Metaboliten abhängig. Nicht zuletzt deshalb ist es sinnvoll, dass sowohl der renale als auch der fäkale Exkretionsweg in die Untersuchungen zur Abklärung einer möglichen Porphyrinstoffwechselstörung einbezogen wird. Während die höhercarboxylierten Fraktionen wie Uro- und Heptacarboxyporphyrin überwiegend über den Urin ausgeschieden werden, ist die Gruppe der Tri- und Dicarboxyporphyrine im Wesentlichen im Stuhl der Betroffenen in diagnostisch relevanten Mengen vorhanden. Das amphiphile Koproporphyrin findet sich in vergleichbarem Umfang in beiden Ausscheidungswegen.
Serum- oder Plasmaspiegel reflektieren zwar am besten den aktuellen Stoffwechselstatus, sind aber infolge fehlender Anreicherung durch Ausscheidungsorgane relativ niedrig und mit größerer analytischer Unpräzision behaftet.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Urin, Stuhl, Blut in Form von Serum oder Plasma (Heparin, EDTA). Konservierende Zusätze sind nicht erforderlich und sollten vermieden werden. Probenmaterial zur Untersuchung von Porphyrinen sollte generell lichtgeschützt ausbewahrt und versendet werden (Alufolie o. Ä.). Da Porphyrine ansonsten eine hohe chemische und thermische Stabilität aufweisen, ist Kühlung von Urin oder Serum/Plasma nicht unbedingt erforderlich. Bei Stuhlproben empfiehlt sich Kühlung oder (bei längeren Asservierungszeiten) das Einfrieren der Probe.
Probenstabilität
Lichtgeschützt sind die Probenmaterialien Urin und Serum/Plasma über mehrere Tage (mindestens 4–5) hinreichend stabil. Ein gewisses Problem mit der präanalytischen Integrität besteht bei Stuhlproben, da hier mikrobielle Umwandlungsprozesse das Analysenergebnis beeinflussen können.
Analytik
Hochdruckflüssigkeitschromatografie mit Fluoreszenz-Detektion. Die Varianz des Verfahrens liegt je nach Metabolit und Matrix bei 5–15 %, bei Porphyrinen im Serum/Plasma signifikant höher (>20 %).
Gesamtporphyrin-Bestimmung auch fotometrisch nach Ionenaustauscheradsorption und Elution durch Auswertung der Soret-Bande bei 400-410 nm.
Konventionelle Einheit
Urin: μg/24 h bzw. μg/g Krea.
Stuhl: μg/g Trockengewicht.
Serum/Plasma: μg/l.
Internationale Einheit
Urin: nmol/24 h bzw. μmol/mol Krea.
Stuhl nmol/g Trockengewicht.
Serum/Plasma: nmol/l.
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit
Abhängig vom jeweiligen Metaboliten:
Metabolit
Molgewicht
Einheiten
Faktor
Uroporphyrin
830,76
μg, nmol
1,204
Heptacarboxaporphyrin
786,75
μg, nmol
1,271
Hexacarboxyporphyrin
742,74
μg, nmol
1,346
Pentacarboxyporphyrin
698,73
μg, nmol
1,431
Koproporphyrin
654,72
μg, nmol
1,527
Protoporphyrin
562,66
μg, nmol
1,777
Referenzbereich – Erwachsene
Urin:
 
μg/24 h
μg/g Krea
μmol/mol Krea
Relativer Anteil (%)
Uroporphyrin
<27
<33
<4,5
1,4–32,9
Heptacarboxyporphyrin
<8
<10
<1,5
0,7–9,8
Hexacarboxyporphyrin
<6
<7
<1,0
0,3–3,5
Pentacarboxyporphyrin
<4
<5
<0,8
0,6–7,3
Koproporphyrin
<100
<120
<20,7
51,0–93,0
Gesamtporphyrine
<145
<174
<30,0
 
Das Verhältnis der Isomeren liegt beim Uroporphyrin etwa bei 2:1 zugunsten des Isomers I und invertiert sich auf dem Weg bis zum Koproporphyrin, das zu etwa 75 % in Form des Isomers III vorliegt.
Stuhl (bezogen auf Trockengewicht):
 
μg/g
nmol/g
Uroporphyrin
<6
<7
Heptacarboxyporphyrin
<2
<3
Hexacarboxyporphyrin
<1
<1
Pentacarboxyporphyrin
<3
<4
Koproporphyrin
<24
<37
Protoporphyrin
<80
<142
Andere Porphyrine
<5
<8
Gesamtporphyrine
<85
<151
Die Isomerenratio des fäkalen Koproporphyrins beträgt etwa 2–3 zugunsten des Isomers I (65–75 %).
Serum/Plasma:
 
