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Procalcitonin

Verfasst von: H. Renz und B. Gierten
Procalcitonin
Synonym(e)
PCT
Definition
Zu den Akute-Phase-Proteinen gehörendes Protein mit diagnostischer und prognostischer Relevanz für Sepsis u. ä. traumatisch entzündliche Systemerkrankungen.
Struktur
Die genetische Information des CALC-1-Gens liegt auf dem kurzen Arm von Chromosom 11. Transkriptionsprodukt ist das 141 Aminosäuren enthaltende Prä-Procalcitonin. Bei Einschleusung in das endoplasmatische Retikulum wird dessen N-terminale Sequenz (AS 1–25) abgespalten, und es entsteht Procalcitonin. Procalcitonin zerfällt in äquimolare Mengen an N-Pro-Calcitonin (AS 26–81), Calcitonin (AS 85–116) und Katacalcin (AS 121–141).
Molmasse
13 kDa.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Bekannteste Quelle für Procalcitonin sind die C-Zellen der Schilddrüse. Für die Akute-Phase-Reaktion spielen diese Zellen keine Rolle, da thyreoidektomierte Patienten die gleiche Kinetik der Procalcitoninfreisetzung wie Normalpatienten zeigen. Die für eine Akute-Phase-Reaktion entscheidende Synthese von Procalcitonin findet wahrscheinlich im Bereich von neuroendokrinen Zellen und Hepatozyten statt. In neuroendokrinen Zellen wurde nach Endotoxinstimulation eine deutlich gesteigerte PCT-mRNA-Expression nachgewiesen. Hinweise auf die Procalcitoninsynthese in Hepatozyten ergaben sich aus Tierexperimenten, bei denen nach Endotoxingabe höhere Procalcitoninkonzentrationen im venösen Blut der Splanchnikusregion nachgewiesen wurden.
Halbwertszeit
25–30 Stunden.
Funktion – Pathophysiologie
Über die physiologische Funktion von Procalcitonin liegen nur wenige Erkenntnisse vor. Im Gegensatz zu Calcitonin werden keine spezifischen Proteinasen zur Spaltung bereitgestellt, wie an der deutlich längeren Halbwertszeit zu erkennen ist.
Wesentliche klinische Bedeutung erlangt es im Rahmen der frühen Diagnostik bakterieller Infektionen. Nach Endotoxinexposition steigt die Procalcitoninkonzentration bereits nach 3–6 Stunden an und erreicht nach ca. 8 Stunden einen Peak. Bei adäquater Therapie sinken die Werte gemäß der Halbwertszeit innerhalb von 25–30 Stunden signifikant ab. Die Peak-Konzentration korreliert mit der Schwere der Infektion.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Serum, Plasma (EDTA-, Heparin-).
Probenstabilität
4 Stunden bei Raumtemperatur; längere Lagerung bei −20 °C.
Analytik
Chemilumineszenzassay.
Konventionelle Einheit
ng/mL (μg/L).
Internationale Einheit
μg/L.
Referenzbereich – Erwachsene
<0,5 μg/L.
Referenzbereich – Kinder
Neugeborene in den ersten Tagen haben deutlich höhere Werte, dann schneller Abfall auf das Niveau von Erwachsenen.
Indikation
Diagnose und Therapiekontrolle bei
  • schweren bakteriellen Infektionen,
  • schweren operativen Eingriffen und
  • systemischen Entzündungen, z. B. im Rahmen von Multiorganversagen.
Interpretation
Erhöhte Procalcitoninkonzentrationen können außer im Rahmen von Akute-Phase-Reaktionen auch nach Behandlung mit OKT-3-Antikörpern und anderen Medikamenten, die die Freisetzung proinflammatorischer Zytokine induzieren, auftreten. Auch bei einigen Tumoren (z. B. kleinzelliges Bronchialkarzinom, C-Zell-Karzinom der Schilddrüse) wurden hohe Procalcitoninkonzentrationen beobachtet.
Diagnostische Wertigkeit
PCT kann im Rahmen der Frühdiagnostik bakterieller Infektionen und Sepsis durch seinen schnellen Anstieg und früh erreichte Maximalkonzentration als sensitiver Marker einer Akute-Phase-Reaktion genutzt werden. Die ursächliche Therapie lässt die Procalcitoninwerte im Verlauf von 25–30 Stunden signifikant absinken. Die Kinetik ist damit wesentlich schneller als z. B. von C-reaktives Protein. Tumornekrosefaktor-α, das vor Symptombeginn (z. B. Fieber) ansteigt und bereits nach 90 Minuten die Maximalkonzentration erreicht, wird in diesen Fällen oft nicht erfasst. Im Gegensatz zu Interleukin-8, das eine ähnliche Kinetik zeigt, korrelieren Procalcitoninspiegel mit der Schwere der Infektion.
Bei nekrotisierender Pankreatitis trägt die Bestimmung von PCT zur Differenzialdiagnose zwischen infizierter und steriler Nekrose bei.
Procalcitoninkonzentrationen sind auch mit der Prognose von septischen Patienten verknüpft. Dabei steht nicht die Konzentrationen bei Diagnosestellung im Vordergrund. Vielmehr sind während der Behandlung steigende Konzentrationen als Zeichen von nicht ursächlicher Behandlung von Bedeutung.
Literatur
Meisner M (2002) Pathobiochemistry and clinical use of procalcitonin. Clin Chim Acta 323:17–29CrossRefPubMed