μg/l
nmol/l
Uroporphyrin
<2
<2,4
Heptacarboxyporphyrin
<1
<1,3
Koproporphyrin
<4
<6,1
Protoporphyrin
<7
<12,4
Gesamtporphyrine
<8
<13,2
Referenzbereich – Kinder
Angaben s. u. Minder und Schneider 1996.
Indikation
  • Als Teil eines porphyriediagnostischen Gesamtscreenings bei klinisch-anamnestischem Verdacht auf eine Porphyrinstoffwechselstörung/Porphyrie und/oder auffälliger Urinfärbung
  • Differenzialdiagnostik von Porphyrien
  • Screeninganalyse bei Anhalt für toxische Belastungen (Schwermetalle, halogenierte Kohlenwasserstoffe)
Interpretation und diagnostische Wertigkeit
Anstiege der renal ausgeschiedenen Gesamtporphyrine bis zur etwa 5- bis 6-fachen Referenzbereichsgrenze (ca. 800 μg/24 h) sind häufig sekundär als Folge vielfältiger, anderweitiger Grunderkrankungen und Störungen und somit a priori wenig bedeutsam. Porphyrinurie ist deshalb keinesfalls gleichbedeutend mit Porphyrie. Treten diese Erhöhungen jedoch zusammen mit signifikanten Anstiegen der Porphyrinvorläufer (Porphobilinogen und/oder 5-Aminolävulinsäure) auf, kann eine akute hepatische Porphyrie oder ein akutes toxisches Porphyriesyndrom vorliegen. Die erhaltenen Wertekonstellationen sind z. T. stark abhängig von der jeweiligen Erkrankungsphase. Die Zusammenstellungen in Tab. 1 und Tab. 2 mögen als orientierende Richtschnur dienen.
Tab. 1
Urinbefunde (n = unauffällig; ↑ = erhöht; ↑↑ = deutlich erhöht; ↑↑↑ = exzessiv erhöht; var, variabel; RS, Rotor-Syndrom; DJS, Dubin-Johnson-Syndrom; CEP, kongenitale erythropoetische Porphyrie)
Uro
Hepta
Hexa
Penta
Kopro
Uro/Kopro
Kopro I/III
Vereinbar mit
↑↑↑
↑↑–↑↑↑
↑↑
n–↑
>>1
0,2 – 0,5
Chronische hepatische Porphyrie (PCT)
↑↑↑
n–↑↑
n–↑
n–↑↑
↑↑–↑↑↑
1–>>1
var
Akute hepatische Porphyrie (AHP)
↑↑↑
↑↑
↑↑
↑↑↑
0,4–2,0
>12
CEP (Morbus Günther)
n–↑
n
n
↑–↑↑
↑↑↑
<0,1
<0,05
Akutes toxisches Porphyriesyndrom
n
n
n
n
n–↑
<0,2
>2,5
Cholestase, RS, DJS
n
n
n
n–↑
↑ (-↑↑)
<0,2
var
Sekundäre Koproporphyrinurie*
*Kein eigenständiger Krankheitswert
Tab. 2
Stuhlbefunde (n = unauffällig; ↑ = erhöht; ↑↑ = deutlich erhöht; ↑↑↑ = exzessiv erhöht; var, variabel; RS, Rotor-Syndrom; DJS, Dubin-Johnson-Syndrom; CEP, kongenitale erythropoetische Porphyrie)
Hepta
Hexa
Penta
Kopro
Proto
Sonstige
Kopro I/III
Vereinbar mit
↑↑
↑–↑↑
n–↑
n–↑
n
Isokopro
1,5–3,0
Chronische hepatische Porphyrie (PCT)
n
n
n–↑
↑↑–↑↑↑
↑–↑↑
0,15–0,40
n
n
n
↑–↑↑
↑↑–↑↑↑
Hardero
<0,15
n–↑
n–↑
n–↑
↑–↑↑↑
n
>18
CEP (Morbus Günther)
n
n
n
n–↑
n–↑↑
Meso
1,5–3,0
Erythr. Protoporphyrien (EPP, XLPP)
Isokopro = Isokoproporphyrin, pathognomonischer Metabolit bei Porphyria cutanea tarda (PCT)
Hardero = Harderoporphyrin (Tricarboxyporphyrin), auch bei sog. Harderoporphyrie
Meso = Mesoporphyrin, meist mikrobielle Bildung aus Protoporphyrin
Das gesamte stufendiagnostische Vorgehen bei Porphyrieverdacht ist im Flussdiagramm (Abb. 2) dargestellt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit findet sich die Verbindung „Lichtabhängige kutane Symptome und/oder kutane Schmerzempfindung“ mit einer kompensiert-latenten Porphyria variegata (VP) dort nicht, zumal das Emissionsspektrum bei dieser Stoffwechselstörung (Ergebnis des Fluoreszenz-Scans zu Beginn der Diagnostik) ausgesprochen charakteristisch ist, sodass die Notwendigkeit hierfür entfallen dürfte.
Typische Veränderungen der Porphyrine im Serum oder Plasma entsprechen hinsichtlich des Musters (d. h. der relativen Veränderungen) in etwa denen der Urinporphyrine. Die Anstiege sind jedoch meist schwächer ausgeprägt, d. h., 3-fache Erhöhungen können als durchaus relevant bewertet werden. Zu signifikanten Anstiegen des Protoporphyrins kommt es meist nur bei hämolytischen Prozessen als Folge der Freisetzung von akkumuliertem Protoporphyrin aus den Erythrozyten.
Literatur
Minder E, Schneider-Yin X (1996) Age-dependent reference values of urinary porphyrins in children. Eur J Clin Chem Clin Biochem 34:439–443PubMed
Puy H, Gouya L, Deybach JC (2010) Porphyrias. Lancet 375:924–937CrossRefPubMed
Stölzel U, Stauch T, Doss MO (2014) Heme synthesis defects and porphyrias. In: Blau N, Duran M, Gibson KM et al (Hrsg) Physician’s guide to the diagnosis, treatment, and follow-up of inherited metabolic diseases. Springer Verlag Berlin Heidelberg, S 541–554CrossRef
Thomas L (2012) Porphyrine. In: Thomas L (Hrsg) Labor und Diagnose. Indikation und Bewertung von Laborbefunden für die medizinische Diagnostik, 8. Aufl. TH Books, Frankfurt am Main, S 798–